Dreieltern-Kind:Großbritannien bricht ein Tabu

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So funktioniert die Methode. (Foto: Quelle: HFEA/SZ-Grafik: Eiden)

Ein Baby mit dem Erbgut von drei Eltern: In Großbritannien wird diese Methode der künstlichen Befruchtung wohl bald seltene Krankheiten verhindern. Doch wer heute Leiden vorbeugen will, könnte morgen die Persönlichkeit von Menschen bestimmen.

Ein Kommentar von Andreas Zielcke

Was diese Woche vom britischen Unterhaus beschlossen wurde, betrifft nur eine kleine Gruppe, vielleicht 20 oder 30 Mütter im Jahr: dass ein Kind künftig durch eine künstliche Befruchtung aus dem Erbgut von drei Menschen gezeugt werden darf. Die Mütter leiden unter einem seltenen Defekt der Mitochondrien in ihrem Erbgut, der oft auf den Nachwuchs übertragen wird und schwere Krankheiten auslösen kann. Doch trotz der kleinen zahlenmäßigen Relevanz wundert es nicht, dass das Gesetz (das noch vom Oberhaus zu billigen ist) eine fundamentale Debatte in Gang bringt.

Es ist das erste Mal, dass ein Gesetzgeber den Eingriff in das Genom und die Kombination zweier mütterlicher DNA-Anteile zulässt, um Erbkrankheiten des gezeugten Kindes zu vermeiden. Nachdem die USA diese Gentherapie vorerst um der besseren Erforschung willen gestoppt haben, ist Großbritannien das einzige Land, das den Damm bricht. In Deutschland ist schon das Spenden von Eizellen verboten - und damit auch die Vermischung von Teilen einer gespendeten Eizelle mit dem mütterlichen Erbgut.

So klein die vom Austausch der defekten Mitochondrien begünstigte Gruppe von Müttern ist, so bedeutend sind die Optionen, denen diese Gestaltung des Erbguts die Türe öffnet. Und so folgenschwer sind vor allem die ethischen Implikationen. Dabei ist, wenn man den Erklärungen der Genetiker vertrauen kann, die verdoppelte Mutterschaft noch das geringste Problem. Es werde, heißt es, weniger als ein Prozent der DNA der gespendeten Eizelle übertragen, und dieser Anteil sei für Charakter, Intelligenz und Aussehen des gezeugten Kindes ohne Bedeutung. Da die ins Erbgut eindringende Therapie - trotz einiger bereits existenter amerikanischer "Dreieltern-Kinder" - bisher systematisch nur an Tieren erforscht wurde, steht die belastbare Probe aufs Exempel beim Menschen noch aus.

Erzieherische Bevormundung lässt sich vielleicht noch korrigieren - genetische nicht

Weitaus gravierender sind die ethischen Fragen, die solche Genmanipulationen aufwerfen. Ein britischer Professor für "Bioethik" und Befürworter des Eingriffs argumentiert, dass die natürliche Fortpflanzung im Vergleich zur genetisch gesteuerten eine reine "Gen-Lotterie" darstelle mit unabsehbaren Folgen für das Kind - daher nach heutigen Maßstäben in Ethikkommissionen keine Chance mehr haben dürfte. Wenn auch sarkastisch, bringt er damit das ganze Dilemma auf den Punkt.

Zum einen: Lassen sich Techniken zur Verhütung von schweren Erbkrankheiten als "negative Eugenik" eindeutig genug abgrenzen von Techniken "positiver Eugenik", also von der gezielten Optimierung der genetischen Ausstattung des Nachwuchses (gegen die sich aus bekannten Gründen alle Welt ausspricht)? Prinzipiell wohl nicht, auch wenn die Vermeidung schwerer Krankheiten nicht nur ein höchst legitimes Ziel, sondern moralisch verpflichtend ist.

Zum anderen: Es ist gerade die natürliche "Gen-Lotterie", die der menschlichen Freiheit paradoxerweise ihre Basis gibt. Können Eltern über das Erbgut nach Gutdünken verfügen, und sei es zum "besten Wohle des Kindes", statt dem Zufall seinen Lauf zu lassen, verfügen sie vorab über die Persönlichkeit ihrer Kinder. Erzieherische Bevormundung kann der Heranwachsende im Zweifel korrigieren, genetische Bevormundung nicht mehr.

© SZ vom 07.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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