Kritik an künstlichen Kniegelenken:Knirschen im Knie

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Immer mehr jüngere Menschen brauchen ein künstliches Kniegelenk. Folglich kommen ständig neue Prothesen auf den Markt, die eine längere Haltbarkeit versprechen. Ihre Sicherheit und Vorteile sind allerdings nicht nachgewiesen. Orhopäden fordern nun eine sorgfältigere Prüfung.

Werner Bartens

Nach Brust und Hüfte sind nun die Knie dran. Was wie die Checkliste für Model-Wettbewerbe klingt, ist tatsächlich eine Aufzählung der Implantate, die in kurzer Abfolge in die Kritik geraten sind. Im Winter beunruhigte der Skandal um defekte Silikon-Einlagen viele Frauen. Vergangene Woche listeten Ärzte im British Medical Journal die seit Jahren bekannten Probleme mit Hüftprothesen auf (Bd. 344, S. 1349, 2012). Aktuell fordern Orthopäden mehr Qualität bei der Zulassung und Verwendung künstlicher Kniegelenke. "Es gibt zu wenig wissenschaftliche Belege dafür, wie sicher die Gelenke sind und welche Implantate und Operationstechniken Patienten wirklich nutzen", bemängeln Orthopäden und Rheumatologen im Fachmagazin Lancet ( online) vom heutigen Dienstag.

Hauptautor Andrew Carr von der University of Oxford hält den Gelenkersatz am Knie zwar für eine Erfolgsgeschichte der Medizin, die vielen Patienten den Schmerz genommen und die Beweglichkeit zurückgegeben habe.

Gerade weil sie so populär sind und da immer öfter jüngere Patienten eine Knie-Prothese bekommen, sei es aber kaum verständlich, dass die Implantate so schlecht überprüft würden. "Die Regeln und Bedingungen für Medizinprodukte sind von Land zu Land extrem unterschiedlich und viel weniger streng als für Medikamente", beklagt Orthopäde Carr. "Derzeit muss für die Zulassung künstlicher Kniegelenke nur die Sicherheit bestätigt werden, aber nicht der klinische Nutzen für Patienten."

Seit der ersten Verpflanzung eines künstlichen Knie-Gelenks 1968 wurden von Jahr zu Jahr mehr Implantate eingepflanzt. In den USA werden jährlich mehr als 650.000 Kniegelenke ersetzt. In Deutschland ist der Eingriff mit mehr als 80.000 Operationen jedes Jahr nach der Hüftprothese der häufigste Gelenkersatz.

Der Anteil der "jüngeren" Patienten zwischen 45 und 60 Jahren nehme zudem stetig zu, sodass viele neue Produkte auf den Markt kommen, die eine längere Haltbarkeit der Prothesen versprechen, ohne dass Sicherheit und Vorteile für Patienten tatsächlich belegt sind.

Wie schon bei den Hüftprothesen und Brustimplantaten entzündet sich die Kritik daran, dass künstliche Kniegelenke als Medizinprodukte zugelassen werden können, sobald sie ein gültiges CE-Siegel bekommen haben, das aber lediglich die Funktion und nicht den Nutzen für Patienten prüft.

Zudem kümmert sich der Hersteller selbst um das Siegel und keine staatliche Kontrollbehörde. "Mit dem CE-Zertifikat allein kann es nicht getan sein", empört sich Hartwig Bauer, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie.

© SZ vom 06.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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