Zeche Zollverein:Kultur statt Kohle

Fahrradfahren im Ruhrgebiet

Das Gelände der Zeche Zollverein, ehemals größte Steinkohlenzeche der Welt, wurde komplett umgestaltet.

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Wo früher jeden Tag die Kumpel einfuhren, drängen sich heute die Touristen. Die Organisatoren in Essen zeigen, wie Flächen neu genutzt werden können.

Von Peter Poguntke

Wer in den vergangenen Jahrzehnten an Kohlebergbau gedacht hat, der hat damit sicher nicht Kunst und Kultur identifiziert. Dies hat sich in der ehemaligen Zeche Zollverein in Essen mittlerweile grundlegend geändert. Wo früher jeden Tag die Kumpel einfuhren, um unter Tage nach dem schwarzen Gold zu schürfen, drängen sich heute die Touristen. Das Unesco-Weltkulturerbe verzeichnet schon etwa zweieinhalb Jahre vor seiner offiziellen Eröffnung im September 2017 als komplett neu gestaltetes Gelände 1,5 Millionen Besucher, das ist die zweitgrößte Touristenzahl an Rhein und Ruhr nach dem Kölner Dom.

Das Besondere an dem einstigen Steinkohlerevier: Die Zeche ist weit mehr als ein Industriedenkmal, sie bildet ein anschauliches und vor allem begehbares Musterbeispiel, wie Flächen, die ursprünglich einem völlig anderen Zweck dienten, mit einer neuen Ausrichtung wieder nutzbar gemacht werden können. "An einem Ort verbinden sich hier Kunst, Kultur und Arbeiten", betont Professor Hans-Peter Noll, Vorsitzender der Geschäftsführung der RAG Montan Immobilien, die die Zeche Zollverein aufbaut, betreibt und später auch betreuen wird. Einige Beispiele für die geplante künftige Nutzung: Die RAG selbst wird in den nächsten beiden Jahren dort ihren Hauptsitz nehmen, die Folkwang-Universität der Künste wird dort einmal 500 Studierenden einen akademischen Ausbildungsplatz bieten, außerdem wird die Zahl der bisher dort ansässigen 200 Unternehmen aus dem Kreativbereich weiter steigen.

Für die Besucher bietet sich bereits heute ein faszinierender Blickfang, und zwar in Gestalt der früheren Zentralkokerei, die einmal die größte Europas war. Je nach Jahreszeit in der Nacht unterschiedlich beleuchtet - rot im Sommer, blau im Winter - dient sie während der warmen Monate als Promenade, während der kalten als Eislaufbahn. Kein Wunder, dass viele Experten den Essener Zollverein als die "schönste Zeche der Welt" bezeichnen.

Die Schönheit ihres Projekts alleine genügt denjenigen, die das Konzept für die neue Nutzung der Zeche umsetzen, allerdings bei Weitem nicht. "Bei jedem Aufbau auf dem 10 000 Hektar großen Gelände denken wir bereits an den Rückbau", umreißt Noll die RAG-Planungsrichtlinien, die sich in vollem Umfang an der Cradle-to-Cradle-Philosophie (C2C) orientieren. Danach wird angestrebt, jeden verwendeten Rohstoff immer wieder in der gleichen Güte neu einzusetzen. Die Zeche Zollverein befinde sich auf dem besten Weg, so Noll, ein Vorzeigeprojekt von C2C zu werden. Das zweite C2C-Forum der Unternehmensberatung Drees & Sommer, die diese Philosophie zusammen mit anderen entwickelt hat und vorantreibt, war deshalb in diesem Jahr der geeignete Ort, die Arbeit der RAG in Essen vorzustellen.

"Unser Campus wird ein Rohstofflager", sagt Noll. Die RAG wisse genau, wo welches Material verbaut werde. Die Gebäudeenergie wird über Photovoltaik und Windräder auf dem Gelände gewonnen. Die hohe Bedeutung der Umwelt zeigt sich darüber hinaus bei zwei auf diesem Gebiet exponierten Partnern der RAG, dem Naturschutzbund (Nabu), der regen Anteil an der Landschaftsgestaltung nimmt, und dem örtlichen Stadtbienennetzwerk, zu dem 17 Imker gehören. Aufgrund der Tatsache, dass sich die Bienen hier wohlfühlen, zählt dadurch die Honig-Wirtschaft zu den zahlreichen neuen Aktivitäten auf dem historischen Zechengelände, unter dessen Oberfläche noch immer 6200 Schächte laufen.

Wo sich jahrzehntelang alles nur um die Gewinnung von Steinkohle drehte und sich der Kohlestaub auf Gelände und Umgebung legte, soll, wie es RAG-Montan-Immobilien-Chef Noll ausdrückt, "eine Insel in der Stadt entstehen, die in die anderen Stadtteile ausstrahlt".

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