Kirchenasyl:Nach Recht und Gesetz

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Wenn die Behörden jetzt plötzlich beginnen, gegen die Tradition des Kirchenasyls vorzugehen, dann ist das für manche Leserinnen und Leser empörend. Kritiker dagegen meinen, dass sich die Kirchen damit gegen das Gesetz stellen.

"Über Kreuz mit der Kirche" vom 24. Juli:

Schlag ins Gesicht der Helfer

Nun "knöpft" sich die bayerische Staatsregierung also Pfarrer und Kirchengemeinderäte vor, die in besonderen Härtefällen Geflüchteten Kirchenasyl gewähren; dieses alte Recht, das die weltliche Macht den Kirchen seit Jahrhunderten zubilligt. Noch 1996 hat das Bundesverfassungsgericht es als verfassungsgemäß eingestuft. Bis heute wurde das nicht widerrufen.

Die bayerische Staatsregierung, deren Mitglieder sich sicher für gute Christen halten, legt nun ganz offen Hand an diese alte Übereinkunft zwischen Regierungen und Kirchen. Pfarrer*innen und Kirchengemeinderäte bekommen Besuch von der Polizei, Staatsanwaltschaften drohen mit Strafbefehlen. Die Kirchenleute werden unter Druck gesetzt und eingeschüchtert durch die Androhung eines Strafverfahrens oder gar einer Freiheitsstrafe. Die Maßnahmen bringen Uneinigkeit und Auseinandersetzungen in Kirchengemeinden und spalten diese.

In der Diskussion über die Kirchenasylfälle sieht die CSU noch eine neue Gelegenheit, ihren Wahlkampf mit einem "Skandal" zu füttern. Am Pranger stehen katholische und protestantische Pfarrer*innen und ihre Kirchenräte! Das Vorgehen des Freistaates Bayern ist auch ein Schlag ins Gesicht aller ehrenamtlichen Helfer, die die Pfarreien unterstützen und bis heute den Staat sichtbar entlasten und immer noch für wirksame Strukturen und allgemeine Ordnung in der Flüchtlingskrise sorgen. Die bayerische Staatsregierung bucht das aber wie selbstverständlich als Erfolg auf ihr Konto.

Es sieht so aus, als ob die Pfarreien alleinegelassen werden. Wer schützt bei solch existenziell bedrohlichen Angriffen die Pfarrer*innen? Wo melden sich die einflussreichen Kirchenmänner? Sie müssen jetzt laut werden! Die Kirchen müssen unbedingt Widerstand leisten!

Übrigens: Sonderbarerweise haben die Bosse der deutschen Autoindustrie, die seit Jahren Motoren und Messwerte manipuliert und Umweltverschmutzung zugelassen haben, bis heute keine Anklage oder einen Strafbefehl erhalten, obwohl sie millionenfach ihre Kunden betrogen und auch wissentlich den Tod vieler Menschen in Kauf genommen haben. Dabei wurden sie sogar noch von der Politik unterstützt. Wer soll da nicht verzweifeln! Ursula Saabel, München

Von wegen christlich

Es erscheint wenig glaubwürdig, wenn vorgetragen wird, diese seit März praktizierte "neue Linie" sei nicht von oben verfügt worden. Die Annahme erscheint nicht fern, dass Wochen/Monate vor der Bundestagswahl selbst Schicksal und Not der hinter den "Härtefällen" stehenden Menschen auf bayerische Art ge- und beachtet werden. Ach, du christliches Bayern mit deiner Christlich-Sozialen Union! "Das auszuhalten, verlangt einige Glaubensstärke." Dieser Satz von Heribert Prantl am Ende seines Berichts lässt offen, ob - auch - der Glaube an die CSU gemeint ist. Es steht zu befürchten, dass nicht wenige insoweit vom Glauben abfallen werden. Zu hoffen auch. Manfred K. Veits, Regensburg

Missachtung des Rechtsstaats

Mit dem Kirchenasyl unterlaufen die Kirchen systematisch das deutsche Asylrecht und missachten damit den Rechtsstaat. Kirchenasyl ist kein eigenständiges, neben dem Rechtsstaat stehendes Rechtsinstitut, es hat sich aber als christlich-humanitäre Tradition etabliert. Die Kirchen müssen respektieren, dass das staatliche Recht über der Tradition steht. Es muss gelten, dass am Ende des Asylverfahrens entweder der Schutzbedarf des Antragsstellers steht oder eben kein Schutzbedarf. Letzteres hat dann die Abschiebung zur Folge, wenn nicht noch eine Härtefallkommission dagegen Einspruch erhebt. Die amtlich verfügte Abschiebung ist der Vollzug geltenden Rechts - keine Willkür oder Bosheit des Staates. Mit dem Kirchenasyl den Staat zur Gewährung des Asyls zu zwingen, ist nicht akzeptabel. Es muss in den Köpfen der Kirchenvertreter und Gemeindemitglieder ankommen, dass nicht jeder Flüchtling hierbleiben kann. Nächstenliebe und Barmherzigkeit gelten innerkirchlich, aber sie können nicht die bestimmenden Prinzipien einer staatlichen Gemeinschaft von Bürgern sein, die vielfach nicht dem christlichen Glauben angehören. Dr. Hans-Ulrich Hauschild, Gießen

Alarmstufe Rot

Es hat mich tief erschüttert, dass gerade in Bayern mit einer vermeintlich "christlich- sozialen" Regierung gegen Pfarrer und Pfarrerinnen beider Konfessionen mit juristischen Schritten vorgegangen wird, wenn sie in einem christlichen und sozialen Verständnis Menschen in ihrer größten Not helfen und aufgrund der zwischenzeitlich oftmals unmenschlichen Vorgaben unserer bayerischen Staatsregierung in der Flüchtlingspolitik das Kirchenasyl die letzte Möglichkeit für Schutz ist. Wie sollten die Kirchen anders als nach der Botschaft Jesu handeln: Ich war verfolgt, und ihr habt mir Schutz gewährt. Nur christliches und soziales Handeln führt in die Glaubwürdigkeit der Kirchen und würde auch die Glaubwürdigkeit einer Partei, die sich die Buchstaben C und S auf die Fahne schreibt, wiederherstellen. Es darf in einem christlich geprägten Land nicht sein, dass mit Strafverfolgung auf christliches Handeln reagiert wird.

Wenn selbst menschliche Politiker der CSU jetzt äußern, wir setzen nur um, was von oben kommt, dann ist das für mich eine Alarmstufe, die uns alle hellhörig machen müsste. Ich würde mir wünschen, dass die vielen Aktionen von Menschen in Bayern, ob Helferkreise oder die Pfarrgemeinden mit dem Kirchenasyl, die gelebtes Christentum in der Flüchtlingsfrage zum Ausdruck bringen, egal ob sie sich einer christlichen Religion zugehörig fühlen, endlich auch die bayerische Staatsregierung zum Umdenken in ihrer Flüchtlingspolitik zwingen. Irene Bopp, Andechs

© SZ vom 31.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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