Liechtenstein-Affäre:Selbstanzeigen wie vom Fließband

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Weil ihre Daten den Fahndern seit vergangener Woche vorliegen, zeigen sich viele Kunden der LLB-Bank selbst an - ob noch rechtzeitig, ist umstritten.

Hans Leyendecker

In der neuen Steueraffäre um versteckte Millionen in Liechtenstein rechnen Fahnder mit einer Flut von Selbstanzeigen. "Die Kunden der Liechtensteinischen Landesbank (LLB) hatten genügend Zeit, sich auf die Entdeckung des Schwarzgeldes vorzubereiten.

Ein Touristenmagnet ist Liechtenstein nicht gerade - viele seiner Besucher interessieren sich eher für das Bankenwesen im Fürstentum. (Foto: Foto: dpa)

Auffällig viele Selbstanzeigen

Viele Steuerhinterzieher werden spätestens jetzt Selbstanzeige erstatten", sagt ein mit dem Liechtenstein-Komplex vertrauter Ermittler im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Auffällig sei, dass "bereits in den vergangenen Monaten viele Kunden der LLB Selbstanzeigen abgegeben" hätten. "Offenbar fürchteten die, dass irgendwann Unterlagen über ihre Konten den Behörden bekannt würden."

In einem Strafverfahren vor dem Rostocker Landgericht hatte eine der beiden Verteidigerinnen des Hauptangeklagten am vergangenen Freitag dem Gericht Bankunterlagen der LLB überreicht. Dem Angeklagten und mehreren Komplizen wird banden- und gewerbsmäßige Erpressung vorgeworfen. Es gibt widersprüchliche Berichte darüber, wie viele deutsche Kunden in diesen Listen stehen. Die Rostocker Staatsanwaltschaft geht derzeit von mehr als 1800 Kunden aus; Schweizer Bankenkreise meinen, es seien knapp 1300 deutsche Kunden.

Erste Ergebnisse in vier Wochen

Ein Großteil von ihnen stammt aus Süddeutschland, ein weiterer Schwerpunkt liegt im Rheinland. Einige der Kunden wohnen in Sachsen. Rund dreißig Steuerfahnder aus den neuen und den alten Bundesländern sollen den Fall nun aufarbeiten. So unterstützen Steuerfahnder aus Wuppertal die mit den Liechtenstein-Verfahren wenig vertrauten ostdeutschen Kollegen. Die Wuppertaler bearbeiten seit Sommer vergangenen Jahres die Unterlagen über deutsche Steuersünder, die mit Hilfe der Liechtensteiner LGT-Bank ihr Vermögen in Stiftungen versteckt hatten. Mit ersten Ergebnissen im LLB-Fall rechnet die Rostocker Staatsanwaltschaft in etwa vier Wochen.

Die Bankunterlagen der LLB stehen im Mittelpunkt eines Wirtschaftskrimis, der schon vor einigen Jahren begann. Zwischen 2000 und 2003 hatte ein Angestellter des Vaduzer Geldhauses 2325 Kopien mit Detail-Angaben über deutsche Kunden vom Computer heruntergeladen. Auf den sogenannten "Hardcopys" waren Kundennamen, Anschriften, Kontobelege und Kennwörter einschließlich aller Vermögenswerte zu sehen. Er hatte dann versucht, die Bank zu erpressen. Der ehemalige Bankangestellte wurde festgenommen und zu einer hohen Haftstrafe verurteilt. Kopien dieser Unterlagen kursierten später in kriminellen Kreisen.

Die in Rostock angeklagten Männer sollen auf verschlungenen Wegen an Kopien der Kopie gelangt sein und dann versucht haben, die Bank zu erpressen. Für etwa zwei Drittel der Kundendaten sollen sie von der LLB neun Millionen Euro erhalten haben.

Die restlichen Unterlagen sollten dann im Sommer 2009 gegen die Aushändigungen von weiteren vier Millionen Euro übergeben werden. Eher durch Zufall entdeckte die Rostocker Staatsanwaltschaft den Deal. Die Bank hatte die Erpressung nicht angezeigt. Fälle veruntreuter Daten gibt es nicht selten. Sie werden aber meist nicht publik, da Banken in der Regel versuchen, die Daten geräuschlos zurückzukaufen.

Bank informierte die Kunden über "Datenmissbrauch"

Aus Sicht der LLB handelt es sich bei dem Fall um "Datenmissbrauch"; darüber seien, wie ein Sprecher des Geldhauses sagt, frühzeitig die "betroffenen Kunden informiert" worden. Durch die Mitteilung über den Datenklau hatten die Kunden folglich die Möglichkeit, rechtzeitig Selbstanzeige zu erstatten.

Wann eine Selbstanzeige rechtzeitig und wann sie zu spät erfolgt, ist in der juristischen Literatur umstritten. Das hängt mit komplizierten Feinheiten des Steuerstrafrechts wie beispielsweise dem so genannten "Sperrgrund der Tatentdeckung" zusammen. Dabei spielen individuelle Merkmale eine Rolle. Wenn ein Täter aber bereits entdeckt wurde, kann eine Selbstanzeige bestenfalls strafmildernd wirken.

Wann ist eine Selbstanzeige korrekt?

Rechtzeitig erfolgt eine Selbstanzeige, wenn die Behörden noch nicht prüfen konnten, ob die fraglichen Beträge Eingang in die Steuererklärung des Steuerpflichtigen gefunden haben. Dafür ist stets ein Abgleich mit der persönlichen Steuerakte notwendig. Im Fall der LLB-Kunden werden die Finanzämter in den nächsten Wochen jeweils am Wohnsitz der Kontoinhaber prüfen, ob diese ihre Einkünfte ordentlich versteuert haben. Wenn sie nicht versteuert wurden, was in den Liechtenstein-Verfahren die Regel ist, kann ein Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet werden - so keine korrekte Selbstanzeige vorliegt.

Im Fall der liechtensteinischen Fürstenbank, der in der Öffentlichkeit meist mit dem Namen des LGT-Kunden und früheren Postchefs Klaus Zumwinkel verbunden wird, liegen den Behörden mittlerweile etwa 210 Selbstanzeigen vor. Die Bochumer Staatsanwaltschaft führt in diesem Zusammenhang Ermittlungen gegen rund 350 Bundesbürger; etwa 400 weitere Ermittlungen sollen noch eingeleitet werden.

Die Steuerfahndung Wuppertal hat eine Statistik erarbeitet, nach der bislang etwa 350 weitere Selbstanzeigen eingegangen sind, die sich zwar auf Steuerhinterziehung in Liechtenstein, aber nicht auf den LGT-Fall beziehen. Ein Großteil dieser Selbstanzeigen stammt offenkundig von Kunden der LLB.

© SZ vom 06.08.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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