Justiz:Fürchterliche Beihilfe

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Erst kürzlich berichtete Ronen Steinke über das juristische Standardwerk "Palandt" sowie die Gesetzessammlung "Schönfelder" - und ihre Vergangenheit. Ein Leser hat uns dazu interessante historische Ergänzungen geschickt.

"Braunbuch" vom 11. September:

Wenn Ronen Steinke eine "verblüffende Stille" zu Palandt, dem Namensgeber des wichtigsten Kommentars zum BGB im Verlag C. H. Beck feststellt, ist das nicht richtig. Der Beck-Verlag hat sich zwar spät, aber doch sehr deutlich zu Palandt geäußert: Elena Barnert hat ihn in der 2015 erschienenen "Festschrift Palandt" als treuen Nazi porträtiert und kritisch auch zu der Rolle des Verlags Stellung genommen. Richtig ist freilich, dass der Erfinder der Gesetzessammlung "Schönfelder", der begeisterte Nazi Schönfelder, nach der "Machtergreifung" als Nr. 1 das "1. Programm der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei" an die Spitze der "Deutschen Reichsgesetze" gesetzt hat. Dann folgt gleich das "Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat". In der 5. Auflage von 1935, die meinem verstorbenen Vater gehörte, bejubelt Schönfelder, dass es ihm gelungen sei, die "zwölf wichtigsten Gesetze der Regierung des Führers" darin aufzunehmen, darunter selbstverständlich auch die "Nürnberggesetze", abgedruckt unter Nr. 12a: "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre".

Der Verlag C. H. Beck hat sich selbstverständlich nicht geweigert, fürchterliche Äußerungen des Herausgebers abzudrucken, wie etwa diese: Das NSDAP-Parteiprogramm sei an die "Spitze des Staatsrechts" gesetzt worden, denn "seine Grundsätze sollen jedem Arbeiter am deutschen Recht (...) die Richtschnur der täglichen Arbeit sein". Das hat mein Vater damals als Student der Rechtswissenschaften so gelernt!

Ich habe seinen "Schönfelder" von 1935, in dem dies alles nachzulesen ist, vor mir liegen. Frage eines alten Juristen: Wie kann es sein, dass man dem Lieferanten der Verbrennungsöfen von Auschwitz Beihilfe zu den Verbrechen der Nazizeit vorgeworfen hat, nicht aber dem Verlag C. H. Beck, dem Lieferanten der zum Judenmord passenden Gesetze?

Karl F. Scheffler, Bremen, Vorsitzender Richter am OLG a.D.

© SZ vom 14.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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