Anerkennung:Schwarz auf weiß

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Für viele Fertigkeiten, die man im Laufe des Lebens erwirbt, gibt es kein Zeugnis. Experten fordern die Würdigung von informellen Kompetenzen.

Von Jutta Pilgram

Englisch, Excel oder das Einmaleins - vieles von dem, was Menschen im Laufe ihres Lebens lernen, können sie mit Zeugnissen oder Zertifikaten belegen. Andere Fertigkeiten, die sie eher zufällig, nebenher oder selbständig in ihrer Freizeit erwerben, attestiert ihnen kein offizielles Dokument. Dabei sind auch diese Fertigkeiten bei der Jobsuche wichtig und oft auf dem Arbeitsmarkt gefragt. In den zunehmend formalisierten Bewerbungsverfahren werden sie jedoch leicht übersehen.

Das Bundesinstitut für Berufsbildung (Bibb) hat nun gemeinsam mit der Bertelsmann-Stiftung untersucht, wie es um die Anerkennung dieser Kompetenzen steht. Dazu hat es mehr als 300 Experten aus dem Berufsbildungsbereich befragt. Das Ergebnis: Drei von vier Experten wünschen sich eine stärkere Würdigung individueller Lernergebnisse, die außerhalb von Schulen, Ausbildungen oder Hochschulen erworben werden. Jobchancen und Einkommen seien in Deutschland noch zu sehr von formalen Bildungs- und Berufsabschlüssen abhängig. 70 Prozent der Fachleute aus Betrieben und Kammern, Arbeitnehmerorganisationen, Forschung und Weiterbildung sprechen sich daher für ein deutschlandweit einheitliches Anerkennungssystem aus.

"Um bislang ungenutzte Potenziale zu erschließen, benötigen wir für Menschen, die auf informellem Weg Kompetenzen erworben haben, verbesserte Möglichkeiten der formalen Anerkennung", sagte Bibb-Präsident Friedrich Hubert Esser bei der Vorstellung des Bibb-Expertenmonitors. Durch eine "Kultur der Anerkennung" informellen oder non-formalen Lernens ließen sich Berufschancen verbessern. Dies träfe vor allem auf Ungelernte oder Angelernte zu - und auch auf Flüchtlinge, die oft keine formal anerkannten Kompetenzen mitbringen. "Ein einheitliches Anerkennungssystem für informelle Kompetenzen hilft vor allem den Menschen, die ihre Fähigkeiten bisher nicht auf dem Papier nachweisen können", sagte Jörg Dräger von der Bertelsmann-Stiftung.

Nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Betriebe könnten nach Auffassung der Experten von einer besseren Anerkennung profitieren. Bisher eingesetzte Instrumente zur Kompetenzerfassung kritisieren die Fachleute als unzureichend: So basiere beispielsweise der Profil-Pass, der auch Erfahrungen aus Familie, Freizeit, Arbeitsleben oder Ehrenamt abfragt, größtenteils auf Selbsteinschätzungen. Auch die sogenannte Externenprüfung könne noch nicht überzeugen. Die Experten schlagen daher vor, eher auf Arbeitsproben und Testverfahren zu setzen. Referenzen und Bescheinigungen seien dagegen weniger aussagekräftig.

© SZ vom 16.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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