Reden wir über Geld: Michael Cretu:"Musik ist wie Klopapier"

Song-Produzent Michael Cretu über die Kosten für einen Nummer-eins-Hit, den Neid der Deutschen, was Geld mit Habgier zu tun hat und warum es gefährlich werden kann.

Alexander Mühlauer u. Hannah Wilhelm

Michael Cretu, 51, ist aus Ibiza gekommen. Dort wohnt er in einer Villa. Jetzt sitzt er in der Lobby eines Münchner Hotels, bestellt ein Bier und ärgert sich. "Scheiß Rauchverbot", sagt er und steckt sich trotzig eine an. Dann mal los.

Reden wir über Geld: Michael Cretu: Michael Cretu verdient mit Musik Millionen. Weltweit bekannt wurde er mit dem Song "Maria Magdalena".

Michael Cretu verdient mit Musik Millionen. Weltweit bekannt wurde er mit dem Song "Maria Magdalena".

(Foto: Foto: Robert Haas)

Cretu ist einer der erfolgreichsten deutschen Musikproduzenten. Trotzdem kennt ihn so gut wie niemand - denn er arbeitet im Hintergrund. Der Durchbruch gelingt ihm in den Achtzigern mit dem Nummer-eins-Hit "Maria Magdalena", den er für die Popsängerin Sandra schreibt. Die beiden heiraten, bekommen Zwillinge. 2008 lassen sie sich wieder scheiden. 1990 kommt Cretus erste Enigma-Platte auf den Markt. Die gregorianischen Choralgesänge, unterlegt von elektronischen Klängen, werden ein Welterfolg. Gerade eben hat Cretu das siebte Enigma-Album veröffentlicht. Der gebürtige Rumäne kehrte 1988 Deutschland den Rücken und lebt heute zurückgezogen auf Ibiza.

SZ: Herr Cretu, reden wir über Geld.

Michael Cretu: Über meine neue Platte wollen Sie also nicht reden.

SZ: Eigentlich nicht.

Cretu: Na gut, dann bin ich mal gespannt. Aber ich warne Sie: Ich hab' schon Journalisten rausgeworfen.

SZ: Warum das?

Cretu: Na, weil die meisten so unqualifizierte Fragen stellen. Einer kam mal daher, ich hatte schon 20 Millionen Platten verkauft, und fragte: "Erzählen Sie mal, was machen Sie denn so?" Da habe ich gesagt: "Wissen Sie was, ich geh' einen Cappuccino trinken. Hören Sie sich erst mal meine Platten an, dann kommen Sie wieder. Sie stehlen mir nur die Zeit!"

SZ: 1984 landeten Sie als Produzent von Sandra den Nummer-eins-Hit "Maria Magdalena". Wie teuer ist so ein Song?

Cretu: Ich habe fünf Wochen 12 bis 16 Stunden am Tag gearbeitet. Sagen wir also gut 60.000 Euro.

SZ: Und wie viel haben Sie mit dem Lied verdient?

Cretu: Meine erste Million. Und ein bisschen mehr. 1984 hab' ich so viel verdient, dass mein Steuerberater sagte: "Herr Cretu, wir haben ein großes Problem. Sie haben einen hohen siebenstelligen Betrag eingenommen, aber für sich selbst nur 4100 D-Mark ausgegeben. Das glaubt Ihnen beim Finanzamt niemand."

SZ: Und dann?

Cretu: Ich hab ihm gesagt, dass ich die ganze Zeit im Studio sitze und nur ab und zu essen gehe. Egal, sagte mein Berater. Ich musste mir noch schnell vor Jahresende ein Auto kaufen.

SZ: Haben Sie auf ihn gehört?

Cretu: Ja, ich habe mir einen 190er Mercedes, 2,6-Liter-Maschine, angeschafft. Den ganz normalen. Ich bin dann nach Stuttgart zum Autotuner Gemballa gefahren. Die haben richtig losgelegt: 4000-Watt-Anlage, Büffel-Leder, digitale Tankanzeige, Pipapo. Ich wollte keine Protzkarre. Von außen sah man nichts, aber von innen war es ein Batmobil. Hat richtig viel Geld gekostet.

SZ: Wieviel?

Cretu: 190.000 Mark. Mein Steuerberater war zufrieden.

Lesen Sie weiter, warum Cretu Protzer meidet - und warum er keine Hitparaden mag.

"Musik ist wie Klopapier"

SZ: Was denken Sie, wenn Sie sich heute die Chart-Hits anhören?

Reden wir über Geld: Michael Cretu: Entspannt in München: Michael Cretu.

Entspannt in München: Michael Cretu.

(Foto: Foto: Robert Haas)

Cretu: Das höre ich mir nicht an.

SZ: Warum nicht?

Cretu: Ich will keine Musik für die Hitparade machen. Meine Kinder hören das. Mein Sohn kam zu mir und sagte: "Hey, kennst du Umbrella von Rihanna?" Nein hab' ich gesagt, aber lass mal hören. "Wird ein Welthit", hab' ich gesagt.

SZ: Können Sie hören, ob ein Lied ein Hit wird?

Cretu: Sollte ich. Umbrella habe ich mir 40 Mal hintereinander angehört und war begeistert. Klappt aber nicht immer.

SZ: Heute sind Produzenten wie Timbaland selbst Stars. Er produziert Madonna und Britney Spears. Warum drängten Sie nie selbst ins Rampenlicht?

Cretu: Naja, Timbaland ist nicht der Erste. Phil Specter war schon in den Sechzigern ein Star. Ich selber brauch' das nicht. Ich will nicht gefeiert werden von 150.000 Leuten.

SZ: Kommt das vielleicht daher, weil Sie im sozialistischen Rumänien geboren und aufgewachsen sind?

Cretu: Kann sein. Leute, die protzen, meide ich. Das mag ich überhaupt nicht.

SZ: War das Geld in Ihrer Kindheit und Jugend knapp?

Cretu: Überhaupt nicht. Mein Vater war Diplom-Ingenieur, meine Mutter Doktor in Volkswirtschaft und Außenhandel. Es ging uns gut in Bukarest. Ich hatte alles, bis auf eine Levi's Jeans.

SZ: Wie kamen Sie zur Musik?

Cretu: Damals gab es im Osten eine Art Talent-Scouting. Von der ersten Klasse an wurde geguckt, wer Talent hat - und der wurde dann stark gefördert.

SZ: Wie?

Cretu: Zum normalen Unterricht hatte ich 13 Musikfächer. Ich sollte Konzertpianist werden.

SZ: Hat nicht geklappt.

Cretu: Mit 16 hat es mich genervt, immer die gleichen Standardwerke zu spielen. Was gibt es da schon? Das war mir zu eintönig. Ich wollte Komposition und Dirigieren studieren. Nach der Flucht meiner Eltern nach Deutschland war ich in Frankfurt an der Uni - aber das Studium hat mich enttäuscht. Wir haben im fünften Semester Sachen gemacht, die habe ich in Rumänien schon mit zwölf gelernt. Da waren Lichtjahre dazwischen. In Rumänien war die Ausbildung besser.

SZ: Sie verdanken dem Kommunismus Ihre Karriere?

Cretu: Soweit würde ich nicht gehen. Ich hatte ja nicht mit Klassik-Kompositionen Erfolg. Aber ein fundiertes Wissen habe ich mir dort schon angeeignet.

SZ: Und viel Geld damit verdient.

Cretu: Ja, aber Geld ist mir nicht wichtig.

SZ: Das glauben wir Ihnen nicht. Sie leben auf Ibiza in einer 2000-Quadratmeter-Villa.

Cretu: Für mich ist Geld wie ein Auto - es bringt mich schneller von A nach B. Mein Antrieb ist aber kein dickes Bankkonto. Ein Freund hat mal gesagt: Das Geld, das du nicht ausgibst, hat nur einen virtuellen Wert - nur die Bank freut sich darüber. Er hat recht. Warum soll man Geld anhäufen?

Lesen Sie weiter, warum Cretu Geld für gefährlich hält.

"Musik ist wie Klopapier"

SZ: Was ist das Beste, das man mit Geld machen kann?

Cretu: Sich schneller Wünsche erfüllen.

SZ: Welche?

Cretu: Ich bin nicht größenwahnsinnig und will eine Villa in Florida und hier und da, fünf Ferraris vor der Haustür - das ist alles oberflächlicher Unsinn! Ist das der Wunsch, macht das krank. Ich will eigentlich nur meine Ruhe, und die kostet halt auch Geld. Optimale Infrastruktur gibt es nicht umsonst. Ich bin sogar zu faul, um Rabatte zu verhandeln, obwohl ich vom Balkan komme, wo die Händler nur so herumschwirren.

SZ: Also ist der Besitz von Geld doch etwas Angenehmes.

Cretu: Ich würde sagen, etwas Nützliches, nur habe ich immer Ärger damit. Allein der Unterhalt meines Hauses macht mich fertig. Ich will gar keine anderen Besitztümer. Besitz ist Last. Und Geld ist gefährlich.

SZ: Warum gefährlich?

Cretu: Geld verführt zu Habgier und siegt meistens über die Menschlichkeit.

SZ: Sie haben in Rumänien, Deutschland und Spanien gelebt. Gehen die Nationen unterschiedlich mit Geld um?

Cretu: In Rumänien hatte damals keiner Geld. Heute fahren sogar Maybachs durch Bukarest, wie ich gelesen habe. Ich weiß nicht, wie gehen denn die Deutschen mit Geld um?

SZ: Den Deutschen wird nachgesagt, sie seien sehr neidisch.

Cretu: Das mag wohl stimmen. Ich maße mir darüber aber kein Urteil an, schließlich lebe ich seit über 20 Jahren im Ausland, und deutsche Gene besitze ich auch nicht. Dennoch scheint Understatement in Deutschland Pflicht zu sein. Aber nicht aus humanitären Gründen, sondern weil man nicht will, dass es einem der andere übel nimmt.

SZ: Ist das Bescheidenheit aus falschen Gründen?

Cretu: Nein, aus Angst.

SZ: Sind Sie reich?

Cretu: Mir geht es gut. Ich hab reichlich verdient. Aber weniger ist manchmal mehr.

SZ: Warum?

Cretu: Es ist viel schwerer, Kindern den gesunden Umgang mit Geld zu vermitteln. Alles muss doch am Ende im Verhältnis stehen. Ich habe beiden am ersten Schultag gesagt: Ich möchte nicht, dass ihr mit dem prahlt, was der Papa hat.

SZ: Sie haben gemeinsam mit Ihrer Ex-Frau Sandra Zwillinge. Hat sie eine ähnliche Einstellung zum Geld wie Sie?

Cretu: Nein. Sandra liebt es, Geld auszugeben.

SZ: Sie beide wohnen auf Ibiza. Wie oft laufen Sie sich über den Weg?

Cretu: So gut wie nie. Ich gehe nicht oft aus dem Haus.

SZ: Haben Sie einmal in Ihrer Karriere den Moment erlebt, an dem Sie sagen konnten: Jetzt könnte ich aufhören.

Cretu: Ja, ich hätte schon mit 28 Jahren aufhören können.

SZ: Warum haben Sie es nicht getan?

Cretu: Ich liebe Musik, nicht das Geld.

SZ: Wenn es Ihnen nicht ums Geld geht, warum stellen Sie Ihre Musik nicht kostenlos ins Internet?

Cretu: Das ist gegen jede marktwirtschaftliche Überlegung.

SZ: Na und?

Cretu: Wenn ich etwas leiste, will ich auch einen Preis dafür. Sonst ist es Diebstahl. Sie gehen ja auch nicht in den Supermarkt und nehmen sich drei Joghurts, weil Sie sagen: Na, die haben eh genug Joghurts. Nein, das ist Raub! Das ist wie CDs klauen im Plattenladen.

SZ: Trotzdem sind Musik-Downloads im Internet billiger.

Cretu: Richtig, aber die Musik wird drastisch an Qualität verlieren.

SZ: Warum?

Cretu: Weil mittlerweile jeder Musik macht und ins Netz stellt. Musik ist meine Religion, da tut das einfach weh. Und was mich wirklich ärgert: Musik hat ihren Stellenwert verloren. Vor 20 Jahren haben sich die Menschen mit Künstlern noch wirklich identifiziert. Heute ist Musik wie Klopapier - es ist beliebiger und austauschbarer geworden.

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