Job:Wie viel Fachkompetenz braucht eine Führungskraft?

Florian A. muss einen neuen Abteilungsleiter ernennen, der ein unzufriedenes Team führen muss. Was er dabei beachten sollte.

SZ-Leser Florian A. fragt:

Ich bin Produktionsleiter und habe folgendes Problem: Im Rahmen eines Change-Management-Prozesses wurden die Aufgaben unserer Produktionsabteilungen neu zugeschnitten. Das Kerngeschäft wurde ausgebaut, weniger lukrative Nischenprodukte wurden eingestellt. Das Team, das die qualitativ hochwertigeren Nischenprodukte hergestellt hat, hielt sich immer für etwas Besseres. Jetzt müssen die Mitarbeiter an das von ihnen nicht sehr geschätzte Kerngeschäft herangeführt und eingearbeitet werden. Im Team brodelt es. Gleichzeitig hat der im Kerngeschäft fachlich versierte Abteilungsleiter die Firma verlassen. Ich würde nun gerne eine im Kerngeschäft unerfahrene, ansonsten aber gestandene Führungskraft zum neuen Abteilungsleiter ernennen. Ihr traue ich zu, wieder Ruhe ins Team zu bringen. Doch ich bin mir nicht sicher, ob Führung ohne fachliches Spezialwissen in einem technikaffinen Team gelingen kann.

Georg Kaiser antwortet:

Lieber Herr A., wie viel Fachkompetenz eine Führungskraft braucht, hängt ab vom Reifegrad der Mitarbeiter und den Aufgabenfeldern, die bearbeitet werden. Je spezialisierter und eigenständiger das Team arbeitet, desto weniger detailliertes Fachwissen muss die Führungskraft mitbringen. Was Ihr neuer Abteilungsleiter neben einem hohen Maß an Sozialkompetenz aber unbedingt braucht, sind strategischer Überblick und Umsetzungsstärke. Er steht vor einer Krisenmanagement-Aufgabe: Die gleiche Anzahl fachlich kompetenter Mitarbeiter muss mehr Aufgaben bewältigen und gleichzeitig Mitarbeiter einarbeiten, die ihre neuen Aufgaben als fachlich wenig herausfordernd einschätzen könnten. Das alles vor dem Hintergrund unbewältigter Spannungen.

Der SZ-Jobcoach

Georg Kaiser unterstützt Führungskräfte bei Konflikten im Arbeitsalltag und der Entwicklung ihres Personals. Er arbeitet als Wirtschaftsmediator, Managementtrainer, Coach, Supervisor und Gestalttherapeut in Bremen.

Die Spannungen im Team müssen bis zu einem Punkt bearbeitet werden, der ein bereitwilliges Voneinander-Lernen zulässt. Maßnahmen zur Teamentwicklung sollten so konzipiert werden, dass sie Konflikte klären und zusätzlich einen Entscheidungsprozess der Mitarbeiter fördern, die vormals die Nischenprodukte hergestellt haben: Wer bleibt an Bord und wer schaut sich nach einem neuen Arbeitgeber um, der ihm ein Aufgabenfeld bietet, das seiner bisherigen Arbeit ähnelt? Wenn derartige, von externen Spezialisten geleitete Workshops mit intensiven Einzelgesprächen begleitet werden, die der neue Abteilungsleiter mit seinen Mitarbeitern führt, können die Weichen für eine konstruktive Zusammenarbeit schnell gestellt werden.

Dennoch gehen solche Workshops und die Einarbeitung neuer Mitarbeiter erst mal zu Lasten der Produktivität. Hier kommen Sie mit ins Spiel: Stimmen Sie zusammen mit dem neuen Abteilungsleiter den Rahmen und die Prioritäten der Handlungsmöglichkeiten ab. Wenn Sie es sich - etwa durch die Verlängerung von Lieferfristen - leisten können, zunächst einen Gang runterzuschalten, legen Sie den Schwerpunkt zunächst auf Teambuilding und eine gute Einarbeitung. Soll das Auftragsvolumen ab sofort erhöht werden, kommen Sie um zusätzliches, zum Teil befristet eingestelltes Personal nicht herum, das ebenfalls eingearbeitet werden muss.

Zur Einarbeitung benötigen Sie fachlich kompetente Mitarbeiter. Diese sollten die abteilungsinternen Prozesse samt der Schnittstellen im Unternehmen gut kennen und vermitteln können. Außerdem sollten sie soziales und didaktisches Geschick, eine gewisse Fehlertoleranz und die Motivation mitbringen, Menschen anzuleiten und in ihrer Entwicklung zu begleiten. Gibt es in der Abteilung solche Mitarbeiter - die Sichtung und Auswahl ist Ihre Aufgabe -, kann der Abteilungsleiter die fachliche Einarbeitung an diese Mitarbeiter delegieren. Er steuert dann den Gesamtprozess, indem er die einzelnen Maßnahmen zur Teamentwicklung, Einarbeitung und zum Erreichen der wirtschaftlichen Ziele optimal aufeinander abstimmt und in der Abteilung kommuniziert.

Fehlen die zur Einarbeitung fähigen Mitarbeiter, wird die Einarbeitung zur Führungsaufgabe. In einem solchen Fall empfehle ich Ihnen, extern eine fähige Führungskraft zu suchen, die das entsprechende Fachwissen mitbringt.

Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Etikette, oder Arbeitsrecht? Dann schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere Experten beantworten ausgewählte Fragen. Ihr Brief wird anonymisiert.

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