Nur eine Mode:Im Überfluss

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Ernährungsberater – das ist ein beliebter Beruf. Doch gibt es in der Branche genügend Stellen? Oder muss man sich selbständig machen? Wer sich für eine Mode-Weiterbildung begeistert, vergisst oft diese wichtigen Fragen. (Foto: Photocase/imago)

Vor ein paar Jahren wollten viele Wellness- oder Event-Manager werden. Nun gibt es zu wenige Jobs für sie. Warum Moden in der Weiterbildung heikel sind.

Von Christine Demmer

Der große Trend in der beruflichen Weiterbildung heißt "Vier Punkt Null" und beherrscht die Schlagzeilen: Industrie 4.0, Wirtschaft 4.0, Arbeit 4.0. In puncto Digitalisierung besteht in vielen Firmen großes Interesse an dem Thema, aber auch großer Nachholbedarf.

Im Rahmen einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die 2017 publiziert worden ist, wurden Personalverantwortliche zu Weiterbildungstrends befragt. 74 Prozent von ihnen verwiesen auf den enormen Fortbildungsbedarf der Mitarbeiter. In großen Unternehmen sagten sogar 92 Prozent der Personalverantwortlichen: mehr Computerwissen ist nötig.

Grundsätzlich kommt es bei Personalern gut an, wenn Bewerber nachweisen können, dass sie Weiterbildungen zu moderner Kommunikationstechnologie in Eigeninitiative absolviert haben. "Alle zukunftsorientierten Themen rund um digitale Kompetenzen sind aktueller denn je. Weiterbildungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik haben Konjunktur", sagt Mirco Fretter, Geschäftsführer der deutschen Gesellschaft für berufliche Bildung in Köln. "SAP-Kurse, Datenschutz und -sicherheit sowie kaufmännische Softwareanwendungen sind Dauerbrenner." Und das sei auch gut so, denn die Unternehmen fragen genau diese Fachkenntnisse nach.

Die Beschäftigten hören die Signale. Und sie folgen ihnen - ein Prozess, der bereits vor Jahren begann: Nach einer Erhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg hatte jeder zehnte Arbeitnehmer, der zwischen 2009 und 2013 an einer non-formalen, also nicht mit einem formal anerkannten Abschluss endenden Weiterbildung, teilgenommen hatte, einen Kurs in der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) besucht. Nach Soziales, Erziehung, Gesundheit sowie Wirtschaft und Verwaltung stellt IKT die drittgrößte Gruppe unter allen Weiterbildungsthemen. Ist das eine Modewelle oder Einsicht in das Unabänderliche? "Von einem bloßen Hype zu sprechen, wäre angesichts realer Veränderungsprozesse durch Digitalisierung sicherlich nicht angemessen", meint Erik Haberzeth, Professor für Höhere Berufsbildung an der Pädagogischen Hochschule Zürich.

Wer als Wirtschaftspsychologe tätig werden will, sollte kritisch nach den Perspektiven fragen

Aber, um ein weiteres beliebtes Weiterbildungsthema zu nennen, wie viele Wirtschaftspsychologen braucht das Land? Das Spezialfach der Psychologie kann als Hochschulstudium mit dem Ziel Bachelor oder als Weiterbildungsstudiengang mit dem Abschluss Master studiert werden. Doch um sich "Wirtschaftspsychologe" nennen zu können, braucht man kein Psychologiestudium. Es reicht ein Wirtschaftsstudium mit Elementen der Psychologie. Das hat das Oberlandesgericht München unlängst entschieden (AZ 6 U 4436/16). Welche Art von Studium das genau sein müsse, haben die Richter nicht gesagt. So kann man die Weiterbildung beispielsweise bei der Württembergischen Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie in einem nebenberuflichen "Kontaktstudium" von vier Monaten Dauer oder bei der Akad University binnen neun Monaten absolvieren. Voraussetzungen bei beiden Kursen: keine. Die Zielgruppe sind Personalfachkräfte, Kaufleute und Fachwirte.

Wirtschaftspsychologen findet man in Marketing- und Personalabteilungen, bei Werbe- und Kommunikationsagenturen sowie bei Verbänden. Aber werden wirklich so viele benötigt, dass der Weiterbildungsmarkt eine erkleckliche Anzahl berufsbegleitender Kurse aufbieten muss, die nur einen winzigen Ausschnitt des Psychologiestudiums umfassen? Lohnt sich eine solche Fortbildung in finanzieller Hinsicht? Ein Blick auf den Arbeitsmarkt sollte nachdenklich machen. 1985 waren in den alten Bundesländern 18 300 Diplom-Psychologen beschäftigt. Im Jahr 2014 waren es 99 000 - nicht mitgezählt, die als Lehrer tätigen Seelenkundigen. Der jährliche Ersatzbedarf wird von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf auf etwa 3000 Psychologen geschätzt. Erwerbslos gemeldet waren im Jahresdurchschnitt 1985 bis 2014 etwa 2000 der an einer Hochschule ausgebildeten Psychologen.

Wirtschaftspsychologen tauchen in diesen Berechnungen nicht auf. Ihre Zahl ist statistisch nicht erfasst. Sie kommt allerdings noch obendrauf. Immerhin kann man sicher sein, dass Personalverantwortliche den Unterschied zwischen Psychologen und Wirtschaftspsychologen kennen.

Großes Interesse besteht zurzeit an Ausbildungen zum Personal- und Businesscoach

Was die Nürnberger Forscher vom IAB über die beliebtesten Weiterbildungen 2009 bis 2013 herausgefunden haben, gilt noch heute. Noch vor Wirtschaft und Technik hat Soziales Konjunktur - besonders hoch in der Kombination mit Wirtschaft. Laut Andreas Vollmer, Leiter Studienprogramm und Services bei der Studiengemeinschaft Darmstadt (SGD), richtet sich die Nachfrage aktuell am stärksten auf Aufstiegsweiterbildungen im Bereich Wirtschaft und Technik, wie zum Beispiel IHK-Fachwirte, staatlich geprüfte Techniker und SAP-Lehrgänge. "Großes Interesse verzeichnen wir auch bei den Lehrgängen Personal- und Business-Coach", setzt Vollmer hinzu. "Viele Führungskräfte oder auch Berater und Coaches möchten sich für Aufgaben wie Mitarbeiterentwicklung, Führung von Teams oder Change Management fundiertes Wissen aneignen."

Fundiertes Wissen ist immer gut. In Modeberufen freilich ist die Konkurrenz von Menschen mit fundiertem Wissen im jeweiligen Spezialgebiet so groß, dass die zu Beginn eines Hypes hochgejubelten Arbeitsmarktchancen schnell verfliegen. Vor 15 bis 20 Jahren gab es einen Run auf Fortbildungen zum Wellness- und Event-Manager. Dutzende von Studienprogramme und Hunderte von Fortbildungsangeboten später ist Ernüchterung eingekehrt. Der Arbeitsmarkt ist übersättigt. Nur wenige Wellness-Manager und Event-Manager werden neu eingestellt, außerdem ist im Alter von Mitte 30 oft Schluss. Viele verlieren ihre Jobs, weil Arbeitgeber keine "älteren" Eventmanager beschäftigen wollen. Wer es bis dahin nicht schafft, sich selbständig zu machen, muss umlernen. Die Gefahr, dass sich zu viele ausbilden lassen, besteht womöglich auch bei Weiterbildungen im Bereich Ernährung, da dieses Thema gerade einen gesellschaftlichen Boom erlebt.

Ein langanhaltender Trend ist allerdings der Wunsch der Weiterbildungswilligen nach digitaler Lernunterstützung. Insbesondere Online-Kurse stehen in hoher Gunst. Doch auch in diesem Bereich gibt es Kurzzeit-Trends. Bestes Beispiel sind Massive Open Online Courses, kurz Moocs. Vor kaum fünf Jahren noch in aller Munde, ist der Rummel um Moocs schon abgeebbt.

© SZ vom 16.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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