Freistaat Bayern:Wie einst König Ludwig I.

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Wenn man, wie jüngst im Aktuellen Lexikon, das Wort "Freistaat" erklären will, darf man nach Ansicht eines SZ-Lesers nicht in der jüngeren Geschichte anfangen. Schon Bayerns König Ludwig I. wusste dazu einiges zu sagen.

Aktuelles Lexikon "Freistaat" vom 2. Mai:

Treffend hat bereits König Ludwig I. den Begriff "Freistaat" als Republik im Gegensatz zur Monarchie gekennzeichnet, als er wegen der ihm 1848 im Rahmen der revolutionären Unruhen abgerungenen demokratischen Zugeständnisse, die er mit seinem monarchischen Staatsverständnis jedoch für unvereinbar hielt, abdankte und in seinem Abdankungsschreiben feststellte: "Treu der Verfassung regierte ich, dem Wohl des Volkes war mein Leben geweiht, als wenn ich eines Freistaates Beamter gewesen . . ."

Freistaat" ist seit dem 18. Jahrhundert das deutsche Wort für "Republik" im Gegensatz zu Monarchie. Nach dem Sturz der deutschen Monarchien 1918 bezeichneten sich alle Gliedstaaten des Reiches zunächst als Freistaaten, und die Weimarer Verfassung von 1919 verlangt in Artikel 17 von allen Ländern eine "freistaatliche Verfassung". Nach der Revolution vom November 1918 bezeichnete sich Bayern bis zur Verabschiedung der Verfassung des Freistaates Bayern vom August 1919 abwechselnd als "Republik", "Freistaat" und "Volksstaat".

Noch der Verfassungsentwurf des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner von März 1946 nennt sich "Verfassung des Volksstaates Bayern" und in Artikel 1 heißt es: "Bayern ist eine Republik". Dies hat der Staatssekretär Hans Ehard im Kabinett Hoegner (Ende 1946 Hoegners Nachfolger als Ministerpräsident) im maschinenschriftlichen Entwurf Hoegners handschriftlich gestrichen und durch "Freistaat" ersetzt (Original im Bayerischen Hauptstaatsarchiv).

Dass die aktuelle Staatsregierung und auch andere Einrichtungen wie zum Beispiel der Bayerische Rundfunk (BR) in die Bezeichnung "Freistaat" mehr als die Kennzeichnung von Bayerns Staatsform als Republik hineinpacken, zeigt sich in der inflationären Verwendung des Wortes in den verschiedensten Bereichen, so zum Beispiel bei der Wettervorhersage im BR, wo jeden Tag vom "Wetter im Freistaat" die Rede ist. Wer würde vom "Wetter in der Republik" reden, das wäre ja lächerlich.

Auch gelegentliche Vergleiche der Stellung Bayerns im Bund mit der autonomer Regionen wie Katalonien oder Bozen-Südtirol innerhalb ihrer Staaten geht in diese Richtung, obwohl durch nichts gerechtfertigt. Albrecht Liess, München Leitender Archivdirektor a. D.

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