Krankenkassen-Report:Unbekannte Risiken bei sieben von 20 neuen Arzneimitteln

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Eigentlich sollen neue Medikamente nicht nur gut, sondern den alten überlegen sein. Diesen Anspruch lösen die wenigsten ein. Schlimmer noch: Bei vielen Arzneimitteln zeigen sich erst nach der Zulassung gefährliche Nebenwirkungen.

Ein ganz neues Medikament: Was nach Fortschritt und Hoffnung klingt, kann unvermutet zur Gefahr werden. Bei sieben Wirkstoffen, die 2011 auf den Markt kamen, wurden im Nachhinein Warnhinweise ausgesprochen, wie eine Auswertung der Techniker Krankenkasse (TK) ergab. Die Hersteller informierten Ärzte und Apotheker mit sogenannten Rote-Hand-Briefen über Risiken, die vor der Zulassung noch gar nicht oder nur in geringerem Maße bekannt waren. Bei zwei weiteren Wirkstoffen mussten die Pharmafirmen möglichen Zubereitungs- und Dosierungsfehler einräumen.

Gleich vier Rote-Hand-Briefe wurden für ein neues Arzneimittel gegen Multiple Sklerose verschickt. Das Mittel namens Fingolimod (Handelsname: Gilenya) kann Herzprobleme verursachen. Bei zwei Patienten war zudem im Zusammenhang mit der Medikamenteneinnahme eine tödliche Erkrankung des Immunsystems, ein sogenanntes hämophagozytischen Syndrom (HPS) aufgetreten.

Nicht besser schnitten die neuen Medikamente bei der Bewertung des Nutzens ab. Nur bei drei der 20 untersuchten Arzneimittel konnte ein echter Vorteil für den Patienten nachgewiesen werden. Es handelt sich um den Gerinnungshemmer Ticagrelor, der Amyloidose-Wirkstoff Tafamidis und der Prostatakrebs-Wirkstoff Abirateron.

Für die Studie wurden 20 Arzneimittel bewertet, die im Jahr 2011 auf den Markt gekommen waren. Die Ergebnisse sind etwas besser als für die 2010 zugelassenen Medikamente. Dennoch blieben sie hinter den Erwartungen zurück. Denn 2011 wurde das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) eingeführt. Damit sind Pharmafirmen erstmals verpflichtet, aufzuzeigen, ob ihre neuen Präparate einen Zusatznutzen im Vergleich zu bestehenden Alternativen bieten. Ein neues Medikament soll also nicht bloß wirksam, sondern effektiver, verträglicher, leichter anwendbar oder günstiger herzustellen sein als die bisherigen Präparate. Gemessen an diesem Anspruch nennt Studienleiter Gerd Glaeske von der Universität Bremen das Untersuchungsergebnis "bescheiden".

"Eine einmalige Bewertung neuer Arzneimittel reicht im Grunde nicht aus", kommentierte Jens Baas, Vorsitzender des TK-Vorstands: "Was wir brauchen, sind weitere Spätbewertungen mit Erfahrungen aus dem Versorgungsalltag - in der Medizin würde man sagen: Nachuntersuchungen -, um den tatsächlichen Nutzen neuer Medikamente besser einschätzen zu können."

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