Kolumne Lebenskunst:Lernen Sie, Nein zu sagen

Lesezeit: 4 min

Der kluge Umgang mit unsinnigen Bitten und überzogenen Forderungen.

Stefan F. Gross

Erhöhen Sie Ihre Entschlossenheit, Nein zu sagen. Kaum eine Fähigkeit ist so wichtig für Ihre Freiheit und Lebensqualität.

Ob im Beruf oder im Privaten: Jeder hat das Recht, auch mal Nein zu sagen. (Foto: Foto: photodisc/sueddeutsche.de)

Wer immer Ja sagt, ist schnell verloren.

Um Missverständnissen vorzubeugen. Die Empfehlung "lernen Sie Nein zu sagen" heißt nicht, ab heute jeden Partner in Richtung Mond zu schießen, dessen Anliegen Ihnen ungelegen kommt. Ein solches Verhalten wäre nicht nur blanker Egoismus, sondern auch der selbst erstellte Freifahrtschein zum beruflichen Ruin und in die private Isolieranstalt.

Es geht um etwas anderes. Wir haben im Leben genug damit zu tun, mit den Aufgaben fertig zu werden, die wirklich wichtig und damit unausweichlich sind. Gleichzeitig aber werden wir ständig mit überzogenen oder unsinnigen Bitten und Forderungen konfrontiert, deren Erfüllung uns zeitlich, kräftemäßig und emotional massiv überfordern würde.

Wenn Sie in diesen Fällen nicht Nein sagen können, dann sind Sie bald verloren. Sie werden zum Spielball Dritter. Sie verleugnen sich selbst. Sie machen Hetze und Hektik zu Dauergästen. Sie verlieren die Freude an Ihrer Tätigkeit und gefährden Ihre langfristige Erfolgsfähigkeit. Eine falsche berufliche oder private Zusage kann ausreichen, um Ihnen für Wochen Ihre Nerven und Energie zu rauben.

Die folgenden Gedanken sollen es Ihnen deshalb erleichtern, gezielt abzulehnen, was Ihnen bei genauer Betrachtung nur schaden würde.

Trauen Sie sich!

Besonders im Berufsleben unterbleibt ein erforderliches Nein oft deshalb, weil man die möglichen Folgen fürchtet - den Zorn eines Kunden, die Kritik eines Kollegen oder das Urteil eines Vorgesetzten. Drei Gründe sprechen dafür, mehr Mut an den Tag zu legen.

Erstens: In fast allen Fällen erweisen sich die Sorgen als überzogen. Die meisten Menschen sind beruflich ähnlich eingespannt wie Sie und wissen, dass man nicht alle Wünsche zu 100 Prozent erfüllen kann. Um so größer ist ihre Bereitschaft, gemeinsam mit Ihnen nach einem Kompromiss oder einer Ausweichlösung zu suchen.

Zweitens: Nichts wird so heiß gegessen wie es gekocht wird. Eine Forderung mag unumstößlich klingen, bei einer Nachfrage zeigt sich fast immer, dass ein Plan B genauso gut funktioniert.

Und drittens: Das Umgehen einer unangenehmen Diskussion in der Gegenwart bringt Ihnen wenig, wenn Sie sich damit einen unerträglichen Streit in der Zukunft einhandeln. Wenn Sie zum Beispiel einem Erledigungstermin zustimmen, von dem Sie wissen, dass Sie ihn nie werden halten können, dann vergrößern Sie Ihre Probleme nur. Der Streit am Ende wird den Beifall vom Anfang weit übertönen.

Kein Schwadronieren.

Eine kluge Erklärung ist der halbe Sieg. Machen Sie aus der Begründung Ihres "Nein" deshalb keine epische Schilderung. Entschuldigen Sie sich nicht endlos, als würden Sie dem anderen einen Schaden zufügen, unter dem noch seine Enkelkinder leiden werden. Alles das ist für Ihren Partner schwer erträglich und bläst die Angelegenheit nur auf. Kommen Sie vielmehr zügig zum Punkt. Sagen Sie ruhig, sachlich und präzise, warum Sie der betreffenden Forderung nicht nachkommen können.

Verbindliche Worte.

Der Ton macht die Musik. Ein Lächeln entschärft fast alles. Donnern Sie Ihre Ablehnung deshalb nicht heraus wie einen Kanonenschlag. Verzichten Sie auf barsche Texte und verkniffene Gesichtszüge. Härte ersetzt keine Argumente und schafft nur Widerstand. Antworten Sie bei aller Bestimmtheit vielmehr so höflich und liebenswürdig wie möglich. Je deutlicher Ihr Partner erkennt, dass Sie ihn und sein Anliegen ernst nehmen, desto mehr Verständnis wird er für Sie haben.

Liefern Sie Ersatzlösungen.

Sagen Sie nicht nur, was Sie nicht wollen, sondern auch, welche Alternativen Sie bieten. Machen Sie Ihrem Partner einen Gegenvorschlag, der seine und Ihre Interessen fair berücksichtigt. Wenn möglich, liefern Sie ihm zwei Vorschläge. So hat er nicht die Wahl zwischen "Annehmen oder Ablehnen", sondern zwischen "Lösung A und Lösung B".

Entwickeln Sie eine Standard-Vorgehensweise.

Die Erfahrung zeigt, dass bestimmte Forderungen immer wieder kommen. Fangen Sie nicht jedesmal von vorne damit an, für diese Fälle nach Lösungen zu suchen. Nehmen Sie sich vielmehr Zeit und Ruhe, um grundsätzlich darüber nachzudenken, welche Vorgehensweise am besten geeignet ist. Sammeln Sie Ihre Argumente und Beweismittel. Arbeiten Sie Bestformulierungen aus. Überlegen Sie, welches Verhalten Ihnen in der Vergangenheit geholfen hat.

Handeln Sie präventiv.

Nutzen Sie Ihre Erfahrung. Überlegen Sie im Vorfeld eines Projektes, welche Forderungen Sie gar nicht erst entstehen lassen möchten. Sprechen Sie diese Punkte von sich aus an, noch ehe Ihr Partner es tut. Schildern Sie, welche Lösungsmöglichkeiten Sie sehen und was aus Ihrer Sicht nicht in Frage kommt. Wenn Sie so vorgehen, dann behalten Sie die Handlungshoheit und kommen gar nicht erst in die Verlegenheit, falsche Erwartungen mühevoll kontern zu müssen.

Mehr Bedenkzeit.

Viele Forderungen kommen als Überraschungsangriff. Gerade hier besteht die Gefahr, sich durch eine überstürzte Zusage die nächsten Tage und Wochen zu ruinieren. Verschaffen Sie sich deshalb stets ausreichende Bedenkzeit. Liefern Sie nicht ohne zwingenden Grund eine sofortige Antwort. Mit ein wenig Abstand können Sie die Angelegenheit angemessen beurteilen. Sie können überlegen, welche Risiken existieren und welche Reaktion die beste ist.

Kein nachträgliches Einknicken.

Bleiben Sie gerade gegenüber penetranten Bittstellern hart. Beginnen Sie das Gespräch nicht mit einem entschlossenen "Nein", um es mit einem weichlichen "Vielleicht doch" zu beenden. Denken Sie daran: Wer Ihnen verspricht, nur Ihren kleinen Finger zu umfassen, der zerrt schließlich an Ihrer ganzen Hand.

Handeln Sie besonders im Privatleben mit Bedacht!

Sagen Sie auch im Privatleben nicht ständig Ja, wenn Ihnen in Wahrheit nach einem Nein zumute ist. Stellen Sie sich vor, Sie kommen Freitag Abend erschöpft nach Hause und freuen sich auf ein ruhiges Wochenende. Kaum haben Sie die Tür geöffnet, schlägt Ihr Lebenspartner Ihnen vor, gleich morgen früh zu einer Mountain-Bike Tour in die Berge aufzubrechen.

Natürlich würden Sie Ihren Partner mit einer Zusage erfreuen. Wenn Sie aber innerlich wissen, dass Sie den gesamten Ausflug nur gereizt und streitlustig neben ihr oder ihm her strampeln werden, dann hören Sie auf Ihr Gefühl. Sobald Sie wieder mehr Energie haben, wird auch Ihr Spaß an Unternehmungen wieder steigen.

Denken Sie mehr an sich selbst und Ihre eigenen Bedürfnisse.

Gerade Menschen mit ausgeprägtem Leistungswillen und großer Hilfsbereitschaft neigen dazu, den Bitten anderer ohne Zögern nachzugeben. Eine Ablehnung kommt für sie schon deshalb nicht in Frage, weil sie unausweichlich mit einem schlechten Gewissen verbunden wäre.

Sollten Sie zu dieser Personengruppe zählen, dann denken Sie bitte künftig stärker an sich selbst und an das, was Sie wirklich möchten. Es ist Ihr Leben und Sie haben ein Recht darauf, auch einmal Nein zu sagen und Ihre eigenen Interessen wahrzunehmen!

Stefan F. Gross ist Managementdozent und Autor der Bücher "Beziehungsintelligenz" und "Persönliche Dienstleistungskultur". Sein neuestes Werk "Life Excellence" handelt von der "Kunst, ein souveränes, erfülltes und erfolgreiches Leben zu führen".

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