Roaming-Gebühren:Einig Handy-Reich

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Portugals Regierung möchte die teuren Auslandszuschläge abschaffen, die Mobilfunknutzer bei Besuchen in Spanien zahlen. Die Branche ist entsetzt - und meutert hinter vorgehaltener Hand.

Javier Cáceres, Madrid

In den Jahren vor seinem Tod machte der portugiesische Nobelpreisträger José Saramago immer wieder mit einem Traum von sich reden: dem Traum von Iberia. Spanien und Portugal sollten zu einem gemeinsamen Staat verschmelzen, sprach Saramago, der seinen Lebensabend auf der kanarischen Insel Lanzarote beging. Politisch steht eine derartige Union nicht zur Debatte; Umfragen besagen, dass in keinem der beiden Länder dafür eine Mehrheit zu erzielen wäre. Dafür sprießen nun Spekulationen, dass bald ein Handy-Iberia entstehen könnte. Portugal und Spanien planen angeblich, beim nächsten bilateralen Gipfel die Roaming-Gebühren für inneriberische Handygespräche und mobiles Internet abzuschaffen.

Quasselstrippen am laufenden Band - entsteht bald ein Handy-Iberia? (Foto: AP)

Wer bisher etwa mit einem portugiesischen Handy in Spanien unterwegs ist und damit telefoniert oder dort angerufen wird, zahlt diese teuren Aufschläge auf die normalen Handytarife. Die Idee einer Abschaffung per Gesetz ist ein Jahr alt: Bereits damals unterbreitete sie einer der spanischen Topdiplomaten, der frühere EU-Staatssekretär Alberto Navarro, während einer Tagung des Europäischen Journalistenverbandes APE in Lissabon. Man müsse das Abstraktum Europa konkret erfahrbar machen, argumentierte er. Nun griff die Zeitung New York Times den Gedanken wieder auf - unter anderem unter Verweis auf ein Interview des sozialistischen Regierungschefs Portugals José Sócrates.

Dieser habe von einer möglichen Abschaffung der Roaming-Gebühren geschwärmt, sie würde Millionen Geschäftsleuten und Touristen und damit auch dem portugiesisch-spanischen Handel zugutekommen. Als ähnlich reizvoll dürfte er den Gedanken empfinden, Pionierarbeit für Europa zu leisten. Hintergrund: Die EU-Kommission hat schon vor Monaten erklärt, sie wolle die Roaming-Gebühren innerhalb der EU bis spätestens 2015 möglichst ganz abschaffen, die "signifikanten Unterschiede zwischen Roaming-Gebühren und nationalen Tarifen sind in einem echten Binnenmarkt durch nichts zu rechtfertigen", legte die zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes im September nach.

Der Zeitpunkt für eine iberische Initiative wäre äußerst günstig: Mitte 2012 läuft die derzeitige EU-Regelung zu Roaming-Gebühren aus - sie müssen Anfang 2011 neu ausgehandelt werden. Die Frage, ob die Iberer tatsächlich in die Bütt gehen oder doch Angst vor der eigenen Courage zeigen, ist aber offen. Auf Unterstützung der Telekomfirmen braucht die Politik nicht zu hoffen, Roaming-Gebühren sind ein einträgliches Geschäft.

In der Branche gibt man sich zugeknöpft, "kein Kommentar", ist in den Zentralen der spanischen Mobilfunk-Marktführer zu hören. Hinter vorgehaltener Hand wird jedoch mit deutlichen Worten nicht gespart. Von Interventionismus ist die Rede, der nicht zu rechtfertigen sei, "auch nicht durch demagogische Argumente" wie die angeblich bessere Erfahrbarkeit einer europäischen Idee. In Spaniens Industrieministerium, das für Telekommunikation zuständig ist, scheint man über die Debatte nur wenig beglückt zu sein. Die Agenda für das anstehende EU-Gipfeltreffen, so heißt es dort vorsichtig, sei noch gar nicht ausgehandelt.

© SZ vom 11.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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