Ehe für alle:Bitte genau prüfen

Lesezeit: 2 min

Ehe und Familie hätten nur noch wenig miteinander zu tun, daher sollte das Bundesverfassungsgericht nun einen Anstoß geben, meint ein Leser. Die katholische Kirche müsse sich dem Vorwurf der Homophobie stellen, meint ein anderer.

"Wesentlich" vom 8./9. Juli und "Es geht um die Würde" vom 5. Juli:

Carolin Emcke hat in ihrem Essay "Wesentlich" recht, wenn sie fordert, was eigentlich schon vor der Gesetzgebung hätte passieren müssen: die Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht. Die "Ehe für alle" steht im Einklang mit der gegenwärtigen Gesellschaft. Unzweifelhaft. Man sollte jedoch den historischen Bewusstseinswandel nicht ignorieren, gerade in einer Zeit, in der sich die Gesellschaft mit einer kaum mehr kontrollierbaren Geschwindigkeit verändert. Kai Möller nennt in seiner Außenansicht "Es geht um die Würde" den Zusammenhang von Ehe und Fortpflanzung "offensichtlichen Unfug". In meiner Jugend noch wurden viele Ehen durch ungewollte Schwangerschaften geschlossen, kein Unfug damals und dies schon seit der Römerzeit! Dass die Ehe etwas mit Fortpflanzung zu tun hat, sagt auch der Ornithologe: In der Balz ziehen auch die Vögel das sogenannte Hochzeitskleid an. Spaß beiseite. Carolin Emcke hat recht: Der gesellschaftliche Diskurs über das Thema "Ehe für alle" hat in der legislativen Eile gelitten. Die Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht wäre angezeigt. Prof. Konrad Löffelholz, Wiesbaden

Für ein Kindersplitting

Die "Ehe für alle" sollte vor das Verfassungsgericht. Denn Ehe und Familie haben inzwischen nur noch wenig miteinander zu tun: Ein Drittel aller Kinder wird unehelich geboren. Das sind 238 000 pro Jahr. Dazu werden jährlich 132 000 Kinder zu Scheidungskindern. Die Eltern all dieser Kinder zahlen Steuern wie Singles und finanzieren damit indirekt den Splitting-Gewinn kinderloser Ehepaare. Hierdurch sind Trennungskinder extrem benachteiligt, was gegen Grundgesetz Artikel 6, Absatz 5 verstößt. Diese Ungleichbehandlung hat ein viel größeres Ausmaß als die, die gerade zu Recht vom Bundestag aufgehoben wurde. Weil Politiker aller Couleur dies völlig ignorieren, bedarf es eines Anstoßes des Bundesverfassungsgerichts, endlich im Sinne der Gleichbehandlung ehelicher und unehelicher Kinder - zusätzlich zum Ehegattensplitting, nicht stattdessen! - ein adäquates Kindersplitting einzuführen, mit dem Trennungseltern ihrer gemeinsamen Verantwortung beim getrennten Erziehen besser gerecht werden können. Peter Röhling, Köln

Homophobe Kirche

"Die Debatte danach" vom 7. Juli: Die katholische Kirche musste natürlich reagieren, nachdem der Bundestag und der Bundesrat die "Ehe für alle" verabschiedet haben. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hofft nun auf eine Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht. Mit dieser Haltung unterstreicht die katholische Kirche ihre homophobe Haltung. Mit aller Härte will sie nun dagegen vorgehen und sucht im konservativen Lager nach Verbündeten.

Was spricht dagegen, wenn zwei Menschen, die sich lieben und Verantwortung füreinander übernehmen, eine Ehe eingehen, egal in welcher Konstellation?

Schade, dass die katholische Kirche nicht erst den Menschen sieht, sondern erst prüft, ob der in ihr (konservatives) Raster passt. Statt das Bundesverfassungsgericht anzurufen, täte an dieser Stelle Barmherzigkeit und Lebensrealität gut. Gerd W. Stolp, Tutzing

© SZ vom 17.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: