Bildungsstudien Iglu, TIMSS, Pisa:Teste sich, wer kann

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Lehrer und Eltern winken nur noch ab: Pisa, TIMSS, Iglu, schon wieder eine Studie. Werden sie damit alleingelassen, fördert das Abwehrreaktionen und Tricks bei der Statistik.

Tanjev Schultz

Viele Lehrer und Eltern winken nur noch ab. Schon wieder eine Schulstudie. Pisa, TIMSS, Iglu: Wer soll da noch durchblicken! Verdruss macht sich breit und das Gefühl, die Testerei werde den Kindern am Ende eher schaden als nützen. In den USA lässt sich studieren, wie eine grassierende Testiritis immer mehr Frust erzeugt. Die Schulen sind dort jedenfalls nicht besser geworden.

Teste sich, wer kann: (Foto: Foto: ddp)

Tests reichen eben nicht, es muss auch die nötige Hilfe für die Schulen geben. Werden sie mit den Studien alleingelassen, fördert das Abwehrreaktionen und Tricks bei der Statistik. Schon jetzt versuchen einige Kultusminister die Arbeit der Forscher so zu beeinflussen, dass sie möglichst wenige schlechte und möglichst viele gute Nachrichten verkünden können. So konnten in der Iglu-Studie die heiklen Ergebnisse zu den Schullaufbahn-Empfehlungen noch nicht vorgestellt werden.

Eine gefährliche Idee

Die Minister hatten offenbar Angst, die Freude über die guten Leseleistungen wäre dahin, wenn bekannt wird, wie ungerecht es beim Wechsel aufs Gymnasium zugeht. Nun müssen die Forscher diese Daten zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlichen - mit dem Effekt, dass es dann wieder genervt heißen wird: Noch eine Studie!

In Wirklichkeit werden die großen Schulstudien wie Iglu, TIMSS und Pisa höchstens alle drei Jahre durchgeführt, und dabei werden auch nicht alle Kinder, sondern nur kleine Gruppen untersucht, Stichproben eben. Man darf diese Tests nicht verwechseln mit der täglichen Prüfungswut und den sogenannten Vergleichsarbeiten, die vielen Lehrern und Schülern so lästig sind. Dass Schüler nur dann etwas lernen, wenn man sie möglichst oft und hart testet, ist eine gefährliche Idee. Sie kann Kinder ins Unglück stürzen und ihnen jede Freude am Lernen nehmen.

Schüler als Stopfgänse

Mit Pisa und Iglu hat das nur mittelbar zu tun: Bei manchen Erwachsenen haben die Studien eine schädliche Hysterie ausgelöst. Sie versuchen den Schülern Wissen einzuflößen, als seien sie Stopfgänse. Ein Stopfkopf kann aber nicht mehr klar denken. Insgesamt haben die Studien aber eher Gutes bewirkt: Ohne sie wäre Bildung niemals zu einem so großen Thema geworden. Der Wert von frühkindlicher Förderung, Ganztagsschulen, Sprachunterricht - all dies kam auf die Agenda, weil sich die Defizite nicht länger ignorieren ließen.

In Bremen beispielsweise gibt es nun Förderprogramme in den Ferien, die vor allem den Migranten und Kindern aus armen Familien zugute kommen. Die Zahl der Sitzenbleiber sinkt bereits. Wenn sich in der Öffentlichkeit nur festsetzt, Bremen sei doch in den Studien sowieso immer das Schlusslicht, wäre das unfair. Ein solches Image demotiviert Pädagogen und Kinder. Wer nicht nur auf die Ranglisten schaut, sondern die Studien genau liest, erkennt auch: Kaum ein Land hat sich so stark verbessert wie Bremen; die Erfolge sind geradezu "spektakulär", wie der Bildungsforscher Jürgen Baumert sagt. Ohne die Studien könnte man das weder sehen noch würdigen.

© SZ vom 10.12.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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