Katholische Kirche:Allianz der Täter und Vertuscher

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In Australien erschüttert ein Missbrauchsskandal die katholische Kirche, dort steht Kardinal George Pell vor Gericht. In Regensburg gab es bisher nur eine Entschuldigung bei missbrauchten ehemaligen Domspatzen. Das empört Leser.

"Man ist niemals zu alt, um wegen Kindesmissbrauchs inhaftiert zu werden": In Australien erschüttert ein Missbrauchsskandal die katholische Kirche, dort steht Kardinal George Pell vor Gericht. In Regensburg gab es bisher nur eine Entschuldigung von Bischof Rudolf Voderholzer bei missbrauchten ehemaligen Domspatzen. (Foto: Michael Dodge/Getty Images)

"Heikles Bekenntnis" und "Die Hölle von Regensburg" vom 19. Juli:

Die mir in ihrer lebensfeindlichen Klangreinheit zutiefst unangenehmen Darbietungen der Regensburger Domspatzen weckten in mir schon als Kind den - noch völlig unartikulierten - Gedanken, dass etwas Seltsames, Ungesundes, Unnatürliches, ja Bedrohliches hinter einer solchen Extremkanalisierung der rauen Energie normalerweise fußballverrückter, baumhäuserbauender, bandenbildender Jungs stecken musste. Bei einem Gespräch mit meiner zehn Jahre älteren Schwester über die jüngste Berichterstattung zum Domspatzen-Skandal stellte sich nun heraus, dass sie damals offenbar ein ähnliches, aber schon viel reflektierteres Unbehagen beim Anblick dieses Knabenchors verspürt hatte; für sie waren solche Leistungen praktisch nur möglich dank rücksichtsloser Zerstörung von Kind und Kindheit. Wenn damals also bereits zwei naive Landeier wie wir mit unserer kindlichen beziehungsweise pubertären Lebenserfahrung plus etwas logischem Denken Skepsis entwickelten, dann frage ich mich, wie vernebelt all die angeblich im Leben stehenden Erwachsenen gewesen sein müssen, die jahrzehntelang nicht im Ansatz nach dem menschlichen Preis für die auch ästhetisch fragwürdige Regensburger Schönsingerei fragten. Täter, Vertuscher und Beschwichtiger dieses Skandals gehören exkommuniziert aufgrund ihrer nachweisbar permanent unchristlichen, weil menschenfeindlichen und unbarmherzigen Einstellung. Michael Lohr, Ettringen

Man ist fassungslos

Man muss zu dem Schluss kommen, dass da so mancher Würdenträger erheblich Dreck am Stecken hat. Was für eine Würde ist da eigentlich gemeint? Wie aber war es möglich, dass ein Gerhard Ludwig Müller in eines der höchsten Ämter der Kirche (das wohlgemerkt über die Reinheit des Glaubens wacht!) aufstieg? Er stand ja schon als Bischof in der Kritik, weil er äußerst milde mit pädophilen Priestern umgegangen ist, ja sie sogar weiterhin in der Jugendpflege arbeiten ließ. Eine solche Selbstgerechtigkeit macht fassungslos. Wohlgemerkt auch: Dieser Mann schwingt sich zum obersten Hüter des ungeborenen Lebens auf. Wie hält er es denn mit der Achtung geborenen Lebens?

Auch Joseph Ratzinger (Benedikt XVI.) selbst gerät damit in schiefes Licht, denn er hat ihn in dieses höchste Kirchenamt berufen. Sein Bruder hat sich als verantwortlicher Leiter für die Vorkommnisse bei den Domspatzen "entschuldigt". Ist es damit getan? Wird er damit seiner Verantwortung gerecht? Viel Zerknirschung ist dabei nicht gerade zu spüren. Bei dem ganzen Skandal darf man ja nicht vergessen, dass das auch wieder nur ein kleiner Teil des ganzen Misthaufens ist, der vor der Tür der Kirche liegt. Es ist nicht mehr erlaubt, das als Fehltritte Einzelner abzutun. Papst Franziskus scheint mir wenigstens ein Lichtblick. Ob er da aufräumen kann? Wolfgang Dörr, Radolfszell

Diktatur des Zölibats

Das System dieser Kirche ist schuld. Und jeder, der in diesem System der Diskriminierung und Gewalt verharrt, ist mitschuldig.

Zeigen wir nicht mit dem Finger auf die Familie Ratzinger. Sie ist nicht schuld an den unmenschlichen Vorschriften der Kirche. Die beiden Brüder Joseph und Georg mit ihrer Schwester Trude wurden von Kindheit an dem Priesteramt verschrieben - so ist den Biografien, die über diese Familie geschrieben wurden, zu entnehmen -, für alle drei war kein sexuelles Menschsein vorgesehen, die Buben mussten zölibatäre Priester, das Mädchen die Haushälterin ihrer Priesterbrüder werden.

Die römisch-katholische Kirche sollte und müsste folglich dringend den Irrweg der Diskriminierung der Frau, der Intoleranz gegenüber Homosexuellen und der Diktatur durch den Pflichtzölibat verlassen, damit sie menschlich und sexuell reife und damit es bewusste Menschen im Priesteramt und in der kirchlichen Erziehung gibt, nicht Leute, die in Heimlichkeit und Verstecken gezwungen werden, sich im Untergrund in Abartigkeiten und Gewaltexzessen zusammenrotten und Geheimstätten des Hasses und des Missbrauchs aufbauen. Dr. Gisela Forster, Berg

Das darf nicht verjähren

Warum können diese Taten verjähren? Es ist doch gerade das Perfide an dem System der Kriminellen, dass sie es ausnutzen, dass man ihnen die Jüngsten, die Kinder und Jugendlichen anvertraut. Das heißt, es ist der Entwicklung des Heranwachsens und Erwachsenwerdens geschuldet, dass die Opfer erst nach Jahren und Jahrzehnten (!) des inneren Prozesses - und als Voraussetzung: weit weg von den Tätern! - in der Lage sind, sich ihrem Trauma zu stellen. Warum können Taten verjähren, die an Kindern begangen werden? Hier muss die Gesetzgebung sich den neuen Erkenntnissen stellen und überarbeitet werden, damit allen Tätern die Angst vor Entdeckung und Strafe das Leben zur "Hölle" macht! Dr. Claudia Scholz-Wagner, Wiesbaden

In der Verdrängungsschleife

Der Klage der Missbrauchsopfer über die Ignoranz und das Desinteresse des Klerus sowie über die mangelnde Unterstützung aus dem Vatikan möchte ich mich anschließen und aus eigener Erfahrung Folgendes beitragen: Nachdem das Bistum Münster den Bericht über meine Erlebnisse als Messdiener in den Jahren 1949 bis 1951 monatelang ignoriert hatte, wandte ich mich an den Beauftragten der katholischen Kirche, Stephan Ackermann, um diesen zu bitten, seinen Münsteraner Kollegen zur Kenntnisnahme aufzufordern. Von Ackermann habe ich nie eine Antwort erhalten. Ich wandte mich daraufhin an Papst Benedikt XVI. Der Vatikan teilte mir nach einem halben Jahr mit, dass ich mich mit meiner Beschwerde über den Münsteraner Bischof ... an den Bischof von Münster wenden möge. Hinrich Schwarthoff, Erlangen

Verschiedene Tatbestände

Es ist bedauerlich, dass es der Kirche nicht gelungen ist, eine unterschiedliche Behandlung der wesensverschiedenen Tatbestände der 500 körperlichen Misshandlungen und der 67 sexuellen Missbräuche bei den Regensburger Domspatzen der Jahre seit 1945 durchzusetzen. Dann hätte sich das Bild verändert. Denn offenbar handelte es sich bei den meisten körperlichen "Misshandlungen" um in der Pädagogik der ersten Nachkriegsjahrzehnte noch durchaus übliche Watschn, aber nicht um "Prügelorgien"; schon die Gleichsetzung von Watschn und "Prügel" ist bezeichnend. Dr. Wilhelm Knittel, Grünwald

© SZ vom 27.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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