Haus- und Grundbesitz:Zügellose Gier

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Brauchen wir angesichts der Mietpreissteigerungen und Zunahme von Flächenversiegelung so etwas wie eine Reform des Bodenrechts? Leserinnen und Leser jedenfalls meinen, dass es so wie im Moment nicht weitergehen könne.

"Mit Füßen getreten" vom 1. September:

Wer denkt noch ans Gemeinwohl?

Eine sozial gerechte Bodennutzung ist unumgänglich, wollen wir die Chancengleichheit auch in der Raumpolitik als Gut einer demokratisch verfassten Gesellschaft sehen. Die Blüten, die der überhitzte Immobilienmarkt in München und anderen deutschen Großstädten treibt, sind ein Armutszeugnis für eine verschlafene Bodenpolitik, die der zügellosen Gier von Immobilienspekulanten Tür und Tor geöffnet hat.

Eine Konzentration einer endlichen und nicht mehrbaren Ware bei wenigen und die Spekulation darauf ist eine Einschränkung der Grundrechte, und nicht zuletzt darum beschäftigt sich auch die Bayerische Verfassung im Artikel 161 damit, indem sie fordert, "Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- und Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen". Nicht nur, dass die Eigentümer ohne ihr Zutun reicher werden, den weniger Solventen verschließt sich der Zugang zu bezahlbarem Wohnraum komplett.

SZ-Zeichnung: Michael Holtschulte (Foto: N/A)

Wollen wir also den sozialen Frieden wahren, indem gutes Wohnen für jeden möglich ist, Gemeinwohl nicht nur ein Lippenbekenntnis und lebendige, bunte, vielfältige Städte eine echte Vision sind, sollten wir endlich die Gelegenheit nutzen und in die offene Diskussion um ein neues Bodenrecht einsteigen. Yvonne Außmann, München

Weniger Grundstücke pro Person

Zwar ist es in Deutschland eines der bestgehüteten Geheimnisse, wer welche Immobilien und Grundstücke besitzt (während unter anderem in den skandinavischen Ländern jeder jederzeit das Grundbuch online einsehen kann), aber es spricht vieles dafür, dass Grundvermögen eine nicht unerhebliche Rolle beim Auseinandergehen der sogenannten sozialen Schere spielt: Auf der einen Seite Menschen ohne Immobilieneigentum, die einen Großteil ihres Einkommens in ihre Miete investieren, ohne die Chance zu haben, selbst einmal Wohneigentum zu erwerben - auf der anderen Seite Immobilienerben, die sich um ihre Wohnsituation keine Gedanken machen müssen und oft von Mieteinnahmen gut leben können, ohne viel Arbeit damit zu haben. Wem das Glück der Geburt es beschert, wird sogar in den "Immobilienadel" hineingeboren, dessen Vermögen sich angesichts schwindelnd steigender Miet- und Bodenpreise konstant von selbst vermehrt, wenn nur die Lage der Immobilien stimmt: In München haben sich die Immobilienkaufpreise allein in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Das fordert Immobilienspekulation richtiggehend heraus - und Gewinne sind nach einer Frist von zehn Jahren komplett steuerfrei - warum eigentlich?

Was hierzulande ebenfalls irritiert, ist, dass - wie auch im Artikel - eine wie auch immer geartete Besteuerung die einzige Lösungsidee zu sein scheint. So schön einen Wohnbausteuer à la Wien wäre: Auch sie wird viele Folgeprobleme, wie zum Beispiel Gentrifizierung, Wohnungsnot, steigende Mieten und öffentliche Lasten, Landnahme und zunehmende Vermögensungleichheit allenfalls etwas mindern, nicht aber beseitigen können.

Wäre es also nicht viel wichtiger zu überlegen, ob man die Akkumulation von Grund und Boden in den Händen weniger ändern könnte, indem man zum Beispiel die Zahl der Grundstücke und Immobilien beschränkt - im Idealfall auf die Eigennutzung? Oder indem man bei Grundstücken Nutzungs- anstatt Eigentumsrechte vergibt? Bernadette-Julia Felsch Arbeitskreis "Wer beherrscht die Stadt" des Münchner Forums für Entwicklungsfragen

Der Markt versagt

Der Artikel von Laura Weißmüller bringt vieles auf den Punkt. Aber es geht noch weiter: Der Bodenmarkt versagt systematisch. Die meisten Wirtschaftswissenschaftler legen den Mantel des Schweigens hierüber, auch wenn sie ansonsten immerfort betonen, dass ein solches Marktversagen dort entstehen muss, wo Nutzen und Kosten auseinanderfallen. Dabei wird der Bodenwert nicht durch den Grundstückseigentümer, sondern durch Leistungen der Allgemeinheit geschaffen - dies sind unter anderem öffentliche Infrastruktur und Planung sowie die durch diese erst ermöglichte Agglomeration von Fachkräften. Die Finanzierung dieser öffentlichen Leistungen wird dabei in erster Linie der heterogenen Gruppe der Arbeitnehmer und Verbraucher über Besteuerung aufgebürdet - wobei beide Gruppen zu einem großen Teil deckungsgleich sind. Den Nutzen aber hat eine relativ kleine und gut organisierte Gruppe von Bodeneigentümern, die eine enge Verbindung zur Politik pflegt.

Dabei liegt der wahre, nach Grundstückswerten gemessene Großgrundbesitz heutzutage in den großen Städten. Natürlich gibt es auch viele Kleineigentümer von Immobilien, zumeist in peripheren Lagen. Diesen hat aber bislang noch niemand laut vorgerechnet, wie desaströs auch ihre Kosten-Nutzen-Bilanz in diesem System ausfällt. Eine höhere Besteuerung des Bodenwertes bei gleichzeitiger Rückführung vor allem der Steuern auf Verbrauch und Einkommen könnte dazu beitragen, Nutzen und Kosten auf den Bodenmärkten zusammenzuführen. Sowohl Effizienz als auch Verteilungsgerechtigkeit könnten so erhöht wie auch der Zugang zur knappen Ressource Fläche verbessert werden. Über die Ersetzung der gegenwärtigen Grundsteuer durch eine Bodenwertsteuer hätte die Politik im Rahmen der anstehenden Grundsteuerreform die Chance, eine Wende in diese Richtung einzuschlagen. Prof. Dirk Löhr, Trier

Weltweiter Pakt

Weltweit ächzt die Erde unter einem viel zu sorglosen Bodenkonsum, ob nun der Fläche oder der Krume, des Waldes oder der Wiese. Daher sollte ein weltweiter Pakt geschlossen werden, der einen dauerhaften Privatverkauf an natürliche oder juristische Personen untersagt. Flächen sollten allenfalls maximal 30 Jahre mit Option auf Verlängerung verpachtet werden dürfen. Wie Luft und Wasser sollte der Boden als Gemeinbesitz von allen Lebewesen und Pflanzen auf der Erde angesehen werden. Auch hier sieht man wieder, wie dringend die UN zu einer gesetzgebenden und parlamentarischen Institution aufgewertet werden müssen: Besser heute als morgen, denn das Ende unserer Zukunft hat schon begonnen. Dass das Christentum die Vorstellung eines privaten Bodenkonsums erst ermöglicht hat ("Machet euch die Erde untertan") sollte uns Anlass geben, hier nachzubessern und ein friedlicheres Verhältnis zur Mutter Erde zu entwickeln. Nur wer die Erde auch spirituell als unverletzlich ansieht, wird mehr Sorgsamkeit im Umgang mit Boden und Erde lernen. Annette Ahme, Berlin

© SZ vom 18.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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