Terrorabwehr:Analysieren und observieren

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Die Auswertung von Texten und Videos des "Islamischen Staats" gehört bei vielen Mitarbeitern in der Terrorismusbekämpfung zum Tagesgeschäft. (Foto: dpa)

Seit September 2001 hat sich die Arbeit der Sicherheitsbehörden stark verändert. Gesucht werden Islamwissenschaftler, Informatiker und Juristen, aber auch Bewerber ohne Studium.

Von Friederike Ebeling/dpa

In einem großen Besprechungsraum sind die Tische u-förmig zusammengeschoben. An jedem Platz steht ein Rechner und ein Telefon, an der Stirnseite haben zwei große Landkarten Platz: die Welt und Deutschland. In dem Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) in Berlin treffen sich Mitarbeiter aus 40 Behörden von Bund und Ländern, darunter Islamwissenschaftler, Polizisten, Informatiker, Kriminologen, Juristen und Übersetzer. Ihre Aufgabe: die Demokratie schützen.

Hanna Schüller (Name geändert) ist eine von ihnen. Sie ist studierte Islamwissenschaftlerin und arbeitet im Gemeinsamen Internetzentrum in Berlin. "Nach dem Vorbild des GTAZ arbeiten dort Vertreter verschiedener Sicherheitsbehörden eng zusammen", sagt sie. Nach ihrem Abschluss 2008 fand sie über ein gängiges Jobportal eine Stellenausschreibung vom Bundeskriminalamt (BKA). Das suchte eine Islamwissenschaftlerin für die Internetauswertung. "Das Jobangebot klang sehr attraktiv", sagt Schüller. Eine Behörde biete gute Arbeitsbedingungen: Bezahlung nach Tarif und ein unbefristeter Vertrag.

Mit ihrem Auslandsaufenthalt in Kairo konnte Schüller bei der Bewerbung punkten. Der Bewerbungsprozess sei sehr aufwendig gewesen, sagt sie. Schüller musste ihre Sprachkenntnisse in Arabisch und Persisch nachweisen und wurde in einem Test über den islamistischen Terror, dessen Gruppierungen und aktuelle Bewegungen befragt. Erst danach kam das eigentliche Vorstellungsgespräch.

"Personen, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden sollen, müssen sich vorher einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen", sagt Marianne Falasch vom BKA. Das heißt: Auszug aus dem Strafregister, Überprüfung des Lebenspartners und Befragung dritter Personen über den Bewerber.

Schüller sieht sich in ihrer Position im Gemeinsamen Internetzentrum als "Expertin, um Kontexte zu erklären". Sie wertet dschihadistisch ausgerichtete Internetseiten und Botschaften aus, die über das Netz verbreitet werden. Texte des "Islamischen Staats" seien derzeit ihr Tagesgeschäft. Dabei muss sie weniger übersetzen - dafür gibt es Übersetzer - als strategisch bewerten. "Konzeptionelles, vernetztes und analytisches Denken ist von Vorteil, will man in der Terrorismusbekämpfung arbeiten", sagt Karriereberaterin Nadja Henrich.

Weil Terroristen sich heutzutage vor allem über das Internet organisieren, hat sich die Arbeit in den Behörden in den vergangenen Jahren erheblich verändert. Für die Terrorismusbekämpfung werden neben Islamwissenschaftlern verstärkt Informatiker gesucht. Bewerber müssen nicht unbedingt studiert haben. "Wir stellen auch Mitarbeiter mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung ein", sagt Falasch vom BKA.

Der Verfassungsschutz bietet IT-Stipendien und einen dualen Studiengang an

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) bietet sogar IT-Stipendien an, in denen Informatikstudenten finanziell unterstützt werden, um im Anschluss beim BfV zu arbeiten. Es gibt auch die Möglichkeit, beim BfV das duale Studium zum Diplom-Verwaltungswirt zu machen. Das dauert drei Jahre. Auf dem Stundenplan stehen Fächer wie beispielsweise Staatsrecht und Betriebswirtschafslehre. Im Anschluss können Absolventen in der Terrorismusbekämpfung als Beamte arbeiten.

Neben Islamwissenschaftlern und Informatikern suchen die Behörden Observationskräfte. Sie beobachten auffällige Rückkehrer oder Personen, die im Internet radikalisierende Botschaften verbreiten. Wer sich dafür interessiert, ist viel auf der Straße unterwegs. "Voraussetzung ist ein Führerschein und eine abgeschlossene Berufsausbildung. Körperliche Fitness sollten die Bewerber ebenso mitbringen", sagt Stefan Mayer vom BfV.

Ob Ausbildung oder Studium, Bewerber müssen auf jeden Fall interkulturelle Kompetenz mitbringen. Aus dem Grund will das BKA auch mehr Beschäftigte mit Migrationshintergrund einstellen. Die deutsche Staatsangehörigkeit sei nicht notwendig. Außerdem sollten Bewerber eigenverantwortlich arbeiten können, verantwortungsbewusst und loyal sein. "Wichtig ist vor allem ein Verständnis für politische Zusammenhänge", sagt Mayer.

Für einige Bewerber mag eine Anstellung in der Terrorismusbekämpfung wie eine James-Bond-Mission klingen. Von dieser Vorstellung sollte man sich aber lösen. "Meine Arbeit beim BKA findet hauptsächlich im Büro statt", sagt Schüller. Nur manchmal kommt es vor, dass sie Vorträge hält, bei Hausdurchsuchungen dabei ist oder als Zeugin vor Gericht aussagt. "Gefährlich finde ich meinen Job nicht", sagt sie. Manchmal stehe sie nur unter einem gewissen Zeitdruck. Vor allem in den Momenten, in denen sie Terrordrohungen analysiert, die offensichtlich gegen Deutschland gerichtet sind. Dann sei Teamarbeit gefragt, um Anschläge zu verhindern.

© SZ vom 18.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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