Der Buchstabe  R:Nichts als Ärger

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Wer hätte gedacht, dass ein einzelner Buchstabe so viel regionale Emotion auslöst? Da leidet eine Oberbayerin unter dem Oberpfälzer Roller, ein Hesse unter der Aussprache seines Nachnamens - aber der Schwabe rettet das End-R vor dem Aussterben.

"Rollkommando" vom 10./11. Juni:

Aussterbende Spezies

Der Artikel von Tim Neshitov ist gut und schön, lässt aber völlig außer Acht, dass der Buchstabe R eine aussterbende Spezies ist. In der Schriftsprache ist er - zumindest vorläufig - nicht umzubringen, im gesprochenen Wort (der Hoch(?)sprache) lebt er zwar noch als Anfangsbuchstabe, im Wortinneren ist er aber bedroht und als End-R praktisch tot. Der Kampf gegen das Sterben des End-R ist nahezu aussichtslos. Selbst von den Bayern ist keine Hilfe zu erwarten. Allein die oft belächelten Schwaben stemmen sich gegen den Trend. Ein hochdeutsch sprechender Mensch wird immer an seinem End-R als Schwabe zu erkennen sein. Das "Mia san mia!" in Rosenheim heißt in Plochingen "Mir sen mir", obwohl ein Schwabe das nie sagen würde.

Hansjörg Hägele, Gauting

Quälend schnarrend

Nie und nimmer sollte man das nette sauerländische R des Franz Müntefering mit dem rundzüngelnden amerikanisch-oberhessischen oder dem penetranten Ganz-vorne-Gerolle gewisser bayerischer Gäue in einen Topf werfen. Ich stamme aus dem Kernland der rollenden Rede (Birkenstein!), doch plagt mich Übelkeit beim Klang bestimmter niederbayerischer oder Oberpfälzer Roller, die quälend schnarrend daherkommen. Mir ist bekannt, dass meine Allergie nicht therapierbar ist - oder dem Therapeuten leicht zwei Eigenheime in Bogenhausen finanzieren könnte.

Angelika Boese, München

Weder rollend noch gurgelnd

Zunächst einmal vielen Dank, dass Sie sich dieses heiklen Themas annehmen! Wahrscheinlich gibt es keinen anderen Buchstaben im Alphabet, dessen Lautbildung ähnliche Schwierigkeiten macht, und an dem man die regionale und nationale Herkunft besser erkennen kann! Ich kann die Probleme mit Ihrem rollenden "R" gut nachvollziehen, stamme ich selbst aus einer Gegend in Deutschland, in der umgekehrt das gesprochene R weder rollend noch gurgelnd, sondern praktisch gar nicht existiert. In meiner Heimat, dem Rhein-Main-Gebiet, kommt man zwar gut ohne rollendes/gurgelndes "R" aus, aber die Verständigung im restlichen, vor allem südlichen Deutschland ist umso schwieriger! Sie müssen sich das hessische R wie ein kurzes Är vorstellen, wobei das r nur wie ein leichter Seufzer beim Ausatmen daherkommt. Weder Rachen noch Zunge übernehmen dabei irgendeine Funktion. Unglücklicherweise kommt in meinem Nachnamen das r an markanter Stelle vor, sodass der Versuch, mich namentlich vorzustellen, regelmäßig in Rückfragen, wie Bahn? Baum? Bohn? oder ratlosen Gesichter mündet. Um diese Klippe zu umschiffen, bin ich zum Buchstabieren übergegangen: Bertha, Otto, Richard, Nordpol.

Dr. Reinhard Born, Immenstaad

© SZ vom 17.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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