Berufsbild:Einsatz auf Zeit

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Interim-Manager springen in der Regel dann ein, wenn es im Unternehmen brenzlig wird. Das macht den Job spannend - aber auch unwägbar.

Der Anfang, gibt Willy von Becker zu, war ein "emotionales Auf und Ab". Doch das sei Teil des Jobs, sagt er und zuckt mit den Achseln. "Mit der Zeit kennt man das Geschäft." Becker arbeitet seit gut 20 Jahren als Interim-Manager. Er springt ein, wenn Firmen in Schwierigkeiten geraten. Der Einsatz kann manchmal von einem Tag auf den anderen notwendig sein. Das ist die Schwierigkeit - oder genau das, was einem Manager wie Becker gefällt: "Jedes Mandat ist unterschiedlich", sagt er, "die Herausforderung immer neu."

Interim-Management ist ein vergleichsweise junges Berufsbild. Als der heute 51 Jahre alte Becker Mitte der Neunzigerjahre seinen ersten Einsatz als Controller bei einem größeren mittelständischen Produktionsunternehmen hatte, wusste noch niemand etwas damit anzufangen. "Damals gab es das Berufsbild des Interim-Managers noch nicht, und es war schwierig, das anderen zu vermitteln." Inzwischen schätzt die Dachgesellschaft Deutsches Interim-Management (DDIM), dass die Zahl der Notfall-Manager 2015 auf 7500 steigt.

(Foto: Ole Spata/dpa)

Im Schnitt, so der Verband, verdient ein Interim-Manager 1150 Euro am Tag. Bei einem durchschnittlichen Einsatz von 160 Tagen pro Jahr entspricht das etwa dem Gehalt eines fest angestellten Managers im Mittelstand. Allerdings mit deutlich weniger Sicherheit: In der Regel arbeiten die Interim-Manager selbständig.

"Klassische Aufgaben sind Krisensituationen, Vakanz-Überbrückung oder komplexe Projekt-Aufgaben", sagt Marei Strack, Vorstandsvorsitzende der DDIM. Das Gros der Aufträge liegt bei mittelständischen Firmen mit mehr als 500 Mitarbeitern. Kleinere Firmen können sich die Manager kaum leisten. Größere Konzerne haben in der Regel eigene Manager, die sie übergangsweise auf Posten schieben- wie zuletzt beim Mannheimer Bilfinger-Konzern, wo der frühere Vorstandschef Herbert Bodner vorübergehend den Chefposten übernommen hat. Ein Hindernis ist nach wie vor die Unbekanntheit der Manager auf Zeit. "Um die Nachfolge-Problematik von Familienunternehmen zu lösen, wird Interim-Management erst vereinzelt eingesetzt", sagt Strack. Immer häufiger werden Interim-Manager auf Druck der Kreditgeber eingeführt.

"Das hat mit der strengeren Regulierung unter anderem unter Basel III zu tun", sagt DDIM-Vorstandsmitglied Harald Meyer. "Banken können in bestimmten Situationen neuen Krediten nicht ohne einen externen, in solchen Situationen erfahrenen Experten zustimmen", sagt Meyer. Ist die Firma bereits in Schwierigkeiten, kommt die Bank in einen Konflikt und benötige klare Indizien für eine positive Zukunftsperspektive, um neues Geld zu Verfügung zu stellen. "Wenn die Bank das Leben der Firma in einer bereits hoffnungslosen Situation verlängert, würde sie sich zum Beispiel der Mithilfe einer Insolvenzverschleppung schuldig machen können." Ein Interim-Mandat könne eine Lösung sein, da die Probleme häufig auch im Management liegen, so Meyer.

Willy von Becker arbeitet in wechselnden Unternehmen. (Foto: Bernd Weißbrod/dpa)

Es ist aber auch das Tempo und die Dynamik der Märkte, die Manager auf Zeit in vielen Unternehmen unverzichtbar machen. Gefragt sind dabei keine Generalisten, sondern Spezialisten. "Wenn Geschäftsmodelle sich durch die zunehmende Digitalisierung der Gesellschaft in immer kürzeren Abständen verändern müssen, so sind neben mehr Flexibilität, zunehmend auf Zeit beschränkte neue Kompetenzen gefragt", sagt Maximilian Graf Stolberg von der Düsseldorfer Data Lab GmbH. Dies könne dann über Interim-Manager besser gesteuert werden.

Die Weißer + Grießhaber GmbH aus Mönchweiler im Schwarzwald hat in den vergangenen Jahren gute Erfahrungen gemacht mit Managern auf Zeit. Das sei zwar kein strategischer Ansatz des Unternehmens, aber sporadisch werde so entschieden, wenn sich Lücken auftun, erklärt der Geschäftsführer des Kunststoffunternehmens, Reinhard Fauser. So habe in der Qualitätssicherung auf Leitungsebene ein Dreivierteljahr lang ein Manager auf Zeit gearbeitet, weil die Stelle nicht besetzt werden konnte. Ein weiterer Manager arbeite bereits seit zwei Jahren im Projektmanagement des Familienunternehmens, was zwar nicht die Regel sei, aber gut funktioniere, erläutert Fauser.

Tatsächlich hat sich das Bild des Interim-Managers in den vergangenen Jahren gewandelt: So sind heute nicht mehr in erster Linie Krisenmanager und Sanierungsspezialisten gefragt, sondern Experten für den Wandel. Was zählt und diese Manager-Nomaden so begehrt macht, ist ihre große Berufserfahrung und ihre Fähigkeit, schnell ins kalte Wasser zu springen. Eine Einarbeitungszeit, die fest angestellten Kollegen mit den oft zitierten hundert Tagen eingeräumt wird, haben sie nicht. "Interim-Manager müssen in ihrem Mandat sehr schnell reagieren können", schreibt Corina Hoch vom Management Dienstleister Ludwig Heuse in dem Fachblatt Arbeit und Arbeitsrecht.

Willy von Becker war zuletzt bei EHT im Einsatz. Der Werkzeugmaschinenbauer mit Sitz im badischen Teningen steckte tief in der Krise. Ein "kniffliger Fall", sagt er. "Die Firma befand sich seit Jahren in der Restrukturierung und schrieb rote Zahlen." Im August fing Becker dort an. Drei Monate später war das Unternehmen saniert und an den Laser-Spezialisten Trumpf aus Ditzingen verkauft.

Solche Feuerwehreinsätze sind die Regel. "Der Einsatz beginnt üblicherweise sofort und findet fast nie am Wohnort statt", sagt Björn Knothe, Geschäftsführer der Stuttgarter Manager-Vermittlung Division One. "Interim-Management ist eine Lebensphilosophie. Die meisten wollen keine Linienkarriere mehr."

Willy von Becker hat inzwischen dreijährige Zwillingstöchter. Die sieht er vor allem in der projektfreien Zeit. "Urlaub hat trotzdem immer irgendwie geklappt, auch während der Projektphasen." Und die ständige Unsicherheit? "Wichtig ist, sich eine finanzielle Reserve zu schaffen, um die projektfreien Phasen zu finanzieren", sagt er. An das ständige Auf und Ab hat er sich dagegen gewöhnt: "Die Startphase in ein Projekt ist überhaupt kein Problem - eher wenn es ausläuft", sagt er. Dann stelle sich fast eine Art Trennungsschmerz ein. "Man ist ja mit der Mannschaft durch dick und dünn gegangen."

© SZ vom 16.05.2015 / Annika Graf, Peter Lessmann, dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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