Reden wir über Geld (15): Sarah Kuttner:"Jeder darf mich 'n Haufen Mist nennen"

Moderatorin Sarah Kuttner über Honorare im Fernsehgeschäft, ihre neue Sendung und wie es ist, von einem Tag auf den anderen gefeuert zu werden.

Alexander Mühlauer und Hannah Wilhelm

Sarah Kuttner hatte, wovon viele junge Menschen träumen: eine eigene Sendung bei MTV. Doch 2006 war Schluss. "Kuttner" wurde mangels Quote abgesetzt. Seitdem moderiert die 29-Jährige hier und da, im Juli bei der ARD. Beim Treffen am Berliner Helmholtz-Platz ist sie gut gelaunt: Sie hat gerade bei Ebay eine Yoga-Matte für neun Euro ersteigert. Die Dinger kosten sonst 60 Euro. Ein Gespräch über die Ökonomie ihres Alltags, in dem sie oft von zwei Tagen Arbeit einen Monat lebt.

Reden wir über Geld (15): Sarah Kuttner: Will nicht nach ihrem Gehalt gefragt werden: Sarah Kuttner

Will nicht nach ihrem Gehalt gefragt werden: Sarah Kuttner

(Foto: Foto: AP)

SZ: Frau Kuttner, reden wir über Geld. Wobei, das mögen Sie ja nicht. In einem Buch schreiben Sie, man solle Sie bloß nicht nach Ihrem Gehalt fragen.

Sarah Kuttner: Das ist ja auch saudoof. So ein 16-jähriger Knirps hat mich das mal gefragt. Der dachte, im Fernsehen wird irre viel Geld verdient. Stimmt ja auch. Trotzdem ist es unhöflich, das zu fragen.

SZ: Und, was verdienen Sie?

Kuttner: Das geht Sie gar nichts an.

SZ: Wir wollen doch über Geld reden.

Kuttner: Ich will nicht, dass Sie wissen, was ich verdiene. Darüber rede ich auch mit meinen Freunden nicht. Nur, wenn ich mal für irgendwas überraschend viel bekommen habe, zum Beispiel für eine Moderation bei einer Veranstaltung.

SZ: Und was zahlen die?

Kuttner: Sagen wir so: Beim Fernsehen bekommst Du viel Geld für wenig Arbeit. Wenn alles gut läuft, muss ich nur zwei Tage arbeiten und kann davon einen Monat leben. Das ist toll.

SZ: Sie sind also überbezahlt.

Kuttner: Nein, überhaupt nicht. Ich werde nicht nur für die Dreharbeiten bezahlt, sondern auch dafür, dass ich Allgemeingut bin, dass Menschen mit dem Finger auf mich zeigen. Jeder da draußen darf es laut sagen, wenn er mich für einen Haufen Mist hält. Dafür werde ich bezahlt. Und ich finde das in Ordnung.

SZ: Was machen Sie denn mit Ihrem Geld?

Kuttner: Das liegt auf einem Sparkonto, mehr auch nicht. Freunde raten mir oft, mein Geld irgendwie anzulegen. Aber da bin ich wie eine Omi und sage nein. Ich will mein Geld sehen können, am liebsten hätte ich es in einem Strumpf unter der Matratze liegen. Ich bin ein Sicherheitstyp.

SZ: Sie haben keine Aktien?

Kuttner: Vielleicht will ich mir ein paar Apple-Aktien kaufen. Die laufen bestimmt gut, oder? Aber eigentlich will ich kein Aktionär werden, ich will nur gucken, was die Aktien so machen - so wie Urzeitkrebse, wie ein Geld-Haustier. Soll ich das machen? Zu ihrem Manager: Ey, die beiden sind Finanzexperten, die können unsere Freunde werden.

SZ: 2006 setzte der Musiksender MTV Ihre Sendung ab und Sie vor die Tür. War genug auf dem Sparkonto, damit Sie ruhig schlafen konnten?

Kuttner: Die Sendung wurde zwar abgesetzt, aber vor die Tür habe ich mich selbst gesetzt. Ich hätte bei MTV weiter arbeiten können, wollte ich aber zu dem Zeitpunkt nicht. Und das ging natürlich nur so einfach, weil ich genug Geld gespart habe, um mir keine Sorgen zu machen.

SZ: Wie war der erste Tag nach der letzten Sendung?

Kuttner: Ganz schlimm. Das war wie Liebeskummer. Ich saß neben meinem Freund auf dem Bett und hatte Schmerzen wie bei Liebeskummer - verrückt. Das Schlimmste war zu wissen, dass ich die ganzen Menschen, mit denen ich täglich zusammengearbeitet habe, nicht mehr regelmäßig sehen werde.

SZ: Hatten Sie Verständnis dafür, dass MTV Sie gefeuert hat?

Kuttner: In der Theorie ja. Die Sendung war für MTVs Verhältnisse zu teuer. Ich kaufe mir ja auch keine Karre, die ich mir nicht leisten kann. Das ist eine einfache Regel. Es ist in Ordnung, dass die Quote zählt. Bei MTV wird eben gesendet, was Jugendliche sehen wollen. Klar finde ich das Programm nicht so geil, aber ich bin auch nicht Zielgruppe. Die Jugendlichen wollen den Rapper und Pornoproduzenten Snoop Dogg nackt im Pool mit der Moderationstussi Tina Tequila sehen. Und das zeigt MTV. MTV macht also eigentlich alles richtig.

SZ: Sie meinen: Millionen Fliegen können nicht irren? Wie traurig.

Kuttner: Natürlich ist das traurig. Und ärgerlich. Aber so funktioniert doch alles auf der Welt. Geld regiert eben doch.

SZ: Haben Sie sich arbeitslos gemeldet, als sie rausflogen?

Kuttner: Nein. Damals habe ich in einem Interview gesagt, dass ich zu stolz war, um zum Arbeitsamt zu gehen. Das war ein fürchterlicher Aufreger. Viele haben das falsch verstanden: Ach, die Kuttner ist sich zu fein dazu. Dabei brauchte ich diese finanzielle Unterstützung einfach nicht, deshalb wollte ich da nicht hin. Ich hätte das Gefühl gehabt, den Staat zu bescheißen. Das hätte ich asozial gefunden. Es sollten nur Menschen Arbeitslosengeld beantragen, deren Existenz wirklich bedroht ist.

"Jeder darf mich 'n Haufen Mist nennen"

SZ: Wie prägt es Ihre Generation, nicht mehr ein Leben lang festangestellt zu sein?

Kuttner: Ich spreche ungern für eine ganze Generation, die ich überhaupt nicht kenne. Ich habe ja auch nicht gerade ein typisches Berufsleben. Aber vielleicht haben wir es bei aller Unsicherheit auch ein bisschen aufregender. Ich komme ja aus der DDR. In der Generation vor uns hieß es da: erst Polytechnische Oberschule, dann LPG (Anm. d. Red.: Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) - bis zum Ende. Da war es egal, was du wolltest. Wir haben dagegen so viele Möglichkeiten. Das erschlägt uns natürlich auch.

SZ: Gehen Sie anders mit Geld um, weil Sie in der DDR aufgewachsen sind?

Kuttner: Wir hatten zu Hause nie viel Geld. Meine Mutter ist mit meiner Schwester und mir einmal die Woche einkaufen gegangen, das durfte nicht über 50 Mark kosten. Wir mussten sehr sparsam sein und haben immer so graues Recycling-Klopapier gekauft. Deshalb kaufe ich heute nur so Quatsch-Klopapier, so dickes, am besten zehnlagig und mit farbigen Häschen bedruckt, das nach Kamille riecht. Vielleicht ist das symbolisch: Ich hab's geschafft, ich muss nicht mehr beim Klopapier knausern.

SZ: Machen Sie sich eigentlich Sorgen um Ihre staatliche Rente?

Kuttner: Nein, Sorgen mache ich mir nicht. Ich gehe davon aus, dass ich keine bekomme. Also, auf jeden Fall nicht genug, um dickes Klopapier zu kaufen. Also spare ich schön weiter.

SZ: Sie sind sehr beliebt, haben eine treue Fan-Gemeinde - warum sieht man Sie nie in der Werbung? Mangelt es an Angeboten?

Kuttner: Werbung gilt ja immer ein bisschen als Prostitution: Du verkaufst dich für Geld. Das wollte ich früher aus Prinzip nicht machen. Inzwischen bin ich da aber etwas entspannter geworden, denn letztendlich ist das auch gutes und sauberes Geld, von dem später meine Gören die Butter auf den Schulstullen bezahlt kriegen könnten. Letztens hätte mir eine Firma einen sechsstelligen Betrag gezahlt - das konnte ich kaum fassen. Ich saß vor der E-Mail und wusste nicht, ob das der Betrag für die Produktionskosten ist oder mein Honorar. Mein Manager und ich saßen wie zwei Idioten vor diesem Angebot. Letztendlich habe ich abgesagt, weil ich die Idee für den Spot doof fand. Sollte ich tatsächlich mal Werbung machen, will ich keinen Unsinn machen, hinter dem ich nicht halbwegs stehen kann. Also habe ich bisher immer abgesagt.

SZ: Für Werbung sind Sie sich zu schade - aber für das Männermagazin Playboy haben Sie sich vor fünf Jahren ausgezogen. Warum?

Kuttner: Wo ist denn da der Zusammenhang? Das Playboy-Shooting habe ich nicht des Geldes wegen gemacht, sondern weil ich es aufregend fand. Ich bin, und war es damals erst recht nicht, kein klassischer heißer Feger, sondern eher ein Kumpeltyp. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie ich auf solchen Bildern aussehen könnte, ich fand die Vorstellung völlig absurd, und genau das hat mich gereizt.

SZ: Im Sommer sind Sie sonntagnachts im Ersten zu sehen, um 23.30 Uhr. Guckt da überhaupt jemand zu?

Kuttner: Egal, Hauptsache, ich kann eine Sendung machen, die ich selbst gut finde. Der Sendeplatz ist mir auch viel lieber als 20.15 Uhr im Privatfernsehen. Das wäre viel zu stressig, so ein Druck! Ich bin kein Quotenbringer, kein Primetime-Mädchen. Ich bin perfekt für kurz vor Mitternacht. Wenn ich Programmchef wäre, würde ich mich auch auf halb zwölf setzen. Eigentlich finde ich es überhaupt mutig, mich auf Sendung zu nehmen.

Sarah Kuttner wird am 29. Januar 1979 in Ostberlin geboren. Nach dem Abitur geht sie nach London und macht ein Praktikum beim Spiegel. 2001 bewirbt sie sich "eher halbherzig" beim Musiksender Viva - und wird unter 1500 Konkurrenten ausgesucht. Sie moderiert unter anderem die Sendung "Interaktiv". Mit ihrer sehr direkten Art wird sie zum Aushängeschild des Senders. 2004 bekommt sie eine eigene Sendung: "Sarah Kuttner - Die Show". Ein Jahr später wird Viva verkauft, Kuttners Sendung wechselt zu MTV. 2006 ist dann Schluss: Die Show ist zu teuer und wird abgesetzt. Danach widmet sich Kuttner dem "experimentellen Ausruhen, langen Schlafen und Quatsch-im-TV-Kucken". Außerdem veröffentlicht sie zwei Bücher mit ihren SZ-Kolumnen und moderiert im Radio. Im Sommer startet in der ARD "Kuttners Kleinanzeigen". Die Journalistin trifft dabei die Verfasser merkwürdiger Kleinanzeigen und erzählt deren Geschichte.

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