Professor Matthiesen:Eng verzahnt

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Professor Sven Matthiesen. (Foto: privat)

Eine Maschine bauen und sie gleich programmieren? An manchen Unis stehen die Anforderungen von Industrie 4.0 längst auf dem Lehrplan.

Interview Von Kevin Schrein

Eine Maschine bauen und sie gleich programmieren? Kein Problem für seine Studenten, meint Sven Matthiesen, Professor für Gerätekonstruktion am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

SZ: Jedes dritte deutsche Unternehmen setzt sich bereits mit Industrie 4.0 auseinander , ergab jüngst eine Studie. Sind Ihre Studenten darauf vorbereitet?

Sven Matthiesen: Davon gehe ich aus. Industrie 4.0 ist zwar ein relativ neuer Begriff, aber nicht alles daran ist neu. Viele Bausteine von Industrie 4.0 sind nicht plötzlich entstanden, sondern über Jahre entwickelt und verbessert worden. Es ist eher eine Evolution als eine Revolution. Wir beobachten das sehr genau - und hinterfragen unsere Lehre immer wieder aufs Neue.

Stellt die Industrie angesichts des Umbruchs Forderungen an die Lehre?

Schon seit einigen Jahren drängt man darauf, dass Ingenieure ein besseres Verständnis für ihnen fremde Fachdisziplinen mitbringen müssen, da Probleme heute meist nur aus dem Zusammenspiel der Disziplinen gelöst werden können. Aber aus der neuen Perspektive Industrie 4.0 sind an uns bisher keine neuen Forderungen herangetragen worden. Ich denke, da müssen noch ein paar Jahre vergehen. Grundsätzlich ist eine breite Ausbildung Voraussetzung, um auf Veränderungen reagieren zu können. Die Grundlagen müssen sitzen. Erst dann macht eine Vertiefung Sinn, zum Beispiel in Mechatronik. Verschiedene Disziplinen wachsen ja immer mehr zusammen. Darauf bereiten wir unsere Studenten vor.

Wie tun Sie das?

Seit 2012 bieten wir den Studiengang "Mechatronik und Informationstechnik" an. Ziel ist es, Wissen aus den Bereichen Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik zusammenzuführen. Wir reagieren damit auf die Veränderungen in der Industrie. Viele Produkte kommen heute nicht mehr ohne Elektronik und entsprechende Software aus. Darüber hinaus haben wir im letzten Wintersemester erstmals die Veranstaltung "Entwicklung mechatronischer Systeme und Produkte" angeboten, die sogar international große Aufmerksamkeit fand.

Was ist so besonders an dem Kurs?

Die Verzahnung von wissenschaftlicher Theorie und industrieller Entwicklung. Im fünften Semester arbeiten unsere Studenten an einem Projekt, das bewusst so komplex gewählt ist, dass sie es nur in kooperierenden Teams lösen können. Maschinenbau, Elektronik, Programmierung - es kommt alles zusammen. Unsere Studenten sollen die Arbeitsweise in der Industrie kennenlernen, Eigeninitiative und Leidenschaft für ihr Produkt entwickeln. Wir wollen erreichen, dass sie als Team weiter denken, Ideen entwickeln, die vielleicht erst in Zukunft bei ihrem Produkt Anwendung finden.

Apropos Teamarbeit. Ingenieure haben nicht gerade den Ruf, starke Kommunikatoren zu sein. Wird sich das ändern?

Die Veränderung ist schon in vollem Gange, es wird aber noch zunehmen. Technische Produkte sind so kompliziert geworden, dass sie nur noch in einem Team aus Experten erdacht und gefertigt werden können. Die Zeiten, in denen ein Ingenieur als Generalist in seinem Kämmerlein ein Produkt entwickelt hat, sind endgültig vorbei.

© SZ vom 27.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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