Scheidungen:Meins, deins, keins

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: N/A)

Wer bekommt nach einer Scheidung Unterhalt? Wer erhält das Sorgerecht? Das Unterhaltsrecht geht seit einigen Jahren stärker auf die individuellen Umstände am Ende einer Ehe ein - das macht den Umgang damit komplexer.

Fragen und Antworten von Hannah Wilhelm

Jede dritte Ehe in Deutschland wird geschieden. Dass Paare nicht mehr ihr ganzes Leben miteinander verbringen, wird immer mehr zum Normalfall - was es für den Einzelnen nicht weniger schmerzhaft macht. Dass es sich bei einer Ehe um einen Vertrag handelt, der Verantwortlichkeiten nach sich zieht, das wird vielen erst im Moment der Trennung klar. Und als ob der Schmerz nicht schlimm genug wäre, kommen dann oft die Streitereien hinzu - um Geld und Kinder.

Bis 2008 orientierten sich das Gesetz und damit auch die Gerichte bei Scheidungen an einem sehr konservativen Familienbild. Väter mussten nach der Trennung neben dem Kindesunterhalt auch oft sehr lange für die Ex-Partnerin zahlen, von Frauen wurde nicht verlangt, dass sie schnell wieder arbeiten gehen, sie waren klassischerweise für die Betreuung der Kinder zuständig. Väter, die ihre Kinder danach mehr als jedes zweite Wochenende sehen wollten, hatten schlechte Karten - auch weil sie sich zuvor während der Partnerschaft oft weniger gekümmert hatten als die Mütter. Seit 2008 nun gibt es ein verändertes Unterhaltsrecht. Es ermöglicht den Gerichten, viel mehr von Fall zu Fall zu entscheiden. "Heute ist keine Scheidung mehr wie die andere", sagt Sibylle Cavar-Weigl, Rechtsanwältin für Familienrecht bei der Kanzlei Anwaltskontor in München.

Ein paar Grundregeln gibt es aber dennoch. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wer zahlt Unterhalt für die Kinder und wie viel?

Kinder haben das Anrecht darauf, dass jemand finanziell für sie sorgt. Sind sie minderjährig, bekommt das Elternteil, das die Kinder betreut, den Kindesunterhalt von dem anderen Elternteil. Die Höhe des Unterhaltes richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle, die das Düsseldorfer Oberlandesgericht erstellt (siehe Tabelle). Gestaffelt ist diese nach dem Alter des Kindes und dem Nettoverdienst des unterhaltspflichtigen Elternteils. "Das Geld deckt den Grundbedarf der Kinder: Essen, Trinken, Kleidung, Wohnen", erklärt die Familienrechtlerin Andrea Peyerl aus Kronberg im Taunus.

Es gibt außerdem noch den sogenannten Mehr- und Sonderbedarf, zum Beispiel die Kosten für einen Kindergartenplatz oder für eine Zahnspange, so diese nicht von der Krankenkasse übernommen werden. Streitfälle sind jedoch schon Kosten für den Musikunterricht oder die Nachhilfe. "Das wird von Fall zu Fall entschieden. Zahlt der Unterhaltspflichtige nach der Düsseldorfer Tabelle eh schon viel, weil er gut verdient, dann entscheiden die Gerichte eher dazu, dass vieles inklusive ist. Zahlt jemand eher die unteren Beträge der Tabelle, dann muss er sich noch zusätzlich an den Schulausflügen beteiligen", erklärt Expertin Cavar-Weigl.

Den Selbstbehalt, also das, was der erwerbstätige Zahlende auf jeden Fall für sich selbst im Monat behalten darf, liegt seit 1. Januar 2015 bei 1080 Euro. "Das Kindergeld wird in der Regel zwischen den Eltern aufgeteilt", so Cavar-Weigl.

(Foto: N/A)

Bis wann wird Kindesunterhalt gezahlt?

"Das Kind hat ein Anrecht auf Unterhalt bis zum Abschluss einer Ausbildung oder eines Studiums", sagt Expertin Peyerl. "Bis zur Volljährigkeit bekommt derjenige das Geld, bei dem es lebt. Danach hat das Kind selbst Anspruch auf Barunterhalt von beiden Elternteilen." Das Kindergeld geht dann an das Kind selbst und der restliche Unterhalt wird dann von den Eltern anteilig bezahlt, abhängig vom Einkommen.

Wann bekommt ein Ex-Partner Unterhalt?

Das hat sich durch die Reform von 2008 sehr verändert. Grundsätzlich gilt nun: "Jeder ist für sich selbst verantwortlich und muss für seinen eigenen Unterhalt aufkommen", sagt Cavar-Weigl. Während früher Frauen Unterhalt vom Ex-Partner bekommen hätten, um sich Vollzeit um das gemeinsame siebenjährige Kind zu kümmern, würden sie jetzt dazu angehalten, viel früher wieder arbeiten zu gehen.

Heute gilt als Richtwert: Ist das Kind älter als drei Jahre, sollte die betreuende Person wieder arbeiten gehen. Tatsächlich gibt es seit der Unterhaltsreform sehr viel mehr Frauen, die keinen Unterhalt bekommen. Doch wie genau sich die Reform auswirkt, wird immer noch entschieden. Cavar-Weigl erläutert: Am Anfang habe es von den Familiengerichten recht strenge Urteile zum neuen Unterhaltsrecht gegeben, "so langsam weicht sich das über die Instanzen jetzt wieder auf".

Denn ganz so ist es nicht, dass alle Mütter mit Kindergartenkindern sofort wieder Vollzeit arbeiten müssen: Es gibt Ausnahmen, zum Beispiel, wenn sich keine Betreuung fürs Kind oder keine Arbeitsstelle findet, weil entweder in der Region gerade wenige Möglichkeiten zur Beschäftigung bestehen oder weil die Frau lange nicht in ihrem Beruf gearbeitet hat. Ausnahmen kristallisieren sich auch bei älteren Paaren heraus, die lange verheiratet waren und bei denen die Frau zu Hause geblieben ist. Auch da dürfte es die Tendenz geben, trotzdem Unterhalt zuzusprechen.

Der zentrale Punkt ist, ob dem Partner, der die gemeinsamen Kinder betreut oder betreut hat, durch die Ehe Nachteile entstanden sind, die sogenannten ehebedingten Nachteile. Anwältin Peyerl rechnet ein Beispiel vor: "Vor der Reform hatte eine Krankenschwester, die einen Chefarzt geheiratet hat, nach der Scheidung Anspruch, so viel Unterhalt zu bekommen, dass sie auf dem Lebensniveau eines Chefarztes weiterleben konnte. Heute ist das anders. Da wird geguckt: Wo stünde die Krankenschwester heute - ohne Ehe, ohne Kinder. Würde angenommen, sie hätte es bis zur Oberschwester geschafft und würde dementsprechend 500 Euro mehr verdienen, dann hat sie genau Anspruch auf diese 500 Euro im Monat. Nicht mehr." Und das auch nur, wenn das Gericht davon ausgeht, dass dieser Nachteil nicht mehr aufzuholen ist.

Grundsätzlich gilt: "Es ist schwierig, solche Nachteile wirklich nachzuweisen und auf längere Zeit Unterhalt zu bekommen", sagt Peyerl.

Was passiert mit dem Sorgerecht?

Heutzutage teilen sich die Eltern das Sorgerecht in fast allen Fällen. Das ist selten strittig. Ein größerer Streitpunkt ist das Umgangsrecht, also wie viel die Kinder beim Vater und wie viel bei der Mutter sind. "Was sich verändert hat, ist, dass immer mehr Männer sich weiterhin mehr um die Kinder kümmern und sie mehr sehen wollen als nur jedes zweite Wochenende", sagt Anwältin Cavar-Weigl. Sie versucht dann oft, eine einvernehmliche Lösung zwischen den Eltern zu vermitteln. Denn: Werden sich die Eltern nicht einig, wo die Kinder wie viel leben sollen, geht so ein Fall vor das Familiengericht. "Und solche Verfahren sind für die Kinder extrem belastend", sagt Anwältin Peyerl.

Ein Familiengericht versucht in solchen Fällen, nach dem Wohl des Kindes zu urteilen. Sehr wichtig ist dabei, wie die Betreuung in der Ehe vor der Trennung geregelt war. "Das Gericht wird versuchen, da Kontinuität zu wahren", sagt Peyerl. Ein Vater, der zum Beispiel in Teilzeit gearbeitet und das Kind regelmäßig früher von der Schule abgeholt hat, hat dann auch größere Chancen, es nach einer Trennung oft zu sehen.

Wichtig ist: Familiengerichte sind nicht an dem Schmutz interessiert, den ehemalige Partner gegenseitig über sich ausschütten wollen. Sie versuchen immer, eine Einigung herbeizuführen, schalten Vermittler ein. Im Zweifelsfall lassen sie Gutachter die Eltern beurteilen - was oft als unangenehm empfunden wird und die Parteien abschrecken soll. Wenn es irgendwie geht, sollen die Eltern sich einigen.

Was passiert mit den Rentenansprüchen?

Bei einer Scheidung wird der sogenannte Versorgungsausgleich durchgeführt. Dabei wird ausgerechnet, welche Rentenansprüche die beiden Ex-Partner jeweils während der Zeit der Ehe erworben haben. "Dann bekommt jeder 50 Prozent der Ansprüche des anderen gutgeschrieben", erklärt Anwältin Peyerl.

Was wird noch alles verteilt?

In der Regel: Alles, was während der Ehe an Vermögen geschaffen wurde. Das ist dann der sogenannte Zugewinnausgleich. Dabei müssen beide nachweisen, was sie am Tag der standesamtlichen Trauung besessen haben und was am Tag der Zustellung des Scheidungsantrags. Alles, was dazwischen angespart und angeschafft wurde, wird zusammengerechnet, "das ist der Zugewinn", erläutert Anwältin Peyerl. Darunter fallen Guthaben, Sparanlagen, Bausparverträge, Immobilien. "Schenkungen und Erbschaften, die jemand während der Ehe bekommen hat, bleiben außen vor." Davon wird nur die Wertsteigerung dem Zugewinn hinzugerechnet. Am Ende wird dann der Zugewinn hälftig aufgeteilt.

Ein Ehevertrag kann natürlich ein anderes Vorgehen festlegen.

Was kostet eine Scheidung?

"Das ist sehr einkommensabhängig", weiß Cavar-Weigl. Und abhängig davon, wie lange gestritten wird. Ein durchschnittlich verdienendes Paar, das nicht groß streitet, zahlt 1500 bis 2000 Euro für den Anwalt und gut 600 Euro an Gerichtskosten. Bei großen Einkommen und Vermögen kann es jedoch sehr viel teurer werden.

© SZ vom 10.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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