Chirurgische Eingriffe:Tod nach der OP

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Nach Routine-Operationen sterben in Europa mehr Menschen als bislang vermutet. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern sind allerdings beträchtlich, berichten britische Forscher. Vier Prozent der Patienten sind es europaweit, in Deutschland liegt der Anteil deutlich darunter.

Werner Bartens

Bisherige Schätzungen zu Risiken im Krankenhaus waren offenbar zu optimistisch. Einer neuen Studie zufolge sterben in Europa deutlich mehr Menschen nach einer Operation, als Ärzte bisher angenommen haben. Dies ist das überraschende Ergebnis einer großen Untersuchung, die an diesem Freitag im Fachmagazin Lancet erscheint (Bd. 380, S. 1059, 2012).

In Europa sterben mehr Menschen in Folge einer Operation als Ärzte bisher dachten. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Gegenüber bisherigen Schätzungen von zwei Prozent Todesfällen in Europa kommen die Forscher um Rupert Pearse von der Universität London in ihrer Auswertung auf eine doppelt so hohe Mortalität: Demnach sterben vier Prozent der Menschen nach chirurgischen Eingriffen. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern beträchtlich.

Das internationale Forscherteam hat Daten von 46.000 Kranken aus 500 Krankenhäusern in 28 Ländern Europas gesammelt, die alle im April 2011 operiert worden waren und deren weiteres Befinden zwei Monate lang beobachtet wurde. Aus Deutschland wurden mehr als 5200 Patienten für die Analyse berücksichtigt. Die meisten Operationen waren Routineeingriffe. Kranke, die an Herz oder Gehirn operiert wurden, gingen nicht in die Auswertung ein; die meisten Eingriffe waren geplant und kein Notfall. Todesfälle waren häufiger bei schweren Eingriffen und nicht geplanten Operationen.

Der Untersuchung zufolge sind europaweit vier Prozent der Patienten gestorben. Das sind doppelt so viele, wie in Folge eines herzchirurgischen Eingriffs sterben, nach dem die Patienten allerdings routinemäßig auf die Intensivstation verlegt werden. Am besten schnitten Island (1,2 Prozent), Norwegen (1,5 Prozent), Schweden (1,8 Prozent), Finnland (2,0 Prozent), die Schweiz (2,0 Prozent) und die Niederlande (2,0 Prozent) ab.

Bald nach dieser Spitzengruppe folgt Deutschland mit 2,5 Prozent Todesfällen nach Operationen. Am Ende der Tabelle stehen Lettland, Polen und die Slowakei. In allen drei Ländern liegt der Anteil der Operationen mit Todesfolge im zweistelligen Prozentbereich. Aber auch in Italien (5,3 Prozent), Irland (6,4 Prozent), Rumänien (6,8 Prozent) und Kroatien (7,4 Prozent) ist die Mortalitätsrate hoch.

"Fast drei Viertel der Patienten, die nach der Operation gestorben sind, wurden nie auf eine Intensivstation verlegt", sagt Rupert Pearse. "Oftmals wird im Krankenhaus nicht erkannt, welche Patienten besonders intensive Betreuung nach der Operation brauchen." Den Zustand der Patienten richtig einzuschätzen, ist offenbar in vielen europäischen Kliniken ein Problem: Zahlreiche Patienten waren zu früh von der Intensiv- auf eine Normalstation zurückverlegt worden und starben dann dort.

Zudem stehen in Europa unterschiedlich viele Intensivbetten pro Einwohner zur Verfügung. Mit diesem Umstand erklären die Autoren, dass in Deutschland, wo es überdurchschnittlich viele Intensivstationen gibt, mit 2,5 Prozent deutlich weniger Menschen nach Operationen sterben als in Großbritannien, wo die Quote 3,6 Prozent beträgt.

In einer Stellungnahme für den Lancet zählen die Chirurgen René Vonlanthen und Pierre-Alain Clavien jene Faktoren auf, die das Risiko verringern, dass Patienten nach der Operation sterben. So ist die Mortalität geringer, wenn Chirurgen Sicherheitschecklisten benutzen und viel Erfahrung mit der jeweiligen Operation wie auch im Umgang mit Komplikationen haben.

© SZ vom 21.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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