Nobelpreisträger Paul Krugman:"Die USA sind heute in gewisser Hinsicht ein gescheiterter Staat"

The New York Times Food For Tomorrow Conference 2015 - Day 2

Nobelpreisträger Paul Krugman

(Foto: Neilson Barnard / AFP / Bildbearbeitung SZ.de)

Für Nobelpreisträger Paul Krugman ist Angela Merkel eine rigide Intellektuelle und Donald Trump ein Rassist.

Von Claus Hulverscheidt und Kathrin Werner

Irgendwann, nachdem er die grüne Klappmatratze auf dem Boden seines Büros ausgebreitet hatte, muss Paul Krugman der Schlaf übermannt haben, nicht einmal die Bürotür hatte er noch schließen können. Als es klopft, schreckt er auf. Eine Vorzimmerdame, die ihn hätte warnen können, gibt es nicht.

Abgehoben ist er wahrlich nicht, der Nobelpreisträger, Star-Kolumnist und bekennende Wahlhelfer Hillary Clintons, der zu den bekanntesten wie zugleich umstrittensten Ökonomen der Welt zählt: Sein Büro in einer Außenstelle der City University of New York ist karg, das hohe, schmale Fenster, wie so viele in der Stadt, vom Dreck der Metropole fast erblindet. Ein Eck-Schreibtisch mit Computer, Bücherstapeln, herumfliegenden Papieren, umrahmt von einer Tapete in Taubengrau-Grün.

Es dauert einen Moment, bis Krugman ganz wach ist, doch dann festigt sich sein Blick und in seinen Augen funkelt jene Streitlust, die Fans so an ihm schätzen und mit der er Gegner zur Weißglut treibt. "Wenn ich Menschen für Idioten halte, werde ich sie als solche bezeichnen", sagt der Professor, wohl wissend, dass die Gegenseite ähnlich scharf über ihn urteilt. "Der Unterschied ist nur: Ich habe recht!"

Er kann austeilen, aber er kann auch einstecken

Krugman sagt das nicht arrogant oder selbstverliebt, sondern wie jemand, der mit 63 Lebensjahren glaubt, begriffen zu haben, warum die Dinge sind, wie sie sind. Warum Donald Trump ein Rassist ist - und Bernie Sanders nichts von Wirtschaft versteht. Warum die USA einen grundlegenden Umbau brauchen - idealerweise einen demokratischen - und "in gewisser Hinsicht ein failed state, ein gescheiterter Staat" sind. Warum Angela Merkel in Griechenland alles falsch gemacht hat und die deutsche Politik "intellektuell rigide" ist. Warum er mit seiner Prognose, der Euro werde scheitern, danebenlag. Und warum Politiker verrückt wären, wenn sie nur auf Nobelpreisträger hörten.

"Kann jemand von Ihnen Japanisch?", fragt Krugman, als das Gespräch nach einer ebenso interessanten wie intensiven Stunde vorbei ist. Er hat ein Schreiben bekommen, aus Tokio, voll mit seltsamen Schriftzeichen. "Sieht aus wie eine Rechnung. Ich weiß nur nicht, ob ich Geld bekommen soll oder zahlen muss", sagt er. Ein Strafzettel? Oder doch ein Dankeschön vom Ministerpräsidenten, der ihn jüngst um Rat gefragt hatte? Käme der Brief aus Deutschland, wo viele Ökonomen und Politiker schon bei der Erwähnung von Krugmans Namen einen hochroten Kopf bekommen, wäre die Sache klar: Kanzlerinnenberater nämlich wird Krugman auf seine alten Tage wohl nicht mehr werden.

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