Wirtschaftskrise:Abkassieren wie immer

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Die Jongleure in den Handelssälen der Finanzmetropolen haben das Feuer gelegt, und kaum ist es unter Kontrolle, drehen sie schon wieder das große Rad.

Nikolaus Piper

Der Gipfel der Finanzkrise mag überwunden sein, aber die Wut über die Banker wächst. Kein Wunder: Die Jongleure in den Handelssälen von New York, London und Frankfurt haben die Welt in Brand gesteckt, und kaum ist das Feuer einigermaßen unter Kontrolle, drehen sie schon wieder das große Rad. Sie häufen Risiken an und genehmigen sich Bonuszahlungen, so, als wäre nichts geschehen.

Die wichtigsten Infos auf schnellem Blick: Die Wall Street ist immer in Bewegung. (Foto: Foto: AFP)

Das ist auch ein Klischee, gewiss, aber es ist im Kern richtig - mit einer wichtigen Einschränkung allerdings: Der Halbsatz "so, als wäre nichts geschehen" beruht auf einem Missverständnis.

In Wirklichkeit versuchen die Banken gerade, die Lehren aus der Krise zu ziehen: möglichst schnell möglichst viel Geld verdienen, um sich gegen neue Schocks zu wappnen. Sie konzentrieren sich auf das Geschäft, das die höchsten Renditen verspricht - die Spekulation mit riskanten Wertpapieren.

Ein wenig ähnelt ihr Verhalten dem eines Mannes, der seinen Kater dadurch zu bekämpfen sucht, dass er am Morgen nach der Party weitersäuft.

Insofern sind die Boni und andere Exzesse kein Zeichen dafür, dass die alten Zeiten an der Wall Street wiederkehren, sondern dafür, dass die Krise noch lange nicht vorbei ist. Und das macht die Lage brandgefährlich.

Die große Krise ist einst wegen der Illusion des schnellen Geldes ausgebrochen, die Banken brachen zusammen, weil der Zeithorizont ihrer Entscheidungen immer kürzer geworden war, und weil sie geglaubt hatten, Risiken kalkulieren zu können, die in Wirklichkeit kein Mensch beherrschen kann.

Noch kurzsichtiger

Eigentlich wissen daher alle, dass der Zeithorizont in den Unternehmen größer werden muss, wenn sich eine ähnliche Katastrophe nicht wiederholen soll. Tatsächlich jedoch ist die Perspektive in der Krise noch kurzsichtiger geworden.

Dies hat eine wenig beachtete Studie aus den Vereinigten Staaten belegt. Die Unternehmensberatung James F. Reda aus New York untersuchte die Geschäftsberichte von 200 großen amerikanischen Unternehmen und versuchte herauszufinden, wie sich die Bezahlung der Manager durch die Krise verändert hat.

Das schockierende Ergebnis: Die Anreizsysteme werden in diesem Jahr nicht etwa langfristiger orientiert sein, wie man nach all den hehren Worten der vergangenen Monate hätte hoffen können, sie werden kurzfristiger. Richtig wäre es zum Beispiel, Boni in Form von Aktien zu gewähren, die dann drei bis fünf Jahre lang nicht verkauft werden dürfen.

Tatsächlich werden jedoch immer mehr Boni bar ausgezahlt. Für die Manager lohnt es sich also, auf den schnellen Dollar zu setzen und die Risiken dabei zu vergessen. Die Firmen machen all dies nicht aus bösem Willen, sondern weil es sich für sie rentiert.

Bei der Studie kam zum Beispiel heraus, dass die Anreize umso kurzfristiger waren, je mehr der Aktienkurs zuvor eingebrochen war. Das Management wurde ermutigt, den Kurs in die Höhe zu treiben, koste es, was es wolle. Umgekehrt wurde Vorsicht bestraft. Die Investmentbank Morgan Stanley erwirtschaftete im zweiten Quartal unerwartete hohe Verluste. Deren Chef John Mack räumte daraufhin ein, die Händler seien "zu konservativ" geworden.

Der Drang zum schnellen Geld im Auslauf der schwersten Wirtschaftskrise seit 80 Jahren ist deshalb so gefährlich, weil die Verhältnisse alles andere als normal sind. Den Regierungen und Notenbanken ist es zwar gelungen, mit Konjunkturprogrammen und massiver Geldschöpfung die Lage zu stabilisieren.

Jede Menge Fehlanreize

Das bedeutet aber, dass die Wirtschaft auf unabsehbare Zeit von der staatlichen Geldschwemme lebt. Und das setzt jede Menge Fehlanreize, zum Beispiel den, das viele Geld als Subvention anzunehmen. Es wird damit immer schwerer, die Geld- und Finanzpolitik im angemessenen Tempo zu normalisieren.

Dem Drang nach dem schnellen Geld in den Firmen entspricht ein Hang zur Kurzfristigkeit in der Politik und der Öffentlichkeit. Manch einer tut jetzt so, als sei die Krise schon vorüber und man könne sich wieder anderen Dingen widmen.

Zum Glück hat die Bundesbank unmissverständlich klar gemacht, wie gefährlich die Lage noch ist. Besonders bedenklich stimmt, dass ausgerechnet in Washington der Wille erkennbar nachgelassen hat, die lange beschworene Neuregulierung der Finanzmärkte auch wirklich durchzusetzen.

Bei systemrelevanten Banken ist die Lage anders

Es ist nicht mehr auszuschließen, dass die USA dank der Lobbyarbeit der Wall Street ein ziemlich verwässertes Gesetz verabschieden. Dabei zeigen gerade die vergangenen Wochen, wie nötig diese Neuregulierung ist: Strengere Eigenkapitalvorschriften verlängern automatisch den Zeithorizont bei Bankgeschäften.

Strenge staatliche Vorgaben können exzessive Anreizstrukturen in Banken verhindern. Generell sollte sich der Staat zwar aus der Bezahlung der Manager heraushalten. Wenn Aktionäre bereit sind, Vorständen übertriebene Gehälter zu bezahlen, sollte man sie nicht daran hindern. Bei systemrelevanten Banken ist die Lage jedoch anders. Jeder weiß, dass sie im Ernstfall vom Staat gerettet werden müssen, also muss der Staat auch Fehlanreize verhindern.

In einem Monat tritt in Pittsburgh der nächste Weltfinanzgipfel zusammen. Es wäre fatal, wenn dort verbindliche Beschlüsse zur Zukunft der Finanzmärkte ausbleiben würden.

© SZ vom 21.08.2009/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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