Flexible Arbeitszeiten:Nur noch kurz die Mails checken

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In einer SZ-Außenansicht wurde jüngst betont, wie vorteilhaft es sein kann, wenn jeder seinen Arbeitstag selbst bestimmt. Eine Leserin und ein Leser widersprechen.

"Selbst bestimmen" vom 18./19. November:

Das Wohl der Wirtschaft

Christoph M. Schmidt hat in seiner Funktion am Leibniz-Institut ganz offensichtlich ausschließlich das Wohl der Wirtschaft im Sinn. Er unterstellt den Arbeitnehmern in oben genannter Außenansicht, eine flexible Arbeitszeit könne nur in ihrem eigenen Interesse sein, denn so dürften sie ihre Ruhezeit zum Lesen von E-Mails unterbrechen. Auch eine Anpassung des Rechts an die EU-Vorgaben mit einer wöchentlich statt täglich begrenzten Arbeitszeit höhlt die ursprüngliche Intention des Arbeitszeitgesetzes aus: Das Ziel lautet hier, dass der Arbeitnehmer sich nach jedem Tag so erfolgreich erholen kann, dass er bis ins Rentenalter in der Lage bleibt, seinen Beruf auszuüben. Wird er jedoch genötigt, Tag und Nacht für die Firma verfügbar zu sein, lässt sich dieses Ziel nicht erreichen.

Die Betonung der Freiwilligkeit der flexiblen Arbeitszeiten setzt dem Ganzen noch die Krone auf: Wenn die Not erst einmal groß genug ist, wird der Arbeitnehmer doch alles tun, um seinen Arbeitsplatz zu sichern - an drohenden Burn-out und psychische Probleme wird kein Gedanke verschwendet! Wer dann noch den "heiligen" Sonntag der Deutschen als Fußfessel der Wirtschaft wertet, dem entgeht, dass viele Nationen uns gerade um diese Besonderheit beneiden. Fällt der arbeitsfreie Tag nämlich auf einen Wochentag, so werden alle anderen Erledigungen gemacht, die an den Zwölf-Stunden-Arbeitstagen nicht zu erledigen waren. Dient der Sonntag jedoch tatsächlich nur zum Erholen, ist plötzlich Zeit für Familie und Freunde da. Das funktioniert natürlich nur, solange wir (weitestgehend) einheitlich den Sonntag als freien Tag erhalten. Marie Ladda, Hamburg

Arbeitnehmer im Selbstbetrug

Ich bezweifle, dass uns ein Brei aus Erwerbsarbeit, Familienarbeit und Freizeit guttut, der von morgens früh um sechs Uhr bis abends um 23 Uhr geht. Ich bin mir sicher, dass wir Arbeitnehmer uns mit Home-Office und Ähnlichem eher selbst betrügen und zu wenig Arbeitszeit dokumentieren und Arbeitgeber sich dadurch viel Lohnkosten sparen. Mit dieser Art zu arbeiten, ist es nicht möglich, sich nach der Arbeit in einem Funkloch zu entspannen. Es ist nicht möglich, nach der Arbeit auch mal etwas zu trinken. Die Frage ist auch, wie viel wir tatsächlich selbst bestimmen können und ob nicht die Macht des Faktischen uns dazu zwingt, flexibel zu arbeiten. Frei nach dem Motto: "Als ich an einem sonnigen Frühlingstag ganz flexibel mir den Nachmittag frei nehmen wollte, lehnte mein Chef ganz unflexibel ab, es war eine andere Flexibilität, die er meinte!" Jörg Faber, Neubiberg

© SZ vom 04.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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