MBA gestern und heute:Persönliches Wachstum

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Mit dem MBA-Studium kann man sich nicht nur beruflich weiterentwickeln. Inzwischen geht es auch um Ethik und soziale Kompetenz.

Von Christiane Bertelsmann

Mehr als 100 Jahre alt ist der MBA - und ursprünglich Amerikaner. Bereits im Jahr 1902 bot die Tuck School of Business am Dartmouth College in New Hampshire weiterbildende Studiengänge an, mit denen man sich zum Master of Commercial Science qualifizieren konnten. Andere US-Business-Schulen, darunter Harvard, zogen im Laufe der Jahrzehnte nach, ebenso Hochschulen im Vereinigten Königreich. Anlass für das Qualifizierungsangebot zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den USA war unter anderem "die Befürchtung, dass man die gesamtwirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit - besonders gegenüber Deutschland - verliert", heißt es in einer MBA-Publikation des Bundesministeriums für Bildung und Forschung aus dem Jahr 2001. Die "mangelnde akademische Ausbildung der Bevölkerung (...) insbesondere der Mangel an akademisch ausgebildeten Managern", habe die Universitäten dazu gebracht, eine entsprechende Ausbildung anzubieten, zitiert die Studie aus zeitgenössischen Aufsätzen.

Als einer der ersten Anbieter in Deutschland hatte die Gesellschaft zur Förderung der Weiterbildung (gfw) im Jahr 1989 an der Universität der Bundeswehr in München in Kooperation mit dem englischen Henley Management College, dem Vorläufer der heutigen Henley Business School, einen international akkreditierten MBA im Programm. Der erste rein deutsche MBA-Studiengang entstand 1990 an der Universität des Saarlandes. "Durchsetzen konnten sich die MBA-Angebote in Deutschland erst 1999 im Zuge der Bologna-Reform", sagt Annette Kamps, Redakteurin bei Staufenbiel.de. Inzwischen zählt man hierzulande laut Staufenbiel Institut mehr als 250 Programme von mehr als 100 Anbietern. Der Anteil berufsbegleitender Angebote betrage 80 Prozent. Der größte Markt innerhalb Europas ist Großbritannien mit mehr als 350 MBA-Programmen.

Eher "Lebensveränderer" als akademischer Grad

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(Foto: N/A)

Am Kernforschungszentrum Cern bei Genf zu arbeiten - für viele Physiker sicher ein Traumjob. Und doch kündigte Oliver Engels (Foto: privat) genau diese Stelle nach sechs Monaten. "Meine Frau erwartete unser erstes Kind, und auf Basis eines Postdoc-Vertrages eine Familie zu gründen, war mir doch zu sehr gepokert", sagt er heute. Bei einem großen Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen in Deutschland fand er dann im Financial-Risk-Management die Sicherheit, die er sich als Familienvater wünschte. Und spürte dennoch: "Als Naturwissenschaftler bleibt man in der Wirtschaft ein Exot." Durch ein MBA-Studium sollte sich das ändern. Sein Arbeitgeber konnte ihm die Zusatzqualifikation im Jahr 2006 dank eines Sponsorings durch ein Gründungsmitglied finanzieren. Seinen Brüdern und Eltern musste er erst mal erklären, was ein MBA ist. "Das war damals in Deutschland noch nicht so verbreitet", sagt Oliver Engels. Während seines Studiums an der ESMT European School of Management and Technology lebte er in Berlin. Ständig sehr eng mit anderen zusammenzuarbeiten, erschien ihm anfangs ungewohnt. "Es dauerte, bis sich jeder innerhalb der Gruppe positioniert hatte. Natürlich gab es Reibereien, aber das ist wohl normal", sagt er. Insgesamt war der MBA für ihn eher ein "Lebensveränderer" als ein akademischer Grad, meint Naturwissenschaftler Engels: "Vor allem, weil im Studium auch private Fragen durchdacht wurden. Dafür gab es Coaches, zudem einen meiner Professoren und einen externen Coach." Du wirst beruflich weiterkommen, aber nicht mit der Brechstange. Ob der nächste Schritt in einem oder drei Jahren kommt, ist irrelevant - vor dir liegen noch 30 Jahre Berufsleben. Überleg' mal, was deine Frau machen wird, wenn die Kinder aus dem Haus sind, sprich mit ihr darüber, denk' auch an ihre Karriere - über solche Sätze diskutierte Engels mit seinen Beratern. "Diese Überlegungen haben mir auch später dabei geholfen, ein Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben zu finden - mehr als mancher Kurs, den ich während des MBA Programms belegen musste", so Engels' Fazit. Oliver Engels, Managing Director Deutsche Börse; MBA 2006 (Vollzeit) an der ESMT

"Die MBA-Landschaft ist wesentlich komplexer geworden"

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(Foto: N/A)

Vom Berufsmusiker zum BWL-Professor an der Uni Passau: Sein MBA-Studium löste bei Andreas König (Foto: privat) die berufliche Wende aus. Der damals 27-Jährige hatte als Orchestermusiker und Konzertsolist bereits einen Namen in der Klassikwelt, als ihn im Jahr 2001 die bevorstehende Geburt seiner ersten Tochter ins Nachdenken brachte. "Ich komme aus einem Beamten-Haushalt. Da kam mir der Gedanke, ob ich nicht doch mehr Sicherheit will, wenn ich eine Familie gründen möchte", sagt König. "Und ich hatte Lust, etwas Neues zu versuchen." Für ihn war das ein MBA-Studium. Aus seiner Sicht sprachen drei Dinge dafür: Die Kürze des Studiums. Die Gewissheit, dass man mit einem MBA ziemlich sicher etwas anfangen kann. Und: Der Wunsch, sein Wissen zu erweitern. Andreas König legte seine Musikerkarriere auf Eis, bewarb sich erfolgreich an der HHL Leipzig Graduate School of Management und zog mit seiner Familie nach Leipzig: "Es war keine Entscheidung gegen die Musik - die spielt bis heute eine große Rolle in meinem Leben. Ich hätte mir während des Studiums sehr gut vorstellen können, beispielsweise im Kulturmanagement zu arbeiten." Das Studium selbst empfand König als intensiv und anstrengend, nichts, was man eben mal nebenbei schafft. "Mathematische Kenntnisse hatte ich zum Beispiel kaum mehr, ich musste mich schon ziemlich reindenken", sagt er. Nach dem MBA war für ihn klar, dass sein weiterer Weg in Richtung BWL und Wissenschaft führen sollte. Seine Mitstudierenden hatten sich von der Zusatzqualifikation eher eine Hilfestellung für weitere Schritte auf der Karriereleiter erhofft. Diese Einstellung habe sich mittlerweile geändert, meint König: "Inzwischen dient das MBA Studium auch dazu, Antworten auf Fragen der Ethik zu finden. Und für sich selbst herauszufinden, wo die beruflichen Schwerpunkte in Zukunft liegen sollen." Er habe häufig seinen etwas ungewöhnlicheren Lebenslauf begründen müssen, so etwas passiere heute nicht mehr. "Die MBA-Landschaft ist wesentlich komplexer geworden, die Zahl der Angebote immens gestiegen, das kurbelt natürlich den Wettbewerb der Business Schulen untereinander an", sagt der BWL-Professor. Galt der MBA zu seinen Studienzeiten in Deutschland noch als exotisch, sei er heute wesentlich etablierter und professionalisierter, nicht zuletzt etwa durch E-Learning-Module. Was sich allerdings nicht geändert hat: "Wer einen MBA macht, weiß ganz genau, was er will - anders als bei einem Bachelor- oder Masterstudium", sagt König. Selbst bei seinen Studenten stelle er häufig fest: Die sind noch auf der Suche. Andreas König, Professor für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Technologie, Innovation und Entrepreneurship an der Universität Passau; MBA 2003 (Vollzeit) an der HHL Leipzig Graduate School of Management

Internationale Luft schnuppern, neue Branchen kennenlernen

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"Inspirierend war es. Und eine unglaublich intensive Lernerfahrung", schwärmt Regina Raschke (Foto: privat) heute über ihre MBA-Zeit. Nach einem dualen BWL-Studium blieb sie erst bei der Robert Bosch GmbH. "Ich hatte eine tolle Stelle, aber ich merkte, dass ich unbedingt internationale Luft schnuppern und andere Branchen kennenlernen möchte", sagt sie. Die Konsequenz: "Mit 25 kündigte ich und tauchte ganz tief ein in die MBA-Experience." Das konnte sie beim MBA-Programm an der Mannheim Business School. Zwei Module verbrachte sie im Ausland, im englischen Warwick und an der ESSEC Business School in Paris. Und dabei erlebte sie genau das, was sie sich schon immer gewünscht hatte: im internationalen Kontext zu arbeiten, mit Menschen aus aller Welt, mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen. Trotzdem war der Start in Warwick für sie nicht nur einfach: "Während des gesamten Studienabschnitts arbeiteten wir im Team. Ich war die einzige Frau in einem Team mit zwei Chinesen, einem Japaner, einem Südafrikaner und einem Briten. Wir alle mussten lernen, uns auf unterschiedlichste Persönlichkeiten, Arbeitsweisen und Kulturen einzustellen." Vor ein paar Jahren hat sich die Heidelbergerin neben ihrer Professur an der Hochschule Ludwigshafen am Rhein als Coach selbständig gemacht. Dabei berät sie Organisationen und Teams bei Innovations- und Veränderungsprozessen. Die MBA-Szene habe sich seit ihrer Zeit ziemlich gewandelt: Wo früher die akademische Qualität der Programme im Vordergrund stand, und eher ein Brockhaus-Denken vermittelt worden sei, lege man heute Wert auf komplexe, vernetzte Ansätze. "Der Fokus richtet sich immer stärker auf soziale Kompetenzen", sagt Regina Raschke. Die Programme seien noch individueller, noch flexibler, die Auswahl wesentlich größer. An der Weiterentwicklung der Programme der Mannheim Business School hat sie übrigens selbst mitgearbeitet. Bis heute bietet sie dort regelmäßig Seminare und Workshops an, etwa zum Thema Design Thinking. "In meinen Augen ist der MBA weit mehr als nur ein Baustein im Berufsleben", sagt die 37-Jährige. Sie sehe in ihm einen "Motor für die Persönlichkeitsentwicklung". Regina Raschke, selbständiger Coach und Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Ludwigshafen am Rhein; MBA 2005 (Vollzeit) an der Mannheim Business School

Auch beim Executive MBA, der Weiterbildung für Akademiker mit mehrjähriger Führungserfahrung, zeichnen sich Veränderungen ab. Laut einer Umfrage des Executive MBA Council aus dem Jahr 2015 unter 200 Colleges und Universitäten liegt der Anteil von Frauen weltweit mit 27,6 Prozent im Vergleich zu den fünf Vorjahren so hoch wie noch nie. Ein EMBA-Student ist circa 37,8 Jahre alt, so die Studie. 41 Prozent aller EMBA-Studierenden finanzieren ihr Studium aus eigener Tasche.

© SZ vom 04.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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