Wohnungssuche:Am Ende hilft der Hund

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Skelett an einer Kölner Hauswand, aufgenommen im November 2013. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Dachterrasse ohne Sonnenbrand und die unwiderstehliche Aussicht auf Bahngleise: Was man in Großstädten derzeit so alles mit Vermietern und Maklern erleben kann. Zum Beispiel in Köln.

Von Bärbel Brockmann

Eine Mietwohnung zu finden ist heute in vielen Städten ein Projekt, bei dem man einen langen Atem haben muss. Dabei sieht es auf den ersten Blick ganz einfach aus. Es gibt zahlreiche Internetportale, die scheinbar über ein Riesenangebot an Wohnungen verfügen. Man setzt einen Filter, und schon wird eine große Anzahl von Wohnungen angezeigt, mit Fotos, detaillierter Objekt- und Umgebungsbeschreibung, Mietpreisvergleichen und Umzugsservice. Wer sich bloß einen groben Überblick verschaffen will, mag denken "alles nicht so schwierig". Schwierig wird es erst, wenn es ernst wird.

Wer zum Beispiel im gerade beliebten Kölner Stadtteil Sülz eine Wohnung mit Balkon sucht, die mindestens 100 Quadratmeter hat, aber nicht mehr als 1300 Euro Kaltmiete kosten soll, der bekommt fünf bis sieben Angebote angezeigt, in einem Stadtteil mit 36 000 Einwohnern nicht gerade viel. Wird der Suchkreis auf angrenzende Stadtteile erweitert, erhöht sich die Zahl der Angebote vielleicht auf 20.

Darunter werde sich dann wohl etwas Passendes finden, denkt der Such-Anfänger noch ganz optimistisch und antwortet schnell auf die Kontaktadressen der Anbieter. Das waren früher meistens Makler. Seit Vermieter die Maklerkosten aber nicht mehr auf den Mieter abwälzen dürfen, sind inzwischen die Angebote "von privat" in der Überzahl. Oft folgt dann die erste Überraschung: Die meisten Anbieter antworten überhaupt nicht. Es sei denn, man hat zuvor schon, freiwillig, ein Profil von sich erstellt, in dem man neben der Adresse auch Auskunft gibt über das monatliche Einkommen, die Art des Arbeitsverhältnisses, den Familienstand und über Haustiere. Die meisten dieser Angaben zu diesem frühen Zeitpunkt abzufragen, ist unzulässig, deshalb setzen Vermieter auf die Freiwilligkeit. Aber ohne Auskunft gibt es in den meisten Fällen keine Besichtigung.

Die Wohnung ist toll. Und liegt 45 Kilometer entfernt im Bergischen Land

Hat man es tatsächlich geschafft und einen Besichtigungstermin ergattert, kommt die nächste Überraschung. "Großzügig geschnittene Räume" entpuppen sich als schmale Kammern, fürs Foto mit einem Ultra-Weitwinkel aufgenommen. Die gepriesene Dreifachverglasung ist zwar vorhanden, aber nur, weil man sonst in der Wohnung sein eigenes Wort nicht verstünde. Die Südlage des Balkons und der Ausblick ins Grüne sind richtig beschrieben. Nur fehlt der Hinweis, dass hinter der grünen Wiese der Kölner Autobahnring verläuft. Manche Anbieter preisen auch eine Dachterrasse nach Norden an, weil man sich dort keinen Sonnenbrand holen kann und einen Fußboden, auf dem nur Estrich liegt, als Möglichkeit, alles nach eigenem Geschmack zu gestalten. Bei Altbauten ist es "einfach charmant", wenn man auf den Balkon nur über das Badezimmerfenster gelangt und von dort dann, in Sichtweite vom Kölner Hauptbahnhof, auf 40 parallel laufende Gleise blickt. Schön für Eisenbahnfreaks. Ein Albtraum für den, der nachts ein Fenster öffnen möchte.

Aber es gibt ja nicht nur das Internet. Wer eine schöne Wohnung zu einem bezahlbaren Preis in der Stadt haben will, muss schließlich auch kreativ sein. Ein Inserat in der Zeitung erreicht auf klassischem Weg sicher die Vermieter, die eine schöne Wohnung vermieten wollen, sich aber mit den modernen Vermarktungsmethoden nicht so gut auskennen. Auf die Annonce "Solventes Ehepaar sucht helle Drei-Zimmer-Wohnung in Köln-Sülz oder angrenzenden Stadtteilen" meldet sich als Erste eine Vermieterin aus Engelskirchen, 45 Kilometer entfernt im Bergischen Land. Eine sehr schöne helle Wohnung hat sie anzubieten, in der Kölner Innenstadt sei man mit dem Auto - außer im Berufsverkehr - in einer guten halben Stunde und mit der Bahn sei man, normalerweise, in derselben Zeit am Kölner Hauptbahnhof. Und überhaupt: Wer wolle schon mitten in der Stadt wohnen?

Viele. Das aktuelle Stadtentwicklungskonzept Wohnen der Stadt Köln geht davon aus, dass von 2015 bis 2029 etwa 66 000 zusätzliche Wohnungen gebraucht werden. Allein bis 2019 wird der Mehrbedarf auf etwa 30 000 Wohnungen geschätzt. Bis zum übernächsten Jahr müssten daher jährlich etwa 6000 neue Wohnungen entstehen. 2015 und 2016 waren nach Angaben des Haus- und Grundbesitzervereins aber bloß knapp 4000 Baufertigstellungen zu verzeichnen.

Abzuwarten, bis sich die Angebotssituation entspannt, ist für Wohnungssuchende also keine Option. Man muss andere Wege gehen, und das tun viele. Einige Makler klagen schon darüber, dass sie, kaum dass sie eine Wohnung auf ihrer Website oder in einem Immobilienportal eingestellt haben, von Interessenten scharenweise persönlich aufgesucht werden. Nach der Devise: Der frühe Vogel fängt den Wurm. Erfolgversprechender ist es, gar nicht erst auf Annoncen zu warten, sondern stattdessen die großen Wohnungsgenossenschaften oder Hausverwaltungen abzuklappern. Noch besser: Hausmeister in Wohnanlagen aufspüren und ansprechen. Die wissen meist schon, dass eine Wohnung frei wird, bevor der Mieter gekündigt hat.

Denn eins ist klar: Es gibt viel mehr Wohnungen, als auf dem Markt angeboten werden. Viel mehr als die aktuell etwa 20 in Köln-Sülz. Die meisten Wohnungen gehen unter der Hand weg - durch "Vitamin B". "Der größte Vorteil für Wohnungssuchende sind Kinder und Hunde", sagt Hans Jörg Depel vom Mieterverein Köln mit einem Augenzwinkern. Denn dann kommt man in Kontakt. Der Mieterverein vermittelt selber keine Wohnungen, aber er kennt die Sorgen der Wohnungssuchenden gut. Auf Spielplätzen und im Park kommt man schnell mit Gleichgesinnten zusammen, man erzählt sich was. Der eine hat was gehört, der andere weiß was: Bei uns gegenüber wird demnächst was frei. Da kannst du mal den Vermieter anrufen und dich auf mich berufen. Beziehungen sind bei der Wohnungssuche Gold wert. Ob man dann aber tatsächlich als Familie mit zwei kleinen Kindern oder als Halter eines Rottweilers die freie Wohnung auch bekommt, steht noch mal auf einem anderen Blatt.

© SZ vom 12.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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