Schrebergärten:Hip statt spießig

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Früher hatten Kleingärtner ein verschrobenes Gartenzwerg-Image. Heute ist das ganz anders, es gibt lange Wartelisten auf eine eigene Scholle. Wer 2018 garteln will, sollte sich jetzt schon darum kümmern.

Von Berrit Gräber

Vor einigen Jahren galten Kleingärtner noch als Inbegriff deutscher Spießigkeit. Auf eingezäunten Parzellen Gemüse anbauen, noch dazu im Verein? Nein danke. Heute ist Garteln auf der eigenen Scholle Kult. Schrebergärten boomen. Von Gartenzwerg-Image keine Spur mehr. Was vor gut 150 Jahren als kostengünstige Selbstversorgung begann, hat sich in Zeiten von Bio-Kost und veganer Ernährung zum Lebensgefühl entwickelt. Vor allem für Großstädter. "Kleingärtner sind von belächelten Spießern zu hippen Trendsettern geworden", sagt Stefan Grundei, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Gartenfreunde in Berlin. Mitten in der Stadt säen, jäten, ernten wird jetzt auch "Urban Gardening" genannt. Der Andrang auf die Schrebergartenkolonien ist riesig, speziell im Westen Deutschlands. Wartezeiten von mehreren Jahren sind keine Seltenheit.

Wer nächstes Jahr eine eigene grüne Oase beackern will, sollte sich am besten jetzt schon darum kümmern, rät Grundei. Der Herbst sei die richtige Zeit, um sich nach einem Stück Pachtland umzuschauen - nicht erst, wenn 2018 im März die Gartensaison wieder losgeht. Vor allem in dicht bebauen Ballungszentren gibt es meist lange Wartelisten. Da ist Geduld gefragt. In München müssten Bewerber bis zu drei Jahre warten, um einen der begehrten Kleingärten zu bekommen, je nach Lage, berichtet Martin Rist, Geschäftsführer des Landesverbands Bayerischer Kleingärtner. "Da gibt es etwa 10 000 Gärten, aber die Vereine könnten locker bis zu 20 000 vergeben." Die etwa fünf Millionen "Laubenpieper" in Deutschland, wie die Hobbygärtner auch genannt werden, geben ihr eigenes Stückchen Erde nur ungern auf. Höchstens aus Altersgründen oder wenn ein Umzug ansteht, ein besserer Standort frei wird.

Die Lust am Anbau von Obst und Gemüse hat vor allem junge Familien mit Kindern gepackt, wie Grundei berichtet. Die Triebfeder für den Schrebergarten-Boom sei nicht allein der Wunsch nach unbelastetem Essen, nach Bio-Gemüse und ungespritztem Obst. "Viele Menschen wollen ihr Leben nicht nur am Schreibtisch verbringen, sondern zum Ausgleich raus in die Natur, mit ihren Händen etwas Eigenes schaffen, dem Nachwuchs zeigen, wie Tomaten wachsen, wie Kürbis gedeiht", sagt Grundei. Die Pächter in den Kolonien stammten aus allen Bevölkerungsschichten, Altersgruppen und Ethnien. "Unter den Kleingärtnern sind auch viele Migranten", schildert Rist den sozialen Effekt. "Pflanzt die syrische Familie auf der Parzelle nebenan eine neue Gemüsesorte an, kommt man schnell ins Gespräch, Garteln verbindet, die Integration gelingt viel besser auf diese Weise."

Für das emsige Werkeln und Miteinander im Grünen nehmen die vielen Millionen Naturfreunde sogar das feste Korsett an Regeln in Kauf, das in allen Schrebergärten Deutschlands herrscht. Wer sich um eine Parzelle bewirbt und den Zuschlag bekommt, dem muss klar sein, dass er zwar viele Freiheiten hat - aber auf seinem eingezäunten Fleckchen Erde trotzdem nicht tun und lassen kann, was er will. Als Erstes muss er Vereinsmitglied werden. Eine Kolonie wird als gemeinnütziger Verein geführt. Und dann sind die Vorschriften des Bundeskleingartengesetzes einzuhalten. Dazu gehört, dass Schrebergarten-Pächter sich verpflichten, auf mindestens einem Drittel ihrer Fläche Obst und Gemüse für den Eigenbedarf anzubauen. Der Verein hat ein Auge darauf, ob diese sogenannte Fruchtquote in den Parzellen auch umgesetzt wird. Ein reiner Ziergarten mit Blumenrabatten und Sträuchern ist verboten - auch wenn er noch so hübsch aussieht.

Tabu ist auch das Halten von Tieren wie Hühnern, Tauben oder Enten. Oder das Anlegen einer reinen Spielwiese für die Kinder. Geht nicht. Dann läge keine Kleingartennutzung mehr vor. Und der Grundstückseigentümer, meist die Stadt, der Bund oder die Deutsche Bahn, könnte schlimmstenfalls das Gelände zurückfordern - und es als Bauland zum Verkauf anbieten. Das will kein Verein riskieren, zumal der Druck auf die Kleingartenflächen in begehrten Wohngegenden wie etwa Berlin ohnehin eher wächst. Grund und Boden in der Stadt ist wertvoll. Viele Kleingärtner fürchten, dass der Wohnungsbau langfristig so manche Kolonie verdrängen könnte.

Übernachten in den Ferien und am Wochenende ist erlaubt, dauerhaft wohnen nicht

Wer sich um ein Fleckchen Erde bewirbt, sollte auch etwas Geld auf der hohen Kante haben. Das Garteln in der Natur ist zwar ein vergleichsweise günstiges Vergnügen, wie Grundei betont. Zum Nulltarif ist das Hobby aber nicht zu haben - auch wenn die Familie das Obst und Gemüse nicht mehr im Supermarkt kaufen muss. Pro Tag fällt im Schnitt etwa ein Euro an Ausgaben an für Pacht, Strom, Wasser, Vereinsbeitrag, Abgabe, sagt Grundei. Das kann sich im Jahr auf fast 400 Euro summieren. Die Pachtpreise variieren dabei je nach Ort und Lage. Vor Wucherpreisen sind Kleingärtner aber geschützt. Laut Kleingartengesetz dürfen sie höchstens mit dem Vierfachen der ortsüblichen Pacht des erwerbsmäßigen Obst- und Gemüseanbaus zur Kasse gebeten werden.

Wer noch nie einen Garten bewirtschaftet hat, muss sich auf weitere Ausgaben für Gartenausstattung und Geräte einstellen: Die Bundesbürger kauften 2016 für mehr als drei Milliarden Euro in Bau- und Gartenmärkten ein. Die Landschaftsbaubranche freute sich über einen Umsatz von 7,5 Milliarden Euro, wie die BHW-Bausparkasse meldet. Unausweichlich ist auch eine einmalige Ablösesumme für die Laube und die Gartenpflanzen des Vorgängers. Die Werte werden nach vorgegebenen Tabellen geschätzt. Auch hier soll es fair zugehen. "Das ist keine Verhandlungssache wie beim Wohnungswechsel", sagt Grundei. In Großstädten muss ein Neu-Pächter dennoch zwischen 3000 und 7000 Euro Ablöse mitbringen, je nach Ausstattung und Lage.

Ein Luxus-Wochenendhäuschen bekommt er dafür allerdings nicht. Auch für die Laube selbst gibt es klare Vorschriften. Heizungen oder Satellitenschüsseln sind verboten. Die Kleingärtner sollen sich ja nicht dauerhaft einquartieren. Übernachten in den Ferien und am Wochenende ist erlaubt, mehr nicht. Größer als 24 Quadratmeter darf die Laube auch nicht sein, überdachte Terrasse inklusive. Hat der Garten weniger als 200 Quadratmeter Fläche, ist oft nur eine kleine Hütte bis zu 18 Quadratmeter erlaubt. Für ältere, größere Lauben gibt es häufig Bestandsschutz, im Osten wie im Westen Deutschlands.

Wichtiger Tipp für Interessenten: Wer sich für einen Schrebergarten interessiert, sollte sich auch fürs Vereinsleben erwärmen können - nicht nur für die eigene Lebensmittelquelle. Dazu gehören gemeinsame Feste, aber auch Arbeitseinsätze, um das Vereinshaus in Schuss zu halten, die Gemeinschaftswege zu pflegen. Wer rechtzeitig die Vereinssatzung liest, weiß, was ihn erwartet und in welchem Umfang er sich engagieren muss. "Vieles wirkt von außen eher regelwütig, soll aber das soziale Miteinander fördern und Kosten fair und erschwinglich halten", betont Grundei.

© SZ vom 29.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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