Jobsuche:Wink mit der Wunschliste

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In Stellenanzeigen gibt es keinen Geheimcode. Aber man sollte sie unbedingt gründlich lesen.

Von Christine Demmer

Was unters Volk gebracht werden soll, gehört in die Zeitung: Nachrichten, Meinungen, Gebrauchtwagen, freie Wohnungen, freie Herzen und freie Arbeitsplätze. Besonders große Hoffnungen richten sich Woche für Woche auf die Stellenmärkte von Zeitungen und Zeitschriften. Allerdings: "Die suchenden Unternehmen sind wählerischer geworden", sagt Harald Stapf, Berater bei der SCS Personalberatung in Frankfurt. "Das Überangebot an qualifizierten Arbeitskräften führt zu einem rigorosen Ausleseprozess, bei dem sich die Firmen die Rosinen aus dem Kuchen herauspicken."

Doch woher weiß der Stellensuchende, was das inserierende Unternehmen unter einer Rosine versteht? "Steht alles in der Anzeige", sagt Stapf. "Wenn man sie gründlich liest, erfährt man in und zwischen den Zeilen ziemlich viel über seine Chancen, den Job zu bekommen."

Schon die Überschrift ist eine Art gedruckte Fanfare. Wie ein Trompetensignal die müden Truppen aufhorchen lässt, soll der Blick des Lesers just auf dieses eine Wort oder diese eine Textzeile gelenkt werden. Sie soll sein Interesse wecken, die Annonce vollständig zu lesen und sich, wenn's passt, zu bewerben.

Andersherum sagt die "Headline" auch etwas über den Arbeitgeber aus. Zum Beispiel, ob die Bewerbung von Frauen tatsächlich die gleichen Chancen haben oder welches Image sich das Unternehmen im Markt geben will. Stellenanzeigen müssen geschlechtsneutral formuliert werden. Fett hervorgehoben sind daher entweder der Beruf in der Schrägstrichvariante - Controller/in, Junior Analyst w/m - oder das Aufgabenfeld wie etwa Konzernrevision, Sales Support, Montage Stahlrohre. Angelsächsische Bezeichnungen wie "Business Planner", "Content Manager" oder "Application Engineer" signalisieren überdies, dass es sich um ein modernes, international tätiges Unternehmen handelt. Gutes Englisch ist hier meist Pflicht.

Das Wichtigste im Anzeigentext sind die Anforderungen an den Bewerber. Dabei geht es sowohl um bestimmte berufliche Qualifikationen, also um nachzuweisende Fachkenntnisse, als auch um persönliche Eigenschaften des Bewerbers. "Diese Anforderungsprofile sind oft so unrealistisch hoch, dass sie sich an Superman und Superwoman zu richten scheinen", sagt Frank Meyer, Personalberater in Wiesbaden, "deshalb werden diese Wunschlisten von den Bewerbern oft gar nicht mehr Ernst genommen".

Die Folge: Selbst wer nur zwei von zwanzig Kriterien erfüllt, glaubt felsenfest, er läge noch gut im Rennen und bewirbt sich. Viel besser sei es, so der Berater, die Schlüsselworte im Anzeigentext herauszufiltern und genau diese im Bewerbungsschreiben zu wiederholen. "Wer wirklich auf eine Stellenanzeige passt, weiß genau, was die Unternehmen erwarten. Und das drückt er dann auch im Anschreiben aus."

Die Altersfrage

Formulierungen wie "Vorausgesetzt werden..." oder "Wir erwarten..." machen deutlich, dass Bewerbungen, die diese Anforderungen nicht erfüllen, sofort aussortiert werden. Anders ist es bei vagen Soll-Kriterien ("Wünschenswert wäre ...") wie beispielsweise der Länge der Berufserfahrung. Wenn es heißt "zwei bis drei Jahre", können sich Anfänger das Porto sparen. Mit einem Jahr Praxis ist die Bewerbung einen Versuch wert. Als erfahrene Fachkraft mit zehn Jahren Erfahrung kann man sich zwar bewerben und wird, mit Glück, auch genommen. Aber dann wird vermutlich das angebotene Gehalt zu gering sein.

Das gewünschte Alter wird meist umschrieben mit Formulierungen wie "Berufseinsteiger/Berufsanfänger" (das heißt: Hochschulabsolventen sollten nicht älter als 28 Jahre sein), "mit einigen Jahren Berufserfahrung" (bis Ende 20) oder "jugendliche Bewerber" (bis Anfang 20). Das Wort "Senior" bedeutet übrigens nicht, dass hier vorzugsweise Menschen über 45 Jahre gesucht werden. Es bezieht sich, ebenso wie "Junior", auf die Dauer der Berufserfahrung.

Sogar die Gestaltung der Anzeige gibt Hinweise auf den zukünftigen Job. Insbesondere Banken, Versicherungen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften legen großen Wert auf einen ernsthaften und vertrauenerweckenden Auftritt. Dieser Eindruck soll auch durch die Stellenanzeige vermittelt werden. Wenn also eine alteingesessene Privatbank einen Abteilungsleiter für den Geschäftsbereich vermögender Privatkunden sucht, wird sie das Inserat nicht mit der hemdsärmeligen Headline überschreiben "Zupackender Macher für spannenden Job gesucht", sondern schlicht titeln: "Abteilungsleiter/in Privatkunden". Damit ist aber absolut nichts gegen den Wunsch nach einem zupackenden Macher gesagt - nur passt der vielleicht besser zu einem unkonventionellen Internet-Start-up oder einem unmöglichen Möbelhaus.

Was die Interpretation von Stellenanzeigen allerdings schwierig macht, ist die Möglichkeit, dass sich der Personalchef womöglich nicht die Mühe gemacht hat, einen passgenauen Text zu entwerfen, sondern der Einfachheit halber oder aus schlichter Gedankenlosigkeit eine UraltAnzeige als Textvorlage nimmt. Und das kommt, so meinen Fachleute, leider ziemlich häufig vor.

© SZ vom 29.1.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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