Hausaufgaben:Ginge das nicht anders?

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Ja, es gibt "gute" und "schlechte" Hausaufgaben. Und es gibt Eltern, die so manches auffangen, was die Schüler nicht schaffen. Leser diskutieren hier, ob Hausaufgaben überhaupt sein müssen und wie man ihrer Herr wird.

"Die Qual am Nachmittag" vom 18./19. November:

Pädagogisches Outsourcing

Hausaufgaben sind Hausfriedensbruch, hat die Vorsitzende des Bundeselternrats vor Jahren gesagt. Dabei war sie nicht mal aus Bayern. Hierzulande ist ja alles noch um eine Stufe verschärft. Als meine Kinder zur Schule gingen, boten Volkshochschulen Lateinkurse an für Mütter, die bei den Hausaufgaben helfen. Nach dem bayerische Schulgesetz müssen Eltern dafür sorgen, dass das Kind die Hausaufgaben macht. Unverstandenes erklären oder gar Referate schreiben sollen sie ausdrücklich nicht. So weit die Theorie.

In der Praxis erledigen viele Eltern, was die Schule nicht schafft. Sie lassen sich dieses pädagogische Outsourcing erstaunlicherweise gefallen. Eltern, wehrt euch! Sonst ändert sich da nie was. Ursula Walther, Herzogenaurach

Ständig piepst das Smartphone

Als Mittelschullehrerin stimme ich der Aussage Ihres Artikels zu, dass Hausaufgaben in der heutigen Zeit den Schülern oft zur Qual werden. Allerdings möchte ich hier noch einen anderen Grund anführen, der zu diesem Phänomen geführt hat.

Die gesellschaftliche Entwicklung hin zur digitalisierten Welt hat es mit sich gebracht, dass die Menschen jederzeit über Handy und Computer erreichbar sein möchten. Ungeachtet der positiven Auswirkungen des Medieneinsatzes beklagen wir Lehrer den exzessiven, unkontrollierten Medienkonsum der Kinder und Jugendlichen, was sich in vielerlei Hinsicht ungünstig auf das Lernverhalten der Schüler auswirkt und ihnen langfristig den schulischen Erfolg verwehrt.

Bei einer Umfrage gaben vier Fünftel meiner Achtklässler an, während der Hausaufgaben ihr Handy eingeschaltet zu haben, um Beiträge ihrer Freunde in den sozialen Netzwerken sofort zu kommentieren. Außerdem ist es bei vielen Schüler üblich, am Computer online zu sein, um E-Mails zu empfangen, Musik zu hören, ja sogar um mit dem Freund Computerspiele zu machen. Dass in dieser Lernatmosphäre keinerlei effektives Lernen möglich ist, haben Hirnforscher in wissenschaftlichen Untersuchungen vielfach belegt. Durch die Unterbrechungen gelingt es den Schülern nicht, mit dauerhafter Konzentration Informationen aus Texten, Zahlenreihen, Grafiken usw. aufzunehmen, Zusammenhänge zu erkennen, Lösungswege zu entwickeln und im Gedächtnis abzuspeichern. Das Ergebnis der Klassenumfrage löste ein intensives Gespräch über den negativen Einfluss des Mediengebrauchs während des Lernens aus. Viele Schüler änderten daraufhin ihre ungünstigen Lerngewohnheiten und ließen Handy und Computer während der Hausaufgaben ausgeschaltet. Die ersten Erfolge stellten sich bald ein und viele gaben an, dass ihnen die häusliche Vorbereitung nun wieder leichter fallen würde. Hausaufgaben sind keine Qual mehr für sie. Gabriele Sperber, Haar

Recht auf Feierabend

Nicola Holzapfel liefert mit ihrem Artikel über die Rolle der Hausaufgaben einen Anstoß für eine kritische Auseinandersetzung mit der Starrheit des deutschen Schulwesens. Zwar dürften sich die von der Autorin herangezogenen Forschungsmeinungen schon seit langem als gültig erwiesen haben, denn keineswegs neu ist beispielsweise die Erkenntnis, dass es "gute" und "schlechte" Hausaufgaben gibt und dass der Lerneffekt einer Hausaufgabe davon abhängt, wie sinnvoll diese in den Unterricht integriert ist. Umso schlimmer ist es, dass deutsche Schulen in großem Stil an der Vergabe qualitativ minderwertiger Hausaufgaben festhalten.

Es wäre jedoch verkürzt, allein die Qualität der Hausaufgaben zum Maßstab für deren Sinnhaftigkeit zu machen: Vielmehr gilt es, das Thema Hausaufgaben in demselben Kontext zu diskutieren wie die Entgrenzung von Beruflichem und Privatem. Bemühungen um den Erhalt des Feierabends sind stark auf die Arbeitswelt fokussiert. Aber auch Kinder haben ein Recht auf Feierabend. Hausaufgaben sind die manifestierte Entgrenzung von Schule und Privatleben - das sollte allen, die über das Für und Wider von Hausaufgaben streiten, klar sein.

Dass deutschen Schulen offenbar die Zeit fehlt, "das Einüben von Wissen und längerfristige Arbeiten an einem Gegenstand" in den Unterricht zu integrieren, wie der Erziehungswissenschaftler Eckhard Klieme feststellt, ist ein bildungspolitisches Armutszeugnis - und sollte nicht als Argument für das Festhalten an einer überkommenen Hausaufgaben-Praxis dienen. Schule muss sich verändern: Sie muss viel stärker von den Lebensverhältnissen und Lebenswelten ihrer Schüler ausgehen; sie muss durchlässiger und demokratischer werden. Stärkenorientierung statt Selektion ist gefragt. Das bedeutet auch zu berücksichtigen, dass Kinder unterschiedliche Lernrhythmen haben. All diese Punkte sollten nicht als leistungskillender sozialpädagogischer Unfug begriffen werden. Sondern als Notwendigkeiten für eine fortschrittliche und menschlichere Schule. Björn-Uwe Klein, Bad Laasphe

© SZ vom 04.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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