Wenn Einbrecher kommen:Angriff auf die Burg

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Der Schaden nach einem Einbruch geht oft über das Materielle hinaus. Viele Opfer brauchen Hilfe.

Von Ingrid Brunner

"Oft wache ich nachts auf und glaube, sie kommen wieder. Der Zustand ist grausam." So beschreibt ein Einbruchsopfer seine Gefühle Monate nach dem Geschehnis. Ein Einbruchdiebstahl ist für die meisten Betroffenen ein Schock: Zerwühlte Wäsche, aufgebrochene Schränke, Vandalismus, der materielle Verlust und der von persönlichen Gegenständen machen oft fassungslos und wütend.

Kommt der Täter nicht innerhalb von zwei bis fünf Minuten in das Gebäude, bricht er meist ab und wendet sich dem nächsten Objekt zu. (Foto: Foto: ddp)

Doch bei einigen geht mehr zu Bruch als das gute Geschirr. Auch nachdem die Wohnung wieder aufgeräumt ist, zerbrochene Glasscheiben ersetzt und aufgebrochene Türen repariert sind, kommen sie über das Erlebte nicht hinweg. Sie entwickeln Beschwerden, die therapeutische Behandlung erfordern: Die einen leiden unter Schlaflosigkeit, Alpträumen, Ruhelosigkeit und Schreckhaftigkeit. Andere werden ängstlich, depressiv und können nicht mehr allein bleiben. Auch Kopfschmerzen, Herz-Kreislauf-Beschwerden oder Magen-Darm-Probleme können die Folge sein. "Sechzig bis siebzig Prozent stecken das gut weg", schätzt der Psychologe Günther Deegener, während andere etwas länger brauchten, das Erlebte zu verkraften, "aber für fünf bis zehn Prozent ist die Belastung so groß, dass sie einen Arzt benötigen."

Tiefsitzende Verunsicherung

Deegener ist den psychischen Folgeschäden nach Wohnungseinbruch in seinem gleichnamigen Buch nachgegangen, das der Weiße Ring bereits 1996 in der Reihe Mainzer Schriften zur Situation von Kriminalitätsopfern herausgegeben hat. Er befragte Betroffene, wertete Fallbeispiele aus und kam zu dem Schluss, dass die Opfer eines Einbruchdiebstahls und solche eines Raubüberfalls emotional ähnlich stark reagierten.

Die Heftigkeit der Gefühle erklärt Deegener mit einer tiefsitzenden Verunsicherung, die das Einbruchserlebnis auslöse: "Unser Heim ist unsere Burg, dort fühlen wir uns sicher, wenn diese Schranke fällt, dann ist das bedrohlich." Dieser Übergriff, das Eindringen in die Privatsphäre ist es, das viele Opfer traumatisiert. "Größer als der materielle Schaden ist der psychische. Schon allein der Gedanke, dass fremde Hände in unseren persönlichsten Sachen rumwühlten, tut weh."

Die Gesamtheit der Erfahrungen und deren Wechselwirkungen führen bei manchen Geschädigten zu dauerhaften psychosozialen und psychosomatischen Schäden. Einige fühlen sich von der Polizei im Stich gelassen. "Zuzüglich zu dem Schaden...noch der Ärger mit der Polizei, von der man den Eindruck gewinnt, dass sie gar nicht aufklären will", schildert ein Betroffener in Deegeners Buch seine Erfahrungen. Andere glauben, von der Versicherung "betrogen" worden zu sein: "Man kann sich weder vor Dieben ausreichend schützen, noch vor unseriösen Versicherungen." All dies schürt die Angst, es könnte wieder passieren.

Bei manchen Betroffenen wird diese Angst übermächtig und entwickelt eine Eigendynamik. Der verstorbene Eduard Zimmermann, vielen Zuschauern bekannt als ehemaliger Moderator der Fernsehsendung "Aktenzeichen XY...ungelöst" und Gründer des Opferschutzverbands "Weißer Ring", nannte dies einmal die "Folgen eines einzigen Einbruchs, die in keiner Kriminalstatistik zum Ausdruck kommen".

Wen es treffe, sei schwer vorherzusagen, erklärt Deegener. Eine Rolle spiele dabei die eigene Lebensgeschichte, etwa wie gut man in der Kindheit gelernt habe, mit Stress und Konflikten umzugehen. Wer auch sonst erfolgreiche Konfliktstrategien habe, komme mit der Einbruchssituation besser zurecht als konfliktunfähige Menschen, oder solche, die dazu neigten, die Schuld immer bei sich selbst zu suchen. Auch die persönliche Situation im Beruf und im privaten Umfeld spiele eine Rolle: Einsamkeit, gesundheitliche Probleme oder Existenzängste könnten ausschlaggebend sein.

Wenn Täter und Opfer aufeinander treffen

Glücklicherweise kommt es in den seltensten Fällen zu einer Konfrontation zwischen Täter und Opfer. "Neunzig Prozent der Einbrüche finden bei Abwesenheit statt", erklärt Helmut Rieche, der Vorsitzende der Initiative für aktiven Einbruchschutz "Nicht bei mir!". Was aber tun, wenn man einen Dieb auf frischer Tat ertappt? "Auf keinen Fall den Täter angreifen, festhalten oder gar verfolgen", warnt Rieche. Statt dessen solle man Ruhe bewahren, sich außer Gefahr bringen und die Polizei rufen.

Diesen Rat hätte ein Familienvater in Nordbayern besser beherzigen sollen, wo es vergangenen August zu einer dramatischen Begegnung mit Einbrechern gekommen war: Der Vater stürzte sich auf die Einbrecher, die Mutter verschanzte sich im Schlafzimmer und rief die Polizei, während die Kinder in ihrem Zimmer sich selbst überlassen blieben. Noch heute sind die Teenager nicht in der Lage, nachts allein zu bleiben.

Doch auch ohne die direkte Begegnung sei ein Einbruch eine Erfahrung, die vielen Betroffenen zu schaffen macht. 87 Prozent von ihnen haben Angst, erneut Opfer eines Einbruchs zu werden. Ein Polizist, der selbst von einem Einbruch betroffen war, sagte dazu: "Am schlimmsten war es für die Kinder, die haben heute noch Angst, wenn draußen ein Ast knackt."

Alle zwei Minuten wird in Deutschland eingebrochen - in Wohnungen, Häuser, Büros, Werkstätten und Lagerhallen. Nicht einmal jeder fünfte Einbruch wird aufgeklärt. Die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik 2008 des Bundesinnenministeriums stellt zwar eine geringfügige Abnahme von Wohnungseinbruchdiebstahl um 0,8 Prozent auf 108.284 Fälle fest. Beunruhigend ist aber der Anstieg der Tageswohnungseinbrüche um 7,1 Prozent auf 42240. Gleichzeitig sank die Aufklärungsquote bei Tageswohnungseinbrüchen 2008. Sie lag bei 17,6 im Vergleich zu 18,6 Prozent im Jahr 2007.

Dennoch geschehen nach wie vor die meisten Einbrüche in der Dunkelheit. Die lichtarme Zeit in Herbst und Winter ist die Hochsaison der Einbrecher. Licht ist daher ein wichtiges Hilfsmittel zur Prävention - etwa durch Bewegungsmelder im Außenbereich oder durch Zeitschaltuhren in der Wohnung, welche die Anwesenheit der Bewohner simulieren.

Entgegen der landläufigen Meinung, dass, wer einbrechen will, dies trotz technischer Sicherungen schafft, scheitern 40 Prozent der Einbruchversuche an gut gesicherten Türen und Fenstern. Denn entscheidend ist der Faktor Zeit: Kommt der Täter nicht innerhalb von zwei bis fünf Minuten in das Gebäude, bricht er meist ab und wendet sich dem nächsten Objekt zu. Darauf weist die Initiative für Einbruchschutz "Nicht bei mir!" hin, die auf der gleichnamigen Webseite Tipps zum Schutz gegen Eindringlinge gibt ( www.nicht-bei-mir.de).

In vielen Bundesländern bietet die Kriminalpolizei kostenlose Beratung und eine Sicherheitsanalyse der Wohnung ( www.polizei-beratung.de/rat_hilfe/beratungsstellen).

Der Weiße Ring bietet Opfern eines Wohnungseinbruchs bundesweit vielfältige Hilfen, zum Beispiel Beratungsschecks für eine anwaltliche sowie eine psychotraumatologische Erstberatung (Tel.01803 / 343434).

© SZ vom 30. 10. 2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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