Flüchtlingskrise:Ratlosigkeit und Zynismus

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Die Flüchlingskrise wird von den Parteien zunehmend zum Thema im Bundestagswahlkampf gemacht. Die einen Leser finden das gut, denn es sei ein wichtiger Punkt. Die anderen sehen das als Instrumentalisierung.

(Foto: Karin Mihm)

"Wahlkampf mit Zahlen" vom 25. Juli, "Geld gegen Flüchtlinge" vom 24. Juli und "Schlechtes Schauspiel" vom 19. Juli:

Gegen die rülpsende Sattheit

Hat SPD-Chef Martin Schulz bei seinem Vorstoß zu den Flüchtlingsströmen nicht zu Recht auf Parallelitäten zum Jahre 2014 hingewiesen? Er hat! Damals verdrängte ganz Europa, dass täglich in Lampedusa und von dort aus in Sizilien und sonstwo in Italien Flüchtlinge anlanden. Italien blieb alleine mit der Sorge für diese Menschen. Der Rest der EU, auch wir, machte sich einen schlanken Fuß.

Erinnert sich niemand mehr daran, dass selbst die Kanzlerin, allerdings schon viele Monate her, diese Ignoranz gegenüber Italien von 2014 mal als Fehler bezeichnete? Und wie ist es heute? Italien bekommt erneut nahezu alle Flüchtlinge ab, die von Rettungsaktionen aller Art aus dem Mittelmeer gefischt werden, soweit sie nicht vorher ertrunken sind. Wird Italien, bis auf EU-Gelder, nicht wieder mit diesen Flüchtlingen alleine gelassen?

Was würde wohl passieren, wenn der türkische Präsident Erdoğan seine Drohung wahr machte und die Flüchtlinge losschickte, die in türkischen Camps hausen müssen? Welches Glück haben wir, dass wir keine EU-Außengrenze haben! Da müssten dann andere Staaten die Menschenflut von uns abhalten. Und wir waschen unsere Hände in Unschuld. Vorher machen wir aber noch einen Politiker nieder, der über den Tellerrand und unsere schon wieder eingekehrte rülpsende Sattheit hinausdenkt? Alfred Münch, Olching

Ohrfeige mit Kalkül

Martin Schulz' Aussage "Wer versucht, ... das (Flüchtlingsthema) bis zur Bundestagswahl zu ignorieren, verhält sich zynisch", ist entweder eine schallende Ohrfeige an die eigene Partei, die bislang die Füße ja auch stillgehalten hat, oder selbst purer Zynismus, weil das wahlkampfuntauglichste Thema - die Flüchtlingsfrage - zum Instrument der Beförderung eigener Kanzlerambitionen gemacht wird. Motto: mal sehen, wie viele Prozentpunkte das einfährt. Wilfried Gerhard, Jesteburg

Im Stich gelassen

Erst zwei Monate vor einer richtungsweisenden Bundestagswahl entdeckt die SPD

ein Thema, das die Mehrheit der Bevölkerung seit Jahren wohl mit am meisten beschäftigt: die Flüchtlingspolitik. Die Hoffnung der Kanzlerin und der CDU, dieses Thema bis zur Wahl "totschweigen" zu können, dürfte sich damit endgültig zerschlagen haben.

Merkels "Strategie" lässt bis heute viele ratlos zurück. Eine Obergrenze will sie um keinen Preis akzeptieren und sendet damit, wenn auch möglicherweise nicht beabsichtigt, falsche Signale. Nachhaltige Konzepte zur Begrenzung des Flüchtlingszustroms beziehungsweise zur Bekämpfung der Fluchtursachen kann sie bisher allerdings auch nicht vorweisen. Sie hat sich mit ihrer damaligen Grenzöffnung in eine Sackgasse manövriert, aus der sie ohne Gesichtsverlust nicht mehr herausfindet. Ihre politischen Gegner warten nur darauf, dass sie sich eine Blöße gibt und Fehler eingesteht. Ausbaden muss diesen Politikstil des Machterhalts und der persönlichen Eitelkeiten von Politikern der Bürger, der sich mit den Auswirkungen dieser insgesamt missglückten Flüchtlingspolitik ohnehin bereits im Stich gelassen fühlt.

Es wäre wünschenswert, dass die SPD die Flüchtlingsproblematik im Endspurt des Wahlkampfs zu ihrem Hauptthema macht. Denn sollten Griechenland und Italien nicht baldmöglichst entlastet werden, drohen in Deutschland ähnliche Verhältnisse wie vor knapp zwei Jahren.

Warum sollen eigentlich nicht alle Bürger dieser Welt von einem bestimmten Einkommen an einen finanziellen Beitrag für bedürftige Staaten dieser Welt entrichten, wenn gewährleistet werden kann, dass diese Unterstützungsleistungen zielgerichtet verwendet werden? Unsere Erde steht in vielfacher Hinsicht am Scheideweg. Statt Wettrüsten, Machthaberei und persönlichen Eitelkeiten wären weltweit Zusammenhalt und intelligente Lösungen der wichtigen Zukunftsthemen gefragt. Alfred Kastner, Weiden

Es fehlt die Glaubwürdigkeit

Es ist nicht nur ein schlechtes Schauspiel, sondern eine miese Schmierenkomödie, die Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer in der Flüchtlingspolitik veranstaltet. Die Erklärung dafür steht im ersten Satz von Roberts Roßmanns Kommentar "Schlechtes Schauspiel": "Um die Glaubwürdigkeit von Ministern und Abgeordneten ist es nicht gut bestellt." Dass es so ist, daran hat Seehofer einen großen Anteil. Das beste Beispiel ist seine Flüchtlingspolitik. Da fällt er nicht nur der Kanzlerin schon jahrelang in den Rücken, sondern klammert Menschlichkeit beflissen aus. Haben wir von ihm schon mal einen Satz zum Überlebenskampf der Menschen in Syrien oder in Afrika gehört? Ein Wort zur Solidarität mit den Flüchtlingen oder sogar zur Problemlösung? Da kommt fast nichts, nur die Obergrenze. Die löst zwar keine Probleme, hält die Wahlchanchen aber am Köcheln. Das allein zählt für Seehofer. Glaubwürdigkeit? Siehe oben! Dieter Arnold, Sontheim-Brenz

© SZ vom 29.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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