Heroin-Herstellung:Scheinfirmen, Schlupflöcher, langer Atem

Lesezeit: 2 min

Afghanistan ist die weltweit größte Quelle von Opiaten. Doch damit daraus Heroin wird, sind weitere Stoffe notwendig. (Foto: REUTERS)

Heroin wird produziert und nicht angebaut. Neben den Opiaten wird eine weit verbeitete Chemikalie benötigt. Sie fällt derzeit viel zu leicht in die Hände von geschickt agierenden Verbrechern.

Ein Gastbeitrag von Yury Fedotov

Düstere Berichte über die Auswirkungen von Heroin auf kleine Gemeinden in den Vereinigten Staaten und der tragische Tod von Oscar-Preisträger Philip Seymour Hoffman haben auf die Droge aufmerksam gemacht, die jährlich für den Tod von 100.000 Menschen verantwortlich ist: Heroin.

Heroin wird produziert und nicht angebaut. Diese in hohem Maße süchtig machende Droge entsteht, indem Opiate in Morphin und anschließend in Heroin umgewandelt werden. Für die Herstellung einer Tonne Heroin werden sieben bis zehn Tonnen Opiate benötigt - und bis zu zweieinhalb Tonnen der Chemikalie Acetanhydrid, auch Essigsäureanhydrid genannt. Ohne sie würde Heroin nicht auf der Straße auftauchen und Leben gefährden sowie Familien zerstören.

Ungefähr zwei Millionen Tonnen Acetanhydrid werden jedes Jahr weltweit hergestellt und unter anderem in der Textil- und Holzindustrie sowie in der Produktion von Aspirin und modifizierter Stärke verwendet. Nach Schätzungen des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) werden etwa 640 Tonnen dieser Chemikalie für die weltweite Heroinproduktion abgezweigt. Dies macht nur 0,03 Prozent des weltweiten Vorrats von Acentanhyrid aus, eine vergleichsweise kleine Menge, die schwierig nachzuverfolgen ist.

Die Internationale Gemeinschaft arbeitet schon lange an dem Problem, sieht sich aber mit großen Herausforderungen konfrontiert. Wir stehen zahlreichen Scheinfirmen gegenüber, die als Verteilerstellen agieren. Diese Unternehmen dienen der Tarnung vieler anderer Scheinunternehmen. Die Versorgungsketten sind lang, kompliziert und schwierig aufzubrechen.

In den Jahren 2007 bis 2012 wurden weltweit im Durchschnitt etwa 130 Tonnen Acetanhydrid pro Jahr beschlagnahmt. In Westasien, hauptsächlich in Afghanistan, sowie in Europa, Nordamerika, und Südostasien wurden die größten Mengen konfisziert. Die Ausgangsstoffe zu verfolgen, erfordert großen Einsatz und beträchtliche finanzielle Mittel.

Studien in Ungarn haben gezeigt, dass die Überwachung von Orten, an denen Acetanhydrid gelagert wird, mehr als 1000 Euro täglich kostet. Solche Beschattungen aber können sich unter Umständen über Monate hinziehen. Im Gegensatz zu Strafverfolgungsbehörden, die unter erheblichem finanziellen Druck stehen, können kriminelle Netzwerke abwarten, da sie wissen, dass solche Aktionen nicht ewig andauern können.

Drogenhändler nutzen Transit-Schlupflöcher und beherrschen es die Transportrouten der Chemikalie zu verschleiern. Wir müssen genauso gekonnt agieren, um diese Schlupflöcher zu schließen und unsere Zollkontrollen zu verstärken. Kontrollmöglichkeiten gibt es bereits: Ausfuhrbescheide etwa, durch die sich Herkunfts-, Transit-, und Zielländer gegenseitig über die Transportrouten der Chemikalie informieren, existieren, müssen aber systematischer angewendet werden. Koordination und Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Strafverfolgungsbehörden müssen tiefgreifend und dauerhaft sein.

Die Umsetzung stellt bedauerlicherweise das größte Problem dar. Alle Länder müssen große Anstrengungen unternehmen, um ihrer Rolle in der Nachverfolgung von Acetanhydrid nachzukommen. Außerdem müssen Ausgangsstoffe einen höheren Stellenwert auf der Liste der internationalen Prioritäten einnehmen.

Es ist von größter Wichtigkeit, dass jedes Land Heroinkonsum als ein anhaltendes Gesundheitsproblem versteht und sich auf Prävention und die Behandlung von Drogenabhängigen konzentriert. Wir können diese Verfahrensweise unterstützen indem wir sicherstellen, dass Opiate gar nicht erst mit Acetanhydrid kombiniert werden.

Der Russe Yuri Fedotov steht seit 2010 dem UN-Büros für Drogen- und Kriminalitätsbekämpfung (UNOCD) vor. Das UNODC wurde 1997 gegründet und hat weltweit etwa 500 Mitarbeiter.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: