Integration:Es geht nur mit Geduld und Überzeugungskraft

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Meera Jamal hat in ihrem Artikel "Schmelztiegel Deutschland" die Notwendigkeit ernsthafter Diskussionen mit Einwanderern über Grundrechte und Werte angemahnt. Leser stimmen ihr zu, haben aber nur wenig Hoffnung, dass das schnell geht.

"Schmelztiegel Deutschland" vom 24./25. Juni:

Meera Jamal fordert in oben genanntem Artikel über Einwanderung und die sich daraus ergebende Diversität in den Lebensanschauungen und Lebensmodellen völlig zu Recht ernsthafte Diskussionen beziehungsweise Auseinandersetzungen mit dem Ziel, Grundgesetz, Menschenrechte, gesunden Menschenverstand als allgemeine Handlungsgrundlage durchzusetzen. Ich denke, dass diese sicher endlose Überzeugungsarbeit zwar geleistet werden soll, sie jedoch durch systemimmanente Schwierigkeiten bereits vor jeglichem Werteabgleich behindert, wenn nicht sogar verhindert wird.

Der religiöse Gesetzeskodex zeichnet sich dadurch aus, dass er erstens per Definition göttlich initiiert ist und zweitens jahrhundertelange Tradition aufweisen kann. Die göttliche Anteilhabe impliziert eine empfundene Absolutheit, erschwert so eine Diskussion auf Augenhöhe mit "nur" der Vernunft geschuldeter Argumentation. Gelebter Traditionalismus gebiert zwangsweise Unbeweglichkeit, Unverständnis, Intoleranz. Erschwerend kommt hinzu, dass in den religiösen Systemen über die Jahrhunderte machtpolitisch fundierte Gesetzesverkrüppelungen entstanden sind, wie zum Beispiel die Unterdrückung der Frau. Nur nebenbei sei erwähnt, dass die Ungleichstellung der Frau auch Gesellschaftsordnungen vorzuhalten ist, die sehr wohl für sich Werte der Aufklärung und Menschenrechtsnormen rekrutieren.

Außerdem schleppen Religionen oft einen Wust von ehemals sicher sinnvollen ernährungs-, hygiene-, medizinrelevanten Vorschriften mit sich, die im Hier und Jetzt, für Außenstehende völlig unverständlich, nach wie vor nahezu aggressiv verteidigt beziehungsweise eingeklagt werden. Und drittens kommt hinzu, dass Grundgesetz, Menschenrechte, Vernunft und Toleranz im Gegensatz zu Religionen keinerlei Heilsbotschaft beinhalten. Sie regeln "nur" das Zusammenleben vieler Einzelner, statt Exklusivität Normalität.

Es braucht deshalb sicher mehr als Initiative und guten Willen, es braucht Findigkeit, Überzeugungskraft und jede Menge Geduld bei den Diskussionen in den Foren. In letzter Konsequenz sind jedoch die Werte der Aufklärung, die Menschenrechte, der Verhaltenskodex resultierend aus Vernunft und Toleranz nicht verhandelbar!

Dr. Franziska Weber, Oberhaching

© SZ vom 05.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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