Flüchtlinge:Nächstenliebe und die CSU

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Bayerns früherer Kultusminister Hans Maier ermahnte jüngst seine Partei, die CSU, beim Familiennachzug Nächstenliebe zu zeigen. Leser pflichten ihm bei. Einer führt die christliche Position dazu ganz detailliert aus.

" Profil Hans Maier" vom 16. Januar:

Die Partei schürt Angst

Ich habe mich einerseits sehr gefreut über den Artikel von Matthias Drobinski, in dem er die Position von Ex-Kultusminister Hans Maier zur CSU beschreibt, war aber andererseits schockiert über das Urteil, das er als Insider über die CSU gefällt hat. Ich teile nicht nur seine Position, ich möchte sie vertieft sehen.

Beispiel Familiennachzug in der Flüchtlingsproblematik: Es war immer schon christliche Position, was das Zweite Vatikanische Konzil so ausgedrückt hat: "Die Familie selbst empfing von Gott die Sendung, Grund- und Lebenszelle der Gesellschaft zu sein." Einfach ausgedrückt: Wie die Familien, so später die Gesellschaft. Und nun soll bei den Flüchtlingen der Familiennachzug ausgesetzt bleiben, so die CSU.

Wo bleibt da das Christliche in der so wichtigen "Grund- und Lebenszelle der Gesellschaft"? Mit zerrissenen Familien kann man nur eine zerrissene Gesellschaft aufbauen. Wenn CSU-Chef Horst Seehofer immer wieder darauf hinweist, durch den Familiennachzug würde die Integrationsfähigkeit Deutschlands total überfordert, dann ist genau das Gegenteil der Fall, denn zerrissene Familien lassen sich viel schwerer integrieren als gesunde.

Das größte Integrationshemmnis ist die Ablehnung der Willkommenskultur, wie sie Seehofer in beschämender Weise gegenüber Kanzlerin Angela Merkel vertrat. Das war Wasser auf die Mühlen der Rechtsradikalen, die sich nicht scheuten, Flüchtlingsheime anzugreifen.

Manchmal wird auch die größere finanzielle Belastung ins Feld geführt. Ich bin Flüchtling. In den ersten Jahren nach 1945 kamen Millionen von Flüchtlingen in ein wirtschaftlich völlig daniederliegendes Deutschland, und wir haben es geschafft. Heute ist es für manche ein Drama, wenn Hunderttausende in ein wirtschaftlich starkes Deutschland kommen. Und die CSU schafft es wunderbar, immer wieder Angst vor ihnen zu schüren. Das sind alles Dinge, die nicht von einer christlichen, sondern leider unchristlichen Partei Zeugnis ablegen. Eduard Stuchlik, Altötting

Bitte umbenennen

Wer auch nur ein wenig die Diskussion um die Flüchtlingspolitik verfolgt hat, musste zur Kenntnis nehmen, dass sich diese "christliche" Partei CSU in dieser Frage nicht im Ansatz um eine christliche Grundhaltung bemüht hat. Weder die Verweigerung des Familiennachzugs noch die hartherzige Obergrenze in weltweiten Kriegs- und Krisenzeiten passen noch zum Namen, den sie führt. Christlich ist jedenfalls anders, schützt und stärkt die Familie und lässt unbegleitete Kinder und Jugendliche nicht allein, hat etwas mit Nächstenliebe und dem elementaren Verständnis für Verfolgte zu tun, und sorgt sich nicht ausschließlich um die absolute Mehrheit sowie um den Facharbeiter-Zuzug. Mein Vorschlag: Die CSU sollte sich umgehend einen anderen Namen geben. Robert Weber-Locher, München

Aus der Zeit gefallen

Wir Wissenschafts- und Kulturpolitiker haben einst den Kultusminister Hans Maier geschätzt. Ein Bildungsbürger wie auch Franz Josef Strauß, beide von unterschiedlicher Charakterformung. Nicht konfliktfrei, aber das war in Bayern auch das Spannende, auf das wir "Nordlichter" mit gewissem Neid blickten. Wir alle standen damals vor ganz anderen Herausforderungen als heute. Hier wirkt Hans Maier angesichts der Völkerwanderung dann doch etwas aus der Zeit gefallen. Man muss dieser Herausforderung mit Verantwortungs- und nicht mit Gesinnungsethik begegnen. Keiner wusste das besser als einst Konrad Adenauer, der gläubiger Katholik und regelmäßiger Kirchenbesucher war und Kardinal Frings auf Augenhöhe begegnete. Er ließ sich nicht "fringsen", hieß es damals. Das heißt, die Kirchenpredigt folgt mitunter anderen Maßstäben als die praktische Politik. Peter Schmidt, Wedel, CDU-Vorsitzender Hamburg-Nienstedten

Herabwürdigung der Helfer

Einen herzlichen Dank an Hans Maier für seine deutlichen Worte an die CSU. Ich habe für mich schon lange das "C" durch ein "A" ersetzt. "Antisoziale Union". Der unsägliche populistische Umgang mit dem Thema Flüchtlinge und damit auch die Herabwürdigung aller ehrenamtlichen Helfer disqualifiziert diese Partei für eine Beteiligung an der Regierung. Es wird mit Sicherheit bei Beginn des Landtagswahlkampfes wieder so weitergehen. Wir leben in Deutschland wie die Maden im Speck, und es täte uns sehr gut, wenn wir von unserem Wohlstand den Flüchtlingen und Vertriebenen etwas abgeben. Für den Umgang der Politiker mit den Flüchtlingen in Deutschland schäme ich mich. Auf lokaler Ebene geschieht jedoch sehr viel Gutes. Diese Aktivitäten müssen gestärkt werden. Dietrich Borchert, Walldorf

Man könnte stolz sein

Meines Erachtens hätte es der inhaltlichen Positionierung der Christlich Sozialen Union, die diesem Anspruch in ihrem Namen gerecht werden will, weit mehr gedient, einen Hans Maier oder einen Pater Friedhelm Hengsbach SJ mit seiner Vision zur Europapolitik zur Klausur nach Seeon einzuladen, als sich mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán einen Schulterklopfer für eine falsche Politik zu suchen. In den öffentlichen Auftritten der CSU-Spitze ist zwar viel von bürgerlichem Konservativismus zu hören, aber so gut wie nichts von katholischer Soziallehre. Schade! Dabei hat Bayern wahrlich viel Menschliches für die Aufnahme der Flüchtlinge geleistet.

Man könnte stolz auf diese Bürger sein. Katholiken und Protestanten in Bayern, die es mit dem Christlich-Sozialen ernst meinen, könnten sich ihre politische Heimat wohl auch bald anderswo suchen. Michael Begerow-Fischer, Wuppertal

© SZ vom 24.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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