Trotz Finanzkrise:EZB lässt Leitzins unverändert

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Die Entscheidung war mit Spannung erwartet worden - am Ende blieb die Europäische Zentralbank standhaft. Der Leitzins für den Euroraum bleibt vorerst unverändert.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat auf ihrer Sitzung beschlossen, den Leitzins im Euro-Raum unverändert bei 4,25 Prozent zu belassen. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet begründete den Beschluss des EZB-Rats mit der weiter besorgniserregend hohen Teuerung in den Ländern der europäischen Währungsunion. Allerdings habe der Inflationsdruck zuletzt nachgelassen. Dem gegenüber habe die Finanzkrise mittlerweile markante Bremsspuren in der Konjunktur hinterlassen. "Die wirtschaftliche Aktivität in der Euro-Zone schwächt sich ab", sagte Trichet. Auch die Aussichten für die Wirtschaft hätten sich spürbar verschlechtert.

Die Europäische Zentralbank hält an ihrer Strategie fest. (Foto: Foto: AP)

Trichet machte klar, dass die anhaltend hohe Inflation die Währungshüter davon abgehalten habe, Finanzsystem und Realwirtschaft mit niedrigeren Zinsen unter die Arme zu greifen. "Die Aufwärtsrisiken für die Preisstabilität haben sich etwas abgeschwächt, sind aber nicht verschwunden." Der EZB-Rat habe jedoch angesichts der Verschärfung der Finanzkrise und der dunklen Konjunkturwolken ausführlich über die beiden Alternativen diskutiert, die Zinsen nicht zu verändern oder zu senken. "Wir haben eine Zinssenkung erwogen."

Unsichere Lage

Angesichts der hohen Anspannung an den Geldmärkten und immer neuer Fälle von Banken, die vom Staat gerettet werden müssen, sei die Lage "außergewöhnlich unsicher", sagte Trichet. Gerade in einer solch angespannten Situation sei es aber notwendig, sich klar zu machen, wie wichtig stabile Preise für die Wirtschaft seien. Allerdings: "Wir haben eine Abschwächung des Wachstums. Die Kombination von Unsicherheit und weniger Wachstum bedeutet einen geringeren Aufwärtsdruck für die Preise."

Die Teuerungsrate in der Eurozone ist im September den zweiten Monat in Folge gesunken. Nach einer Schätzung von Eurostat betrug der Preisauftrieb im September 3,6 Prozent, nach 3,8 Prozent im August und einem Rekordhoch von 4,1 Prozent im Juli.

Die EZB folgt damit nach wie vor nicht der Marschroute der US-Notenbank Fed, die seit Beginn der Finanzkrise den Leitzins für die USA aggressiv gesenkt hatte. Wegen der mittlerweile auch in Europa angekommenen Krise und der Konjunkturschwäche waren zuletzt Forderungen nach einer Zinssenkung durch die EZB immer laut geworden.

Bereits seit Juni liegt der Leitzins im Euro-Raum bei 4,25 Prozent, das ist der höchste Stand seit sieben Jahren.

In der Krise der internationalen Finanzmärkte setzten die Zentralbanker um EZB-Chef Trichet bislang darauf, die Banken über kurzfristige Kredite mit frischem Geld zu versorgen. An Zinssenkungen denkt die Bank derzeit nicht.

Trichet hatte noch am Dienstag in einem Interview des französischen Fernsehsenders France-2 bekräftigt: "Wir werden die Preisstabilität sicherstellen." Die Europäer sorgten sich wegen des Anstiegs der Inflationsrate.

Verdi fordert Zinssenkung

Der Dax hat nach dem EZB-Zinsentscheid seine Gewinne größtenteils abgegeben. Der Leitindex pendelte um seinen Vortagesschluss und stieg zuletzt 0,17 Prozent auf 5816 Zähler. Bevor die Zentralbank bekanntgegeben hatte, den Leitzins unverändert zu lassen, hatte er noch ein Plus von rund einem halben Prozent verbucht.

Vor dem Treffen der Zentralbanker hatte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi eine rasche Senkung des Leitzinses im Euro-Raum gefordert. Eine "deutliche" Zinssenkung um 0,5 Prozentpunkte sei überfällig, schrieb die Gewerkschaft in einer Mitteilung. Verdi forderte die EZB auf, wegen der Folgen der Finanzmarktkrise für die europäische Wirtschaft ihrer gesamtwirtschaftlichen Verantwortung gerecht werden. "Jeder Tag, den die EZB weiter zögert, belastet die europäische Wirtschaft", kritisierte Verdi-Chef Frank Bsirske. Wegen der drohenden Kreditklemme würden niedrigere Zinsen gerade für mittelständische Unternehmen eine wirksame Entlastung darstellen.

Die großen Notenbanken der Welt stecken derzeit in einem Dilemma. Auf der einen Seite müssen sie gegen eine hohe Inflationsrate kämpfen, was eigentlich für Zinserhöhungen spricht. Zugleich schwächelt aber die Konjunktur, was wiederum Anlass für eine Senkung sein könnte. Die US-Notenbank Fed verfolgt in der Krise eine andere Strategie als die EZB. Sie senkte die Leitzinsen bis April in mehreren Schritten deutlich auf zwei Prozent, das ist der niedrigste Stand seit 2004.

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