Berufsbild:Die Sprach-Akrobaten

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Elena Zerlin macht ihren Master im Studiengang Fachübersetzen. Perfekte Sprachkenntnisse sind Voraussetzung, um zum Studium zugelassen zu werden. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Dolmetscher und Übersetzer - so darf sich in Deutschland jeder nennen. Die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt. Trotzdem kann längst nicht jeder Sprachbegabte diesen Job machen.

Von Sabine Meuter/dpa

Irgendwo zwischen den Zeilen könnte ein Wortspiel, ein Scherz oder eine Provokation stecken. Elena Zerlin muss bei ihrer Arbeit häufig zweimal überlegen. Die 25-Jährige macht einen Master in Fachübersetzen an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt. "Wenn ich beim Übersetzen eine Anspielung übersehe oder falsch deute, kann das richtig peinlich sein", sagt sie. Um solche Feinheiten zu erkennen, muss sie als Übersetzerin die Sprache perfekt beherrschen und die Kultur eines Landes verstehen.

Derzeit macht sie ein Praktikum bei einem Übersetzungsbüro in Frankfurt am Main, das sich auf Texte aus der Finanzwelt spezialisiert hat. Dort übersetzt sie zum Beispiel Geschäftsberichte. Dafür braucht sie Fachkenntnisse. "Man kann nichts von einer in die andere Sprache übertragen, wenn man von der Materie keine Ahnung hat", sagt Zerlin.

Der Übersetzer arbeitet mit schriftlichen Texten, der Dolmetscher mit dem gesprochenen Wort. "In nur wenigen anderen Bereichen kann man seine persönlichen Neigungen so gut zum Beruf machen", erklärt Lisa Rüth vom Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ). Wer sich für Medizin interessiert, spezialisiert sich auf Texte oder Konferenzen in diesem Bereich. Diejenigen, die sich für Technik begeistern, eignen sich Kenntnisse in dieser Richtung an.

Der klassische Weg führe über ein Hochschulstudium mit einem Bachelor- oder Masterabschluss, sagt Reiner Heard. Er ist Vorsitzender des Vorstands von Aticom, dem Fachverband der Berufsübersetzer und -dolmetscher. In manchen Bundesländern ist aber auch eine dreijährige Ausbildung an Berufsfachschulen oder -akademien möglich, die mit einer staatlichen Prüfung endet.

Wer Dolmetscher oder Übersetzer werden möchte, muss die Muttersprache perfekt beherrschen und ausgezeichnete Fremdsprachenkenntnisse schon zu Beginn der Ausbildung haben. "An den meisten Hochschulen gibt es Aufnahmetests, bei denen die sprachlichen Fähigkeiten geprüft werden", erklärt Heard.

Die meisten Dolmetscher und Übersetzter arbeiten als Freiberufler

Wichtig sei außerdem eine gute Konzentrationsfähigkeit, sagt Heard. Wenn Dolmetscher während einer Konferenz übersetzen, müssen sie bei der Sache bleiben und dürfen sich nicht durch ein Geräusch ablenken lassen. Auch ein umfassendes Allgemeinwissen ist wichtig.

Vor allem Dolmetscher brauchen eine schnelle Auffassungsgabe und eine hohe Stressresistenz. Gibt es bei einer Konferenz Abweichungen vom geplanten Programm, müssen sie einen kühlen Kopf behalten und souverän reagieren. Mitunter haben es Dolmetscher außerdem mit Staatschefs, Top-Managern und anderen Prominenten zu tun. Ihnen gegenüber dürfen sie keinerlei Scheu zeigen.

Unter Zeitdruck stehen aber auch immer wieder Übersetzer. "Wenn zum Beispiel eine Pressemitteilung übersetzt werden soll, muss das schnell gehen", sagt Zerlin. Als einen Nachteil ihrer Tätigkeit sieht sie, dass die Berufsbezeichnung nicht geschützt ist. "Letztendlich können ausgebildete Fachkräfte aber mit Qualität am Markt punkten", sagt sie.

Wer sich wie sie für ein Fachübersetzerstudium an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt entscheidet, wird in zwei Fremdsprachen ausgebildet. Die Studenten besuchen außerdem Seminare etwa in Wirtschafts- und Rechtswissenschaften. Mehrere Hochschulen bieten Masterstudiengänge zum Konferenzdolmetscher an. Davor machen Studenten häufig einen Bachelor in internationaler Fachkommunikation oder Übersetzungswissenschaft. Wer sich an einer Fachakademie qualifizieren möchte, muss monatliche Gebühren von um die 200 Euro einplanen.

Nach dem Studium oder der Ausbildung arbeiten die meisten Dolmetscher und Übersetzer freiberuflich. Festanstellungen gibt es etwa in mittleren bis großen Unternehmen, bei staatlichen Institutionen und bei der Europäischen Union. Das Einstiegsgehalt eines festangestellten Dolmetschers oder Übersetzers kann gemäß den jüngsten Honorarumfragen des BDÜ bei um die 3000 Euro brutto monatlich, aber auch darunter liegen. "Bei den freiberuflich tätigen Fachkräften ist der monatliche Verdienst schwer zu kalkulieren", sagt Rüth. Er hängt einerseits von der Auftragslage, aber auch von der unternehmerischen Kompetenz ab.

Der Stundensatz von Übersetzern liegt bei 70 bis 100 Euro

Der Tagessatz eines Konferenzdolmetschers kann nach BDÜ-Angaben zwischen 800 und 1000 Euro liegen, dabei sind Abweichungen nach oben und unten möglich. Ein Übersetzer wird in der Regel nach Textmenge bezahlt und kann pro Stunde zwischen 70 und 100 Euro verdienen. Es kann hier ebenfalls einmal mehr oder weniger sein.

Um solche Rechnereien macht sich Elena Zerlin bislang keine Gedanken. Erst einmal will sie fertig studieren. "Das Schöne ist, dass man im freiberuflichen Arbeitsalltag viel Abwechslung hat und sich zudem die Zeit mehr oder weniger frei einteilen kann", sagt sie.

© SZ vom 03.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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