Reden wir über Geld (36): Michael Michalsky:"Ich bin der Albtraum jeder Bank"

Modedesigner Michael Michalsky über die Vergänglichkeit des Geldes, sündhaft teure Jeans - und warum er für ein T-Shirt nicht mehr als zehn Euro bezahlt.

Alexander Mühlauer

Michael Michalsky trägt: weite Jeans, schwarze Lederjacke, Basketball-Schuhe und Diamantsteine in beiden Ohrläppchen. Als Modedesigner hat er seine Karriere beim Jeanshersteller Levi's begonnen. Später war er elf Jahre bei Adidas und hat der Marke wieder beigebracht, cool zu sein. Seit drei Jahren hat der 41-Jährige sein eigenes Label in Berlin; es heißt wie er: Michalsky. Jetzt ist er nach München geflogen. Am Abend soll er zu einem Empfang, auf der Einladung steht der Dresscode: "New Dandy". "Was soll das denn sein?", brummt er. Nach der Begrüßung im Hotel ("Gehen wir auf mein Zimmer, da kann ich rauchen") reicht ihm seine PR-Managerin eine Tüte Chips. Michalsky spricht, auch mit vollem Mund, wie ein Hamburger Werftarbeiter - über Mode, Geld und Gott. Also, bidde.

Reden wir über Geld (36): Michael Michalsky: Weiß sich zu inszenieren: Michael Michalsky.

Weiß sich zu inszenieren: Michael Michalsky.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Michalsky, reden wir über Geld. Sie machen Mode für Arm und Reich: Bei Tchibo gibt es von Ihnen entworfene T-Shirts für zehn Euro, in Ihrem Geschäft kosten Kleider auch mal mehrere tausend Euro. Warum dieser Spagat zwischen teuer und billig?

Michael Michalsky: Qualität hat ja nichts mit dem Preis zu tun. Ich mache gerne gutes Design für die Masse. Das ist sogar schwieriger, als ein Kleid für 100.000 Euro zu entwerfen, das irgendeine Else auf dem roten Teppich trägt. Da weiß man genau, dass sich diese Tussi das Kleid nie gekauft hat, sondern nur geliehen, um dann den Reporterinnen erzählen zu können, von wem das Kleid ist. Das ist mir egal. Ich finde es toll, wenn ich auf der Straße unterwegs bin und jemand hat etwas von mir an.

SZ: Einige Modemacher sagen, Sie hätten Ihre Seele an Tchibo verkauft.

Michalsky: Das sind doch ewig Gestrige. Dieser falsche Elitismus ist das Langweiligste, was es gibt. Es ist ein ätzendes Konsummodell - und es ist vor dem Ende. Ich finde Leute cool, die ein Top für acht Euro anhaben, dazu 'ne Jacke für 1000 Euro. Aber da muss der Preis gerechtfertigt sein - vielleicht, weil das Teil aus Cashmere ist oder handgearbeitet.

SZ: Wie viel darf eine Jeans kosten?

Michalsky: Puh, für mich persönlich?

SZ: Ja.

Michalsky: Ganz ehrlich: Wenn die Jeans geil ist, bezahle ich auch 500 Euro.

SZ: Viel Geld für eine Jeans.

Michalsky: Ja, dann muss ich aber auch einsehen, warum sie so viel kostet. Es kommt auf das Denim an und ob die Jeans auf alten Webstühlen gewebt wurde. Wenn man der Waschung der Jeans abnimmt, dass sie 30 Jahre alt ist, dann zahle ich 500 Euro. Nichts ist schlimmer als 'ne Jeans, die aussieht, als hätte sie weiße Sperma-Flecken abgekriegt.

SZ: Und wieviel zahlen Sie für eine ungewaschene Jeans?

Michalsky: Ich kauf' mir Cheap Monday Jeans für 49 Euro. Die find ich super. Und wenn ich ein normales T-Shirt suche, kaufe ich eines für zehn Euro und zahle keine Hundert, nur weil irgendein Designername draufsteht. Wer das macht, ist selbst schuld.

SZ: Sie gelten nicht als Schöngeist. Sie sagen: Mode ist Unterhaltung - und so inszenieren Sie sich auch.

Michalsky: Na und? Machen wir uns nichts vor: Man kann noch so gut sein, wer sich nicht medial inszeniert, wird nicht gehört und geht unter.

SZ: Drei Vokabeln, die den Stil von Michalsky beschreiben?

Michalsky: Laut, positiv, trendbewusst. Klingt hedonistisch, aber so bin ich.

SZ: Ist es nicht grauenvoll, dass Mode nur noch Unterhaltung ist?

Michalsky: Überhaupt nicht. Für alle Gesellschaftsschichten ist es wichtig, sich zu inszenieren - egal ob arm oder reich.

SZ: Eigentlich braucht die Gesellschaft Ihre Mode doch nicht.

Michalsky: Ich bin mir bewusst, dass ich in der unwichtigsten Industrie der Welt arbeite. Aber ich vermittle durch meine Mode den Leuten ein Selbstwertgefühl. Klar bin ich lange nicht so wichtig wie eine Krankenschwester.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie sich Michael Michalsky dabei fühlt, im Haus eines ehemaligen Nazis zu wohen - und welche traumatischen Erlebnisse er im Schulbus hatte.

"Ich bin der Albtraum jeder Bank"

SZ: Sie verdienen aber mehr Geld ...

Reden wir über Geld (36): Michael Michalsky: Michael Michalsky: "Ich bin egoistisch".

Michael Michalsky: "Ich bin egoistisch".

(Foto: Foto: AP)

Michalsky: ... und die Krankenschwester zu wenig.

SZ: Verdienen Sie zu wenig?

Michalsky: Pah! Ist 'ne schwierige Frage. Viele werden sagen: Der verdient zu viel. Aber zurzeit stecke ich ja fast alles in die Firma ...

SZ: ... und in Ihr 500-Quadratmeter-Haus im Berliner Villenviertel Dahlem. Warum leben Sie ausgerechnet dort?

Michalsky: Es ist für mich wie ein Ferienhaus in der Großstadt. Ich finde toll, wie es dort aussieht - diese schönen Alleen! Und ich wohne dort in einem Klinkerbau, Baujahr 1936, steht unter Denkmalschutz, weil es die erste Villa in Berlin ist, die im Stil der Neuen Sachlichkeit erbaut wurde. Leider von einem Nazi.

SZ: Was ist es für ein Gefühl, in einem Haus zu leben, das ein Nazi erbauen ließ?

Michalsky: Der war Wissenschaftler und hat für Telefunken gearbeitet. Das Haus ist an sich sehr schön, da sind nirgends Hakenkreuze an den Wänden. Dass der Typ sein Wissen für 'ne miese Sache genutzt hat, da kann ich ja nix dafür. Deshalb habe ich das Haus auch spirituell reinigen lassen.

SZ: Wie geht das?

Michalsky: Ich habe mir ein paar spirituelle Reiniger organisiert. Nicht nur für mein Haus. 200 Meter weiter ist das Institut, wo Otto Hahn die Kernspaltung entdeckt hat und 300 Meter weiter saß früher die Reichsärztekammer, die in diesem Gebäude entschieden hat, Menschenversuche durchzuführen. Belastetes Gebiet also. Mir war wichtig, diese schlechten Schwingungen auszuschalten.

SZ: Aufgewachsen sind Sie in einem kleinen Dorf, 50 Kilometer nördlich von Hamburg.

Michalsky: Horror!

SZ: Warum?

Michalsky: Weil ich schnell wusste, dass ich da nicht hingehöre. Ich war schon immer anders als die anderen.

SZ: Inwiefern?

Michalsky: Wenn man nicht dem Klischee des Normalos entspricht, ist man schnell der Outcast, auf dem mit Worten herumgehackt wird.

SZ: Was mussten Sie sich anhören?

Michalsky: Die Standardsprüche im Schulbus: Du Schwuli, wie siehst du denn aus, haha, blablabla.

SZ: Jetzt haben Sie es den Typen aus dem Schulbus gezeigt.

Michalsky: Also, wenn ich es jemanden zeigen will, muss mir derjenige auch was bedeuten. Die Leute aus dem Schulbus bedeuten mir ja nichts.

SZ: Ihre Mitschüler haben Sie aber mit zu dem gemacht, was Sie sind.

Michalsky: Stimmt schon, ihre Beschimpfungen haben mich härter gemacht. Viele Sachen prallen an mir ab. Ich lass mir nichts gefallen.

SZ: Klingt sehr egoistisch.

Michalsky: Bin ich auch. Ich mache alles nur für mich selber. Wenn man anfängt, Sachen zu machen, um geliebt zu werden, hat man schon verloren.

"Ich bin der Albtraum jeder Bank"

SZ: Sie wollen doch geliebt werden.

Michalsky: Werde ich ja. Aber das habe ich nur erreicht, weil ich allein an mich gedacht habe. Andere Leute sind mir egal. Deshalb bin ich auch aus der Provinz geflüchtet.

SZ: Und nach London. Stimmt es, dass Sie dort als Türsteher gearbeitet haben, um sich das Studium an der Modeschule finanzieren zu können?

Michalsky: Nein. Als Picker.

SZ: Was ist das?

Michalsky: Das ist der Typ, der für eine gute Mischung von Leuten im Club sorgt.

SZ: Was macht die gute Mischung aus?

Michalsky: Alles von allem. Ein guter Club ist ein guter Club, wenn's da genauso viele Schwule wie Heten gibt, coole und nichtcoole Leute, Alt und Jung. Wenn alle geil aussehen, ist das total öde.

SZ: Ihr Lieblingsspruch an der Tür?

Michalsky: Würdest du dich selbst reinlassen? Es trauen sich nicht viele "Ja" zu sagen.

SZ: Und wenn einer "Ja" sagt, haben Sie ihn reingelassen?

Michalsky: Nö. Ich war da sowieso für alle ein Unikum: Ein Deutscher, der vogelwild aussieht.

SZ: Wie wild denn?

Michalsky: Mein Vater hat das immer so beschrieben: "Michael, mehr Mut zur Hässlichkeit." Ich hatte immer eine andere Frisur, immer andere Klamotten, war immer sehr laut.

SZ: Hatten Sie mal Heimweh?

Michalsky: Nie.

SZ: Wie oft fahren Sie heute noch nach Hause in die Provinz?

Michalsky: Das habe ich abgeschafft. Ich habe auch Anweisungen gegeben, dass ich dort nicht beerdigt werde.

SZ: Sondern?

Michalsky: Ich will verbrannt werden. Ich möchte, dass meine Asche gedrittelt wird. Ein Drittel soll im Fundament des Clubs Space auf Ibiza eingegossen werden. Das zweite Drittel soll vom Restaurant Grill Royal in die Spree gekippt werden und das letzte Drittel soll für meine drei besten Freunde da sein: Die Asche wird zu Industrie-Diamanten gepresst, damit sie die Dinger mit einer Kette um den Hals tragen können.

"Ich bin der Albtraum jeder Bank"

SZ: Sind Sie gläubig?

Michalsky: Ja, ich bin Christ. Ich glaube an Gott und habe immer ein Kreuz dabei. (Zeigt seine Halskette mit einem Diamantkreuz.)

SZ: Welche Kleider trägt Gott?

Michalsky: Ich glaube, Gott trägt ein langes, weißes Gewand, vielleicht aus Leinen oder Seide. Das ist alles. Mehr braucht es nicht, Gott ist ja ein sexloses Wesen. Es gibt keine Geschlechtsorgane, die man verdecken müsste.

SZ: Welcher Designer ist Ihr Vorbild?

Michalsky: Ich möchte ein Lifestyle-Imperium aufbauen wie Ralph Lauren. Maßgeschneiderte Anzüge, T-Shirts für zehn Euro, Lebensmittel, Blumen, Möbel, Wandfarbe, Zahncreme, Parfum.

SZ: Warum muss heute jeder Designer ein Parfum machen?

Michalsky: Weil man das Geld nicht nur mit Klamotten macht. Nicht jeder kann sich ein Chanel-Kleid leisten, dafür aber den Duft.

SZ: Mit welchen Produkten macht die Modebranche am meisten Geld?

Michalsky: Im Luxussegment sind es drei Dinge, die Kohle bringen: Parfums, Handtaschen, Brillen. Machen alle.

SZ: Auch Karl Lagerfeld . . .

Michalsky: ... der ist einer meiner Helden. Der ist wirklich so, wie er ist. Total unprätentiös. Redet mit jedem. Kompromisslos hat er sich zur Marke gemacht. Er sagt, was er denkt.

SZ: Über was haben Sie sich zuletzt mit ihm unterhalten?

Michalsky: Ach, über Fotografie, über Leute und Klamotten. Mit Karl Lagerfeld kann man tratschen wie mit 'nem guten Friseur.

SZ: Wie legen Sie Ihr Geld eigentlich an?

Michalsky: Ich bin der absolute Albtraum jeder Bank.

SZ: Warum?

Michalsky: Die Berater erzählen mir immer, dass ich dies und das für meine Rente tun sollte. Ich glaub' da nicht dran. Ich hab mal 'nen Jogi am Strand von Mauritius getroffen, ein alter Mann mit zerfedderten Haaren, der hat mir die Hand gelesen und in falschem Englisch gesagt: Money come, money goes. Eine gute Freundin hat mir den Spruch auf einen Geld-Clip von Tiffany gravieren lassen. Das ist das schönste Geschenk, das ich je bekommen habe. Money come, money goes - ja, so lebe ich. Meine Eltern kotzen, wenn sie das lesen, jeder Bankberater auch - aber ich pfeif drauf.

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