Nach dem BGH-Urteil zu Ärzten:Die Annahme von Geschenken muss geächtet werden

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Eine Pharmafirma stellt einem Arzt einen Scheck aus, weil dieser ihre Pillen besonders eifrig verschrieben hat. Rein rechtlich betrachtet ist das in Ordnung. Moralisch gesehen ist es eine ganz andere Sache. Deshalb sollten sich die Ärzte neue Regeln über die Annahme von Zuwendungen verordnen. Ansonsten muss es der Staat für sie tun.

Guido Bohsem

Kann ein Patient auf die Unabhängigkeit eines Mediziners setzen, der sich seine Fortbildungen von der Pharmaindustrie finanzieren lässt? Kann ein Patient einem Arzt vertrauen, der Geld von dem Pharmakonzern erhält, dessen Pillen er verschreibt? Es ist beileibe nicht einfach, Antworten auf diese Fragen zu finden, und auch der Bundesgerichtshof (BGH) hat das in seinem Urteil vom Freitag nicht getan. Er hat nur festgestellt, dass ein Arzt, der die oben genannten Dinge praktiziert, nicht bestechlich ist.

Rein rechtlich betrachtet, ist es also völlig in Ordnung, dass eine Pharmareferentin einem niedergelassenen Arzt einen Scheck von 18.000 Euro ausstellt, weil dieser die Pillen ihres Arbeitgebers besonders eifrig verschrieben hatte. Der Arzt, so die Begründung der Richter sinngemäß, arbeitet auf eigene Rechnung. Er ist niemandem Rechenschaft schuldig - selbst dann nicht, wenn er als Kassenarzt vor allem gesetzlich Versicherte behandelt und über das System der Kassenärztlichen Vereinigung den öffentlichen Auftrag hat, seinen Teil zur medizinischen Versorgung des Landes zu leisten.

Auf juristischer Basis kann man also keinem Arzt einen Vorwurf machen, der sich so verhält. Moralisch betrachtet, verhält sich die Sache völlig anders, und das liegt an der ganz besonderen Natur des ärztlichen Berufs und der Hilfsbedürftigkeit seiner Kunden. Ein kranker Patient ist kein Partner auf Augenhöhe. Er kann nicht kühl abwägen, wie er dies bei der Beauftragung eines Schreiners machen würde. Schmerzen, Leiden oder auch nur körperliches Unbehagen machen ihn zum Abhängigen. Der Patient ist auf Hilfe des Arztes angewiesen und er muss darauf vertrauen können, dass der Arzt sie ihm erteilt - ohne dass andere Geschäftsinteressen eine Rolle spielen.

Der Arzt hat eine besondere Verantwortung

Der Arzt ist frei in seiner Entscheidung. Diese Freiberuflichkeit ist ein hohes Gut. Sie ist eine Versicherung und ein Faustpfand gegen die Wünsche der Krankenkassen. Für die Patienten ist diese Stellung des Arztes ein Garant, dass er im Zweifel auch gegen wirtschaftliche Zwänge und Auflagen entscheiden kann. Die freie Entscheidung des Arztes muss aber einhergehen mit einer besonderen Verantwortung. Was die Freiberuflichkeit ganz gewiss nicht sein darf: ein Deckmäntelchen, mit dem der Arzt adrett daherkommt - und zugleich nimmt er Geschenke oder Prämien an und bessert sich so das Honorar auf.

Was ist also zu tun nach dem Urteil des BGH? Naheliegend wäre es, der Gesetzgeber ginge hin und stellte die Annahme von Vergünstigungen unter Strafe. Damit wäre zumindest eine Gleichbehandlung für alle Ärzte erreicht. Geschenke annehmen darf nämlich nur der niedergelassene Arzt. Der angestellte Arzt in der Klinik oder in einem Versorgungszentrum kann deswegen seinen Job verlieren. Ein solches Vorgehen des Gesetzgebers wäre aber vermutlich das Ende der ärztlichen Freiberuflichkeit.

Es sollte darum gehen, beides zu erreichen, die Freiberuflichkeit zu wahren und die Geschäftsmethoden der Pharmaindustrie zu ersticken. Das Mittel der Wahl ist die ärztliche Berufsordnung. Diese muss unbedingt verschärft, die Annahme von Geschenken der Industrie oder von Fangprämien der Krankenhäuser muss unter Androhung harter Sanktionen geächtet werden. Gleiches gilt für Anwenderstudien, mit denen nur ein Finanzgeschenk an den Doktor kaschiert wird. Ist den ärztlichen Standesvertretern die Freiberuflichkeit so viel wert wie stets behauptet, dürfte das kein Problem sein. Eine Änderung der Berufsordnung muss schnell auf den Weg gebracht werden. Auch die Pharmabranche muss umdenken, manche Firmen verhalten sich in der Frage schon jetzt vorbildlich.

Sollte das alles nicht helfen oder zu lange auf sich warten lassen, muss der Gesetzgeber allerdings handeln und das Gebaren der Ärzte abstellen. Nur so können die Patienten ihrem Arzt das notwendige Vertrauen auch weiterhin schenken.

© SZ vom 23.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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