Flexibel studieren:Heute ist Skype-Sprechstunde

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Das Interesse am Fernunterricht wächst auch deshalb, weil er sich gut mit dem Beruf kombinieren lässt.

Von Jeannette Goddar

Sich neues Wissen anzueignen - weitgehend unabhängig von Ort und Zeit, steht hoch im Kurs. Dass lebenslanges Lernen an Bedeutung zunimmt, verstärkt diesen Trend. Noch 2003 lag die Anzahl der Fernlernenden bei 230 000 - nach Angaben des Fachverbands Forum Distance-Learning mit Sitz in Hamburg. Im Jahr 2014 zählte der Verband knapp 200 000 Fernlernende mehr. 114 000 Teilnehmer strebten im Jahr 2014 einen akademischen Abschluss an und schrieben sich an einer Fernhochschule ein. 40 000 Menschen immatrikulierten sich an Präsenzuniversitäten mit Fernstudienangeboten. Knapp 440 Fernstudiengänge wurden im Jahr 2014 angeboten.

Mehr als eine Viertelmillion Menschen bilden sich im sogenannten subakademischen Bereich fort. Sie absolvieren Kurse, an deren Ende ein staatlicher Schulabschluss, ein Zertifikat von Kammern oder Verbänden oder auch des Anbieters selbst steht. 2014 boten 395 Institute bundesweit knapp 3250 Lehrgänge an. Nahezu jeder zweite Fernlerner des subakademischen Bereichs absolviert nach Angaben des Forum Distance-Learning Lehrgänge, an deren Ende gar kein Abschluss steht.

Die Mehrheit der Fernlerner ist berufstätig und nutzt die Methode, um die Präsenz- mit ihren Arbeitszeiten in Einklang bringen zu können. Denn: Während im nichtakademischen Bereich oft alles aus der Ferne geht, ist ein Fernstudium immer eine Kombination aus An- und Abwesenheit; man kommt persönlich zusammen, aber auch online - auf Lernplattformen. Im Gespräch mit Fernlernenden stellt sich vor allem heraus: Das Bedürfnis, sich mit Kommilitonen auszutauschen, ist unterschiedlich - die einen sagen, am besten lerne es sich allein zu Hause, die anderen fühlen sich im Team wohler. Doch auch bei der Teamvariante gilt: Die Arbeitsgruppe von morgen dürfte immer häufiger auf einer Plattform tagen - nicht in der Cafeteria.

Die Vielfalt im Bereich des Fernunterrichts ist groß - bezogen auf die Fächer wie auf die zur Verfügung stehenden Medien. (Foto: Alessandra Schellnegger)

In folgenden Protokollen schildern drei Berufstätige, welche Erfahrungen sie bisher mit den speziellen Lehrmethoden des Fernunterrichts gemacht haben.

Sandra Wagner: "Als ich ein duales Studium zum Bachelor of Commerce absolvierte, merkte ich, dass ich im Personalbereich arbeiten möchte. Damals begann ich mit der Betreuung von Azubis. Später glückte der Sprung ins Talentmanagement, obwohl ich eigentlich für die mittlere Führungsebene im Einzelhandel ausgebildet war. Um im Personalbereich erfolgreich zu sein, wird aber ein ,richtiges' Studium erwartet. Weil ich voll berufstätig war, habe ich ein Angebot gesucht, das mit Samstagsarbeit kompatibel und sehr flexibel ist.

Heute studiere ich Wirtschaftspsychologie im siebten Semester in Göttingen, bald 400 Kilometer entfernt von meinem Wohnort. Mehr als viermal in drei Jahren war ich dort allerdings auch nicht. Präsenzphasen gibt es sehr wenige und auch nicht in jedem Semester, der Kontakt zu Professoren läuft online, Prüfungen schreibe ich im Studienzentrum in München. Den größten Teil erledige ich alleine zu Hause vor dem Rechner, anhand von Studienbriefen. Ich komme damit gut zurecht; vor allem, weil ich nahezu alles auf praktische Erfahrung beziehen kann. Wenn ich lese, wie man sich in eine andere Person einfühlen sollte, habe ich das in Bewerbungs- und Personalgesprächen eben auch schon oft erlebt.

Für mich habe ich den idealen Weg gefunden. Ich kann sogar Prüfungen kurzfristig verschieben, wenn ich mich noch nicht richtig fit für sie fühle. Mit der Motivation habe ich nur im Winter manchmal Probleme. Da ist es nicht immer leicht, im Dunklen von der Arbeit zu kommen und sich noch einmal drei Stunden konzentriert vor den Computer zu setzen."

Stefan Friedrich: "Nach der Schule habe ich eine duale Ausbildung zum technischen Zeichner absolviert, später eine Ausbildung zum Techniker für Maschinenbau. Seither arbeite ich bei einem Engineering-Dienstleister in der Automobilindustrie. Vor einigen Jahren wurde das Thema Energieeffizienz aktuell, konkret die Frage, wie Autos und Autoteile energiesparender produziert werden können. Ich beschloss, mich dafür zu rüsten und machte mich auf die Suche nach einem Fernlernangebot. Das Büro der Schule habe ich nie betreten. Die Mitarbeiter kenne ich nur von Bildern; selten habe ich mit meinen Ausbildern telefoniert. Wenn Fragen aufgetaucht sind, habe ich diese üblicherweise per E-Mail gestellt. Das hat gut geklappt. Die Antworten kamen prompt.

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Sandra Wagner, 31, lebt in Feucht bei Nürnberg und studiert Wirtschaftspsychologie (Bachelor) an der Privaten Hochschule (PFH) Göttingen. (Foto: privat)

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Stefan Friedrich, 37, lebt in Reichertshofen bei Ingolstadt und absolvierte bei der in Hamburg ansässigen Fernschule ILS bis 2014 einen Fernkurs zum Energiemanager. (Foto: privat)

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Tanja Hilger, 32, absolvierte 2015 an der Fernuniversität in Hagen den Masterstudiengang Bildung und Medien, "E-Education". (Foto: privat)

Die Inhalte wurden mir per Post als Arbeitshefte mit Texten und Aufgaben zugestellt. Ich habe sie bearbeitet und zurückgeschickt. An Fristen musste ich mich, außer bei der Abschlussarbeit, nicht halten. Dieser Kurs ist auf 15 Monate angelegt, die Zeit muss man sich selbst einteilen. Es gibt also volle Flexibilität - was natürlich Fluch und Segen zugleich sein kann.

Für mich hat das Modell gut funktioniert. Zusätzlich zu meiner vollen Stelle habe ich mich drei bis vier Abende in der Woche jeweils zwei bis sechs Stunden an meinen Fernlernkurs gesetzt. Geholfen hat mir, dass mich die Inhalte wirklich interessiert haben und dass ich in Mathe gut vorbereitet war. Zum Abschluss habe ich ein Zertifikat bekommen. Ob ich es benötige, ist noch unklar. Aber ich habe mir wesentliche Grundlagen und Detailwissen für meine Tätigkeit angeeignet, die mir seither viel nützen."

Tanja Hilger: "Bald nach meiner Ausbildung zur Chemielaborantin merkte ich: 30 Jahre in der gleichen Position, das möchte ich nicht. Nach langer Suche entschied ich mich, zunächst aus purem Interesse, für ein Studium der Bildungswissenschaft an der Fernuni in Hagen. Inzwischen habe ich nach dem Bachelor dort auch einen Master in Bildung & Medien mit Schwerpunkt E-Learning abgeschlossen. Fünf Jahre hat das insgesamt gedauert, also im Prinzip die Regelstudienzeit; und das, obwohl ich die meiste Zeit voll gearbeitet habe.

Geholfen hat mir die Vielfalt der Lehr- und Lernmethoden. Außer der Arbeit mit Studienbriefen gab es viele virtuelle Angebote. Alle Mitstudierende, von denen einige gar nicht in Deutschland wohnten, waren auf einer Lernplattform angemeldet. Dort finden Vorlesungen statt, die man sich jederzeit anschauen kann - sowohl live als auch in aufgezeichneter Form. In Online-Tutorien gibt es Austausch mit den Betreuern; auch Arbeitsgruppen treffen sich dort und bereiten gemeinsam Präsentationen vor. Einerseits habe ich festgestellt, dass es manchmal gut ist, sich zu sprechen, aber dafür gibt es ja Dienste wie Skype. Andererseits lernt man schnell, sich schriftlich so auszudrücken, dass man nicht missverstanden wird.

Ohne den Austausch mit anderen Studierenden hätte mir etwas gefehlt; erst recht, weil mein Beruf mit meinem Studium nichts zu tun hatte. Als Chemielaborantin habe ich übrigens bereits zu Bachelor-Zeiten gekündigt. Nach einem Job in der Personalentwicklung habe ich mich ganz der Bildungsforschung verschrieben: Als wissenschaftliche Mitarbeiterin bereite ich meine Promotion vor."

© SZ vom 01.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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