Berufsforscher:Blick über den Tellerrand

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Arbeitswelt 4.0. - das heißt auch, dass Berufstätige sich ständig fortbilden müssen. In besonderem Maße gilt das für die duale Ausbildung.

Interview von Bärbel Brockmann

Professor Enzo Weber, 36, ist Forschungsbereichsleiter am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Zu seinen Themenschwerpunkten zählt der promovierte Volkswirt dort die Arbeitsmarktdynamik und Arbeitsmarktpolitik. Weber, Inhaber des Lehrstuhls für Empirische Wirtschaftsforschung der Universität Regensburg, beschreibt die wichtigsten Veränderungen, die mit der Digitalisierung einher gehen.

SZ: Welche Auswirkungen wird die digitale Arbeitswelt auf Jobs haben ?

Enzo Weber: Die meisten, die in der Wirtschaft arbeiten, werden von der Digitalisierung betroffen sein. Es wird eine Integration der gesamten Wertschöpfungskette geben. Nicht jeder muss dann programmieren können, aber man muss in den integrierten Prozessen übergreifend mitdenken können.

Was bedeutet das für die Ausbildung?

Das heißt, dass man sich nicht nur auf das eine Fach konzentrieren sollte, das man erlernt. Wichtig wird sein, dass man darüber hinaus schaut. Es geht bei der Digitalisierung um mehr als nur um Computer. Nehmen wir den Arztberuf. Herkömmliche ärztliche Tätigkeiten werden durch die Telemedizin weniger. Trotzdem lässt die Nachfrage nicht nach, denn die Menschen werden immer älter. Man geht also nicht in einen einbrechenden Markt, sondern in einen Markt, der sich deutlich verändert. Wer Medizin studieren will, muss wissen, da tut sich was. Man sollte sich nicht darauf beschränken, einmal alle Kenntnisse zu erlernen, eine Praxis zu eröffnen und zu glauben, dass bis zur Rente alles so bleibe. Ärzte sollten über die eigene Tätigkeit hinaus schauen, in die Medizintechnik zum Beispiel. Man muss sehen, was da läuft und wie es einem helfen kann.

Welche Entwicklungen wird es bei den Facharbeitern geben?

Auf dieser Ebene wird es zu größeren Änderungen kommen, weil es bei vielen dieser Jobs einen hohen Anteil an Routinetätigkeiten gibt. Routinetätigkeiten folgen einer bestimmten Logik. Und Logik ist programmierbar. Damit liegt auf der Hand, dass sich durch die Digitalisierung etwas ändern wird. Früher war das schon bei den Niedrigqualifizierten so. In Zukunft wird es auch stärkere Änderungen bei Facharbeitern geben. Aber Facharbeiter haben wertvolles Erfahrungswissen und damit etwas, das man nicht programmieren kann. Man muss diese Stärke in die digitale Welt bringen.

Dennoch wird es in Zukunft weniger Facharbeiter geben.

Vor allem die Anzahl der Facharbeiter in der Industrie wird sinken, aber das Angebot auch, nicht zuletzt, weil immer mehr junge Menschen an die Hochschulen streben. Es entsteht also nicht notwendigerweise ein Problem. Man kann nach wie vor als Facharbeiter in die Industrie gehen, aber man sollte das mit Perspektive tun.

Worauf sollte ein Azubi heute achten?

Er sollte nach der Ausbildung an zusätzliche Schritte in der Weiterbildung denken. Auch der Schritt zum Meister sollte von vornherein mitgedacht werden. Wenn man in Bewegung bleibt, wird man auch im dualen Bildungssystem in Zukunft seine Chancen haben.

Braucht man neue Ausbildungsberufe?

Neue Ausbildungsberufe braucht es eher weniger. Aber die bereits existierenden müssen sich weiterentwickeln. Dafür braucht man in der Ausbildung eine weniger starre Vermittlung von Lehrstoff und stattdessen viel mehr Flexibilität. Wenn man das erreicht und die Stärken des dualen Systems auf die digitale Schiene bringt, dann ist die duale Berufsausbildung auch in Zukunft ein gutes Modell. Wenn das nicht passiert, kann das duale System aber zur Achillesferse des künftigen Arbeitsmarktes werden.

© SZ vom 16.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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