Tiermedizin-Bloggerin:"Absolventen haben viele Möglichkeiten"

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Wie man eine tierärztliche Praxis führt, lernt man an der Universität nicht, sagt Britta Schmid. Entsprechende Kenntnisse müsse man sich selbständig aneignen. (Foto: Cecilia Stede)

Um eine Praxis zu eröffnen, braucht man spezielles Wissen, sagt die promovierte Agrarbiologin und Tiermedizin-Studentin Britta Schmid. Aber man kann auch in Unternehmen oder Ämtern arbeiten.

Interview:  Annika Brohm

Nach ihrer Promotion als Agrarbiologin entschloss sich Britta Schmid dazu, ihr Wissen mit einem Zweitstudium der Tiermedizin zu vertiefen. Die 41-Jährige studiert im achten Semester Tiermedizin in Gießen. Nach ihrem Abschluss möchte sie sich intensiv der Tierphysiotherapie und biologischen Tiermedizin widmen. Vertreter der biologischen Tiermedizin wollen eine Brücke zwischen Homöopathie und Schulmedizin schlagen. Die dreifache Mutter wird von angehenden Studenten und ihren Kommilitonen immer wieder um Rat gefragt: Wie bereitet man sich am besten auf Prüfungen vor? Und vor allem stellen ihr viele Menschen die Frage: Wie lassen sich Studium, Arbeit und Familie miteinander vereinbaren? Inzwischen teilt Schmid ihre Erfahrungen auf einem Facebook-Blog mit circa 1000 Abonnenten.

SZ: Auf Ihrem Blog "Tiermedizin - ein Studium am Limit" lassen Sie andere Studierende an Ihrem Alltag teilhaben. Ist die Stressbelastung im Tiermedizin studium tatsächlich so groß?

Britta Schmid: Das Studium bringt einen definitiv an die eigenen Grenzen. Das liegt auch daran, dass es ein sehr verschultes System ist. Teilweise hat man in der vorlesungsfreien Zeit nur ein, zwei Wochen Zeit, um für größere Prüfungen zu lernen. Man frisst den Stoff dann regelrecht in sich hinein. Das ist aber nicht mit Wissen gleichzusetzen, weil man vieles unmittelbar nach der Prüfung wieder vergisst. Diese Vorgehensweise zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Studium: Man muss lernen, die Vorlesungen besuchen und gegebenenfalls nebenbei arbeiten. Dadurch kann man schnell in eine Stressspirale hineinrutschen.

Werden Studierende Ihrer Meinung nach gut auf den Berufsalltag als Tiermediziner vorbereitet?

Die Praxiserfahrung kommt während des Studiums häufig zu kurz. An lebendigen Tieren dürfen wir nicht üben, weil das als Tierversuch gewertet werden würde. Nähtechniken haben wir deshalb in der Vorlesung über einen Beamer gelernt. Nicht selten sagen Absolventen nach ihrem Abschluss, dass sie sich nicht gut genug vorbereitet fühlen. Viele Praxen oder Kliniken nutzen diesen Mangel an Erfahrung vor allem bei jungen Berufsanfängern aus. Dementsprechend sind die Einstiegsgehälter teils sehr niedrig, besonders im Kleintiersektor und im Pferdebereich.

Sie führen bereits eine eigene Praxis für Hundephysiotherapie. Würden Sie Absolventen der Tiermedizin den Schritt in die Selb ständigkeit empfehlen?

Wie man eine Praxis richtig führt, lernt man während des Studiums nicht. Man sollte sich deshalb gut informieren und wirtschaftlich rechnen können. Viele junge Selbständige verkalkulieren sich und müssen letztendlich Insolvenz anmelden. Es muss aber nicht zwangsläufig die eigene Praxis sein. Absolventen haben viele Möglichkeiten. Im Nutztierbereich werden beispielsweise händeringend Nachwuchskräfte gesucht, da werden auch sehr gute Gehälter bezahlt. Viel wichtiger als das Geld ist allerdings, wo die eigenen Interessen und Qualitäten liegen.

Für wen eignet sich das Studium Ihrer Meinung nach - und wer sollte lieber die Finger davon lassen?

Man sollte sich schon vor dem Studium klarmachen, dass der Beruf nicht dem Traumbild entspricht, das kleine Mädchen oft haben. Sie glauben: Wenn man Tierarzt wird, kann man alle Tiere retten. Das funktioniert aber nicht. Der Beruf kann sehr belastend sein. Wenn man Tiere einschläfern muss etwa, oder wenn Tierbesitzer nicht die finanziellen Mittel für eine Behandlung haben. Solche extremen Stresssituationen sind nicht für jeden etwas.

Würden Sie interessierten Abiturienten das Studium der Tiermedizin dennoch empfehlen?

Definitiv. Es ist ein sehr abwechslungsreiches Feld. Dementsprechend können Absolventen viele verschiedene Wege einschlagen. Es gibt Jobs in Pharmaunternehmen, auf dem Veterinäramt, in der Industrie, und da hört es noch lange nicht auf. Es sind fünfeinhalb Jahre, in denen man am Limit ist - aber wenn man es mit Herzblut macht, dann ist es ein spannendes, vielseitiges Studium.

© SZ vom 11.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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