Internats-Beraterin:Das Kind redet mit

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Das Internat muss zum Kind passen. Das ist für Sophie Weidlich das wichtigste Auswahlkriterium. Sie rät Eltern wie Kindern, nicht zu viele Kompromisse zu machen. (Foto: oh)

Nur wenige Kompromisse machen und sich trauen, nach Fördertöpfen zu fragen, empfiehlt Sophie Weidlich den Eltern. Der Nachwuchs soll nach Ansicht der Beraterin bei der Internats-Auswahl mitwirken.

Interview von Christine Demmer

Sophie Weidlich, 61, ist studierte Germanistin und die Tochter eines Internatsleiters. Sie hat mehr als die Hälfte ihres Lebens in einem Landschulheim verbracht - heute ist sie Haustutorin, also als Ansprechpartnerin für die Schüler und Schülerinnen der Oberstufe. Im Nebenberuf unterstützt Sophie Weidlich ratlose Eltern bei der Suche nach dem passenden Internat für ihr Kind.

Sie sind mit zehn Jahren in ein deutsches Internat geschickt worden. Haben Sie gelacht oder geweint?

Sophie Weidlich: Ich sprach damals nur Schwedisch und Englisch und fand das ganz grauslich. Rückblickend gesehen war es aber meine schönste Schulzeit.

Warum fiel die Wahl nicht auf eine Boarding School? Englische Internate haben ja fast einen legendären Ruf.

Ja, sehr viele deutsche Kinder gehen nach England. Wegen der Sprache, wegen der Mentalität und wegen der festen Erziehung - man könnte das auch Drill nennen. In England und Frankreich wird sehr viel mehr Wert auf Konformität und Umgangsformen gelegt. In Deutschland geht man stärker auf die individuelle Persönlichkeit des Kindes ein. Man ist bestrebt, die Kinder zu kritischen Bürgern zu formen. Meine Eltern fanden das gut. Und ich auch.

Was kostet ein Internatsaufenthalt? Und wo gibt es Unterstützung?

Die Lehr- und Unterbringungskosten in deutschen Internaten reichen etwa von 500 bis 3000 Euro im Monat. Viele Eltern erkundigen sich nach Stipendien, und die gibt es auch, zum Beispiel für besondere musikalische, sportliche, künstlerische oder intellektuelle Fähigkeiten. Jedes Internat hat dafür einen Topf, der aus Beiträgen von ehemaligen Schülern oder anderen Förderern gespeist wird. Man sollte sich nicht scheuen, danach zu fragen. Man kann stets etwas machen.

Sollte das Kind bei der Entscheidung mitsprechen?

Sicher. Das wichtigste Auswahlkriterium lautet: Das Internat muss zum Kind passen. Ein zurückhaltendes Kind wird sich in der Nestwärme eines kleineren Internats wohler fühlen, ein extrovertiertes Kind braucht ein quirliges mit mehr Schülern. Deshalb lasse ich die Eltern in der Beratung viel über ihr Kind erzählen. Alle Internate bieten die Möglichkeit, dort eine Weile auf Probe zu wohnen.

Raten Sie nur zu Internaten mit einer eigenen Schule?

Die Einheit von Bildung und Erziehung ist ideal. Es gibt aber Internate, die trotz eigener Schule eng mit einer anderen zusammenarbeiten - Gymnasium und Realschule, etwa diese Kombination. Dann müssen sich die Eltern aber nicht nur das Internat, sondern auch die externe Schule anschauen.

Woran merken Eltern, dass ein Internat in erster Linie den zahlenden Kunden im Auge hat?

Wenn sie das Gefühl haben, dass sie zu viele Kröten schlucken, also zu viele Zugeständnisse machen müssen. Wenn die Eltern etwa Bedenken haben, weil ihr Kind das einzige Mädchen in der Klasse ist. Aber die Schule spielt das runter. Oder wenn der Junge unbedingt American Football spielen will, es aber nur einen Fußballverein gibt.

© SZ vom 03.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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