Kultur-Management:Das Know-how hinter den Kulissen

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Auch einige Künstler absolvieren ein MBA-Studium: Wer zum Beispiel Festivals oder Ausstellungen organisiert, braucht ökonomisches Wissen.

Von Benjamin Haerdle

Für Freunde des Barock-Komponisten Georg Friedrich Händel ist der Besuch fast ein Muss: Jährlich kommen Zehntausende Musikliebhaber im Mai nach Göttingen, wenn dort die Internationalen Händel-Festspiele stattfinden. Ein aufwendig zu organisierendes Ereignis, das beides erfordert: musikalische Expertise und Kenntnisse des Finanz- und Projektmanagements. Tobias Wolff erfüllt beide Voraussetzungen. Der geschäftsführende Intendant der Festspiele weiß mit Finanzen umzugehen, ist vertraut mit Marketing, kann Konzerte organisieren und bringt sein musikalisches Wissen ein, wenn er über die Besetzung der Regisseure mitentscheidet. Bei einer früheren Tätigkeit als Marketingleiter am Theater Altenburg/Gera fand Wolff, der Musikwissenschaft am Trinity College in Cambridge in England sowie Bratsche in Essen und Düsseldorf studierte, Gefallen daran, im wirtschaftlichen Umfeld von Musikveranstaltungen zu arbeiten. "Ich merkte aber schnell, dass ich bei Fragen des Budgets, der Haushaltsplanung oder der Kommunikation mit Sponsoren an Grenzen stieß", erzählt Wolff. Fertigkeiten, die er nachholte, indem er im Jahr 2010 an der Leipzig Graduate School of Management (HHL) einen Vollzeit-MBA machte.

Die Betreuer proben mit den Studenten heikle Gespräche mit Vorgesetzten oder Mitarbeitern

Dass sich Musiker, Künstler oder andere Kreative für einen MBA an Deutschlands Business Schools entscheiden, ist eher eine Ausnahme. "Wir haben den Eindruck, dass bei diesem Personenkreis der Hauptfokus klar auf der künstlerischen Laufbahn liegt", sagt Bernhard Schwetzler, Akademischer Direktor der MBA-Programme an der HHL. Einige wollten indes ihre künstlerischen Erfahrungen mit Managementkompetenzen ergänzen, um sich breiter aufzustellen.

Das trifft auch auf Martin Rehm zu. Der selbständige Fotograf und Leiter eines Fototeams in einem Verlag mit Budget- und Personalverantwortung steckt in den letzten Zügen seiner Abschlussarbeit, die er im MBA-Studiengang Kreatives Management an der Hochschule Ansbach im März abgeben muss. "Ich will mich beruflich weiterentwickeln", sagt Rehm, der an der Technischen Hochschule Nürnberg Design studierte. Führungskompetenz, Nachhaltigkeit oder Mitarbeiterführung seien ihm wichtig. Dies werde an der Hochschule Ansbach sehr kreativ vermittelt. Seit 2010 bietet die Hochschule den berufsbegleitenden MBA Kreatives Management an. "Wir wollen unsere Teilnehmer fördern, indem wir über das klassische Wirtschaftsmanagement hinaus insbesondere Intuition schulen", sagt Studiengangleiter Jochem Müller. MBA-Teilnehmern werde etwa gelehrt, mit Nichtwissen umzugehen und dieses als kreative Ressource zu verstehen. "Studierende können lernen, der Unsicherheit des wirtschaftlichen Handelns mit kreativer Energie zu begegnen", sagt Müller.

Doch der Alltag des MBA-Studiums ist für Künstler und Kreative nicht immer leicht zu bewältigen. Die Lücken etwa in der Buchhaltung oder der Ökonomie sind beim Start groß. "Der Studienbeginn war eine Herausforderung, denn die meisten anderen Teilnehmer hatten Wirtschaftskenntnisse und waren mir voraus", sagt Wolff. Nach drei Monaten habe er dies aber ausgleichen können. Der Musiker konnte dafür in den Projektteams seine Stärken ausspielen. "Es gab immer wieder Situationen, in denen wir ausprobieren sollten, ob es abseits ausgetretener Pfade noch andere Möglichkeiten gibt, zu Lösungen zu kommen", sagt Wolff. Ungewöhnliche Konzepte zu suchen, habe ihm sehr gelegen.

Parallel zur eigenen Solo-Karriere als Pianistin hatte sich auch Olga Gollej entschieden, einen MBA an der HHL zu machen. "Der Musikerberuf hat sich geändert", sagt sie. Es reiche nicht mehr aus, nur ein Instrument zu spielen. Man sollte auch wissen, wie der Betrieb hinter der Bühne funktioniert. Seit 2011 organisiert die preisgekrönte Musikerin die Anhaltischen Kammermusiktage in Dessau-Wörlitz. "Mir war es wichtig, nicht nur selbst Musik zu produzieren, sondern auch gemeinsam mit anderen als Kulturorganisator aufzutreten", sagt sie. Doch irgendwann habe sie gemerkt, dass Learning by doing nicht mehr reiche. Sie wollte das Festival professioneller führen. Den MBA in Leipzig machte sie schließlich im Jahr 2013. Mittlerweile führt Gollej auch die Geschäfte der internationalen Gluck-Opern-Festspiele in Nürnberg. Ein Job, bei dem sie viel Wissen aus dem MBA-Studium einsetzen kann - öffentliche Fördergelder abrechnen, ein Büro von bis zu zehn Mitarbeitern leiten, für 600 auftretende Musiker verantwortlich sein. "Da schadet es nicht zu wissen, wie Mitarbeiterführung funktioniert", sagt Gollej. Und auch die eigene Karriere profitiert von den MBA-Kenntnissen. "Ich lese meine Verträge sehr viel genauer und kann besser verhandeln, wenn ich mit manchen Punkten nicht einverstanden bin", sagt sie.

Dass der Blick in die berufliche Zukunft auch angesichts der Sparmaßnahmen in der Kultur nicht schadet, hat sich in Künstlerkreisen herumgesprochen. "Ein zweites Standbein ist sinnvoll", bestätigt Pianistin Gollej. Zum einen wisse man nicht, ob man künftig als Künstler noch gefragt sei; zum anderen sei es ungewiss, wie es um die eigene Gesundheit bestellt sei. Dass sich die Entscheidung für das Studium lohnen kann, meint auch Festspiel-Intendant Wolff: "Meinen Job als Geschäftsführer habe ich nur bekommen, weil ich die kaufmännischen Kenntnisse aus dem MBA vorweisen konnte."

© SZ vom 16.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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