Kerntechnik-Studium:"Das Thema ist nicht vom Tisch"

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Deutschland vollzieht den Atomausstieg - braucht es da überhaupt noch Kerntechniker? Ja, sagt Professor Hans-Josef Allelein. Welche Arbeitsfelder sich Absolventen bieten - und warum die Studienanfängerzahlen nach Fukushima sogar gestiegen sind.

Von Maike Brzoska

Dass die Nutzung der Kernenergie ein Thema ist, das polarisiert, macht sich auch an den Lehrstühlen bemerkbar. Einerseits hängen Investitionen in Forschung und Lehre auch von der politischen Stimmungslage ab. Andererseits beeinflussen Katastrophen wie vor zwei Jahren in Fukushima die Zahl der Einschreibungen von Studenten. Und trotz des Atomausstiegs in Deutschland lernen die Studierenden bei Hans-Josef Allelein, Professor für Reaktorsicherheit und -technik an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen, weiterhin, wie man Atomkraftwerke baut und unterhält.

SZ: Bis 2022 sollen alle Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet werden. Warum sollten sich Studierende heute noch mit Kerntechnik und Reaktorsicherheit befassen?

Hans-Josef Allelein: Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens müssen wir in den nächsten zehn Jahren den sicheren Betrieb der Reaktoren in Deutschland gewährleisten und anschließend die Reaktoren zurückbauen. Aber auch danach ist das Thema nicht vom Tisch. Denken Sie an die Endlagerproblematik.

Sie meinen, dass wir noch nicht wissen, wo und wie wir unseren radioaktiven Abfall lagern?

Genau. Zweitens brauchen wir auch in Zukunft Experten, die Technik und Sicherheitsaspekte einschätzen können, um die Interessen Deutschlands in internationalen Gremien und auf EU-Ebene zu vertreten. Und drittens werden in vielen Ländern neue Kernkraftwerke gebaut oder alte ersetzt. Da gibt es weiterhin Bedarf an gut ausgebildeten Ingenieuren.

Aber es gibt immer mehr Länder, die auf Kerntechnik verzichten wollen.

Einige asiatische Länder, etwa China, und auch europäische Länder wie Frankreich, Tschechien oder Finnland setzen weiter auf Kernkraft. Weltweit gibt es - je nach Zählweise - 430 bis 440 Atomkraftwerke. Das ist ein relativ stabiler Wert, daran wird sich meiner Meinung nach in den nächsten Jahren nicht viel ändern. Die attraktiven Jobs wird es mittelfristig aber im Ausland geben, darauf weise ich meine Studierenden gleich zu Beginn hin. In Deutschland gehen Forschungsgelder von Staat und auch von Unternehmen wie Eon oder RWE zunehmend in den Bereich regenerative Energien.

Die Energiewende in Deutschland wurde nach Fukushima beschleunigt. Wie haben Ihre Studenten darauf reagiert?

Wir waren sehr bestürzt. Die Nachricht hat uns erreicht, als wir gerade auf einem Doktorandenseminar in Holland waren. Wir haben es abgebrochen und sind zurück nach Deutschland gefahren. Was mich überrascht hat, war, dass die Studierendenzahl in den folgenden Semestern gestiegen ist.

Wie erklären Sie sich das?

Ich denke, es gibt immer einen gewissen Prozentsatz, der nicht dem Mainstream folgt. Die eine Gruppe hält die Abkehr von der Kernenergie für richtig, das ist in Deutschland nach Fukushima die überwiegende Mehrheit. Die andere Gruppe interessiert sich hingegen für mehr Sicherheit bei der Kernenergie. Das erklärt vielleicht das gestiegene Interesse und die Entscheidung für unseren Studiengang.

Eine Entscheidung, die viele vermutlich nicht nachvollziehen können.

Auch darüber reden wir mit unseren neuen Studierenden. Seit Tschernobyl ist man als Befürworter der Kernenergie eigentlich immer in der Defensivhaltung. Für Wissenschaftler gilt das erst recht. Meine Meinung ist: Falls sich ein Land für die Kernenergie entscheidet, muss die Technologie so sicher wie möglich sein. Dafür bilden wir letztlich unsere Studierenden aus.

© SZ vom 29.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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