Service Learning:Selbermachen und selbstsicher werden

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An der OBS Papenteich in Niedersachsen ist soziales Engagement Pflicht. Mehrere Projekte stehen zur Wahl.

Von Joachim Göres

Schleifen, bohren, fräsen, schrauben, lackieren - acht Schüler stehen im Werkraum der Oberschule Papenteich und bearbeiten die von ihnen gebauten Holzkästen. Sie sollen demnächst als Insektenhotels von Kindergärten genutzt werden. "Das macht Spaß, weil wir wissen, dass unsere Arbeit einer sinnvollen Sache dient, und wir nicht für die Mülltonne produzieren", sagt der 16-jährige Dennis. Die Insektenhotels entstehen im vierstündigen Profilkurs Technik.

Alle Neunt- und Zehntklässler an der OBS Papenteich in Groß Schwülper im niedersächsischen Landkreis Gifhorn müssen sich für ein Profil entscheiden, neben Technik gibt es Wirtschaft sowie Gesundheit und Soziales. Das Besondere an diesen Wahlpflichtfächern: Alle Schüler sind dort an Projekten beteiligt, die der Allgemeinheit zugutekommen. Vereine, Initiativen, Altenheime, Kindergärten und Schulen profitieren von den Ideen und vom Einsatz der Jugendlichen. Service Learning nennt sich das Konzept, das an der OBS Papenteich - einem Zusammenschluss von Haupt- und Realschule - großgeschrieben wird. Dahinter steckt die Überzeugung, dass junge Leute durch positive Reaktionen auf ihr Engagement zu ehrenamtlichen Aktivitäten ermutigt werden und sie gleichzeitig durch ihre praktischen Tätigkeiten Anregungen für ihren künftigen Beruf bekommen. Die Schule war einer von fünf Preisträgern beim bundesweiten Service-Learning-Wettbewerb der Stiftung Aktive Bürgerschaft im vergangenen Jahr.

Die Schüler haben praktische Führer entwickelt. Einer zeigt, welche Läden barrierearm sind

"Alt und Jung im Dialog" heißt ein aktuelles Projekt des Profils Gesundheit und Soziales, in dem Schüler ältere Menschen aus der Umgebung interviewen. Wo wurde früher eingekauft? Wie wurden Flüchtlinge aus dem Osten nach dem Krieg hier aufgenommen? Wie sah der Schulunterricht früher aus? Das sind einige der Fragen, die Schüler den Zeitzeugen stellen. Die Antworten werden per Video aufgenommen, wobei auch die Orte ins Bild gerückt werden, über die die Senioren reden. So entsteht ein Dokument für alle, die sich für die Geschichte der Region interessieren.

In einem bereits abgeschlossenen Projekt haben Jugendliche den ersten Mobilitätsführer für die Region erstellt. Dafür ermittelten sie zum Beispiel, welche Geschäfte, Arztpraxen, Cafés, Sparkassen und andere Läden behindertengerecht gestaltet sind; sie versuchten auch herauszufinden, ob das jeweilige Personal hilfsbereit ist. Mit Hilfe von Sponsoren wurde der Führer gedruckt und kostenlos verteilt. "Die Schüler gestalten die Projekte inhaltlich mit. Sie lernen dabei den Wert der Demokratie kennen", erläutert Oberschuldirektor Hans-Dieter Ulrich.

Theorie und Praxis verzahnen sich eng bei den Service-Learning-Projekten der OBS Papenteich. (Foto: Oberschule Papenteich)

Ebenso begehrt wie der Mobilitätsführer ist die kulinarische Landkarte des Profils Wirtschaft. Schüler haben Anbieter von Lebensmitteln aus der Region besucht und auf einer Karte ihren Standort markiert. Auf der Rückseite erfährt man, dass es etwa auf dem Hof der Familie Wehmann in Abbesbüttel frische Eier, Spargel, Kartoffeln und Honig gibt oder der Bioland-Hof in Isenbüttel Wurst und Fleisch von selbstgeschlachteten Schweinen und Rindern auf dem Markt in der Gemeinde Meine anbietet. "Kaufen Sie Produkte aus der Region!!!" lautet die Aufforderung der Schüler, zur Freude der regionalen Erzeuger.

Doch es geht nicht nur um das Zusammentragen von Informationen. "Über die Ergebnisse einzelner Projekte berichten die Jugendlichen Journalisten auf Pressekonferenzen, die die Schüler ohne Lehrer bestreiten. Das fördert ihre Selbständigkeit", sagt der didaktische Leiter der OBS Papenteich, Helge Korn. Ihren Mobilitätsführer haben die Schüler in der Ratssitzung der Samtgemeinde Papenteich öffentlich präsentiert - Samtgemeinde bezeichnet in Niedersachsen einen Gemeindeverband. Und ihr Projekt "Regionale Esskultur" haben die Jugendlichen vor großem Publikum vorgestellt. "Ich habe jetzt keine Angst mehr vor Referaten in der Schule", sagt die 16-jährige Carmen. Bei der Bestandsaufnahme für den Mobilitätsführer hatte sich gezeigt, dass das Rathaus nicht barrierefrei war. Inzwischen hat der Rat den Einbau eines Fahrstuhls beschlossen. Auch in den Arbeitsgemeinschaften am Nachmittag geht es um das Prinzip Service Learning. In der AG Homepage sitzen Alex, Erik, Justin und Jakob vor ihren Laptops und besprechen mit Lehrer Frank Senkpiel, welche Aufgaben heute bei der Pflege der eigenen Schul-Homepage anstehen. "Wir haben neulich für den Anglerverein eine Homepage gestaltet. Wir haben uns ein Konzept überlegt und darüber diskutiert, ein Layout entwickelt, den Aufbau der Seiten und die Farben festgelegt, nach passenden Bildern gesucht. Vereine haben oft kein Geld, Firmen damit zu beauftragen, deswegen finde ich, dass das eine gute Sache ist", sagt der 15-jährige Jakob. Er kann sich eine Arbeit am Bildschirm gut als späteren Beruf vorstellen.

Auf den Fotos sind Schüler damit beschäftigt, Insektenhotels zu bauen. (Foto: Oberschule Papenteich)

Schulsozialarbeiterin Sylvia Steg spricht von einer positiven Stimmung an der Oberschule. Dazu trägt auch bei, dass die Schüler viele Dinge wie die Sitzecken aus Paletten, die Blumenkästen, die Garderobe, einen Lehmbackofen und Bänke auf dem Schulgelände selber gebaut haben. "Es gibt nur wenig Zerstörung, weil sie stolz auf ihre eigenen Produkte sind", sagt Steg. Sie weiß aber auch, dass man damit nicht alle Probleme lösen kann. "Auch bei uns gibt es Mobbing unter den Schülern, indem unschöne Sprüche und Fotos zum Beispiel über Facebook verbreitet werden."

Für Marion Koch, Lehrerin im Profilkurs Technik, besteht der große Vorteil der praktischen Tätigkeit für einen gemeinnützigen Zweck in der Verbindung von Theorie und Praxis. "Für den Bau des Insektenhotels müssen die Schüler wissen, welches Holz dafür geeignet ist, wie es für den Einsatz im Freien behandelt werden muss, wie Farben zusammengesetzt sind. Sie wollen darüber etwas erfahren, denn ihr Produkt soll gut werden", sagt Koch. Sie sehen einen Sinn in ihrer Arbeit und fühlen sich ernst genommen. Dafür investieren viele Schüler in den Profilkursen zusätzliche Zeit neben dem Unterricht.

Immer wieder entstehen neue spannende Projekte: "Schüler werden einen Film über unsere Samtgemeinde drehen. Bei diesem Projekt lernen sie auch, dass man mit Filmen manipulieren kann", sagt Schuldirektor Ulrich.

© SZ vom 21.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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