Kolumne "Was ich am Job hasse":Dieses Lob ist pures Gift

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Dieser Kollege erdreistet sich nicht mehr so schnell, mir ein Kompliment zu machen. Der unverschämte Kerl. (Foto: Illustration: Jessy Asmus/SZ.de)

"Toller Vortrag, hätte ich gar nicht erwartet ..." Wenn Kollegen Komplimente machen, freut man sich besser nicht zu früh.

Kolumne von Katja Schnitzler

"Gut siehst du aus heute! Irgendwie ganz anders als sonst." Darüber freue ich mich, drei Sekunden lang. Dann ist Teil zwei des vergifteten Kompliments durch die Übersetzungsmaschine des Unterbewusstseins gelaufen, das nun aufgeregt ans Bewusstsein funkt: "He, der sagt, sonst siehst du furchtbar aus!"

Zwar meint nicht jeder ein zweischneidiges Kompliment so böse, wie es klingt. Erstaunlich viele Menschen machen sich erstaunlich wenig Gedanken, bevor sie ihre Worte wählen. Aber es gibt einige, die meinen es genau so: Die fiese Botschaft liegt im Subtext, sie soll wie Gift langsam einsickern und schmerzhaft wirken.

Ein falsches Lob gezielt eingesetzt, am besten vor Publikum, kann einem innerbetrieblichen Konkurrenten mehr schaden als die offene Konfrontation, bei der auch der Kritiker am Ende als Verlierer dastehen könnte. Wenn aber Kollege B. schwärmt, "dein Vortrag war spannend, vielleicht ein bisschen lang", denken der Gehuldigte und der Rest vom Team samt Chef: Was denn nun? Wäre der Vortrag wirklich mitreißend gewesen, wäre eine kleine Überlänge schließlich niemandem aufgefallen.

Das Dumme an vergifteten Komplimenten: Man kann sich so schwer dagegen wehren. "War doch nur nett gemeint", grummelt der üble Schmeichler, wenn er auf seine Aussage hingewiesen wird. Mit einem Unterton, der besagt: empfindliche Zicke!

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Typologie der Lob-Giftmischer

Unter den Lob-Giftmischern gibt es unterschiedliche Typen: Der Neider ist zur Stelle, wenn echte Komplimente verteilt werden, aber eben nicht an ihn. Mit wohlplatzierten Spitzen lässt er das Lob platzen: "Ja, ein tolles Ergebnis - hätte ich gar nicht mehr daran geglaubt, so lange wie es gedauert hat."

Lob mit Beigeschmack servieren auch die Arbeits-Abwälzer: "Du bist ein Organisations-Wunder - und du machst das einfach nebenbei. Bewundernswert! Wenn du die Planung übernimmst, erledige ich den Rest. Für dich ist das doch ein Klacks!" Wer sich einlullen lässt, plant natürlich nicht nur nebenbei. Die Früchte der Arbeit erntet der Abwälzer - genau wie das echte Lob des Chefs.

Leichter zu durchschauen, aber nicht weniger nervtötend ist der Sandwich-Taktierer: Er verpackt seine Kritik hamburgerbrötchen-weich in ein Lob vorne und hinten - und entwertet damit nicht nur das Kompliment, sondern auch den Gesprächspartner, den er auf Kleinkind-Niveau zurückschubst. "Toll, dass du so kreativ arbeitest. Aber es wäre schon schön, wenn die Präsentation eine einheitliche Formatierung hätte. Und Grafiken. Aber du bist ja so flexibel - das bekommst du sicher ganz schnell hin." Sag doch gleich, dass es aussieht wie vom Grundschüler zusammengeklopft. Ohne elterliche Hilfe.

Der Profi-Kritiker hingegen verziert sein Genörgel mit so schönen Schleifen, dass den Gelobten erst viel später das ungute Gefühl beschleicht: Verflixt, da stimmt was nicht! "Ich finde es so erfrischend, wenn jemand mal nicht so auf Äußerlichkeiten fixiert ist." Hm. Danke?

Manchmal macht auch der Tonfall die Musik:

"Ach, meine Lieblingskollegin!", heißt übersetz t "Schön dich zu sehen, genau jetzt brauche ich eine kurze Pause!"

"Ach. Meine Lieblingskollegin.", bedeutet "Hau bloß ab."

Warten auf das große Aber

Das wahrhaft Gemeine an den giftigen Charmeuren ist, dass sie uns zu äußerst misstrauischen Büro-Zeitgenossen machen: Bei jedem Lob warten wir auf das große Aber. Statt uns zu freuen suchen wir den Haken.

"Ich habe deinen Artikel gestern gern gelesen." "Aha." "War echt gut." "Aber? Haben Aspekte gefehlt? War die Argumentation nicht stimmig? Hast du Rechtschreibfehler gefunden? Jetzt spuck es schon aus!"

Dieser Kollege erdreistet sich nicht mehr so schnell, mir ein Kompliment zu machen. Der unverschämte Kerl.

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